von ih 18.09.2018 19:10 Uhr

Kerns Flucht nach Brüssel

Christian Kern wird die politischen Zelte in Österreich abbrechen und als SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl nach Brüssel wechseln. Spätestens nach dieser Wahl im Mai 2019 wird er als SPÖ-Bundesparteichef zurücktreten, gab er am Dienstagabend in der Parteizentrale in einer persönlichen Erklärung bekannt.

APA (Archiv)

SPÖ-Chef Christian Kern betonte, dass er die Spitzenkandidatur der österreichischen Sozialdemokraten bei der Europawahl mit aller Konzentration angehen wolle. Daher werde er das Amt des Bundesparteivorsitzenden spätestens nach der Europawahl abgeben. Der Urnengang findet am 26. Mai 2019 statt.

Kern überraschte mit seiner Ankündigung seine Parteikollegen. Dies zeigte sich in einer Stellungnahme des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Niessl (SPÖ) gegenüber dem ORF. Es wäre eine große Ãœberraschung, wenn sich Kern zurückzieht, sagte dieser – noch ehe Kern seine Erklärung abgab.

Schließlich habe sich Kern in der Vorwoche von den Gremien als einziger Parteichef-Kandidat für den Parteitag am 6. Oktober nominieren lassen. Auf die Frage, ob Kern der Richtige als Bundesparteivorsitzender sei, zeigte sich Niessl zurückhaltend – und antwortete nur, dass es große Zustimmung in den Gremien gegeben habe.

Reaktionen fallen gemischt aus

Anders der steirische ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer: “Man hat es ihm angesehen, es war wohl nur eine Frage der Zeit”, sagt er am Rande des Landtags in Graz zur APA. Es sei offenbar nicht Kerns Rolle gewesen, die Opposition zu führen, aber Kern sei auch unter seinen Wert geschlagen worden. Er habe als damaliger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ein gutes Gesprächsklima mit Kanzler Kern gehabt. Wie es nun weitergeht sei “schwer zu sagen”, sagte der steirische ÖVP-Obmann. Leichter werde es aber nicht für die Bundesregierung, wenn sich die Opposition besser formiere.

Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, begrüßt, dass Kern als Spitzenkandidat seiner Partei bei der EU-Wahl antreten will. “Eine tolle Nachricht aus Wien – Christian Kern ist ein großer Europäer und steht für eine moderne Sozialdemokratie. Mit ihm hat die SPÖ einen starken Kandidaten”, so Regner. “Unser gemeinsames Ziel ist es, Europa nicht den Konzernen zu überlassen”. Zum angekündigten Rücktritt Kerns als SPÖ-Parteichef wollte sich Regner nicht äußern.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache sieht in der Entscheidung von SPÖ-Chef Kern, erst nach der Europawahl den Parteivorsitz abzugeben, einen Rücktritt auf Raten. “Ein EU-Spitzenkandidat Kern ist wahrlich eine bizarre Ãœberraschung”, sagte der FPÖ-Obmann am Dienstag am Rande seines Aserbaidschan-Besuchs zur APA.

Strache hat Wette gegen Kern gewonnen

Nach 13 Jahren als FPÖ-Parteichef sieht Strache nun auch seine Wette gegen den “kürzest dienenden Bundeskanzler der Zweiten Republik” gewonnen: “Nunmehr dürfte Kern auch der kürzest dienende SPÖ-Parteichef gewesen sein, wenn er nach der EU-Wahl – wie heute verlautbart – zurücktritt.”

Liste Pilz-Klubobmann Bruno Rossmann erhofft sich durch den angekündigten Wechsel an der SPÖ-Spitze eine schlagkräftigere Opposition – gebe es bei der türkis-blauen Regierung doch genug zu tun. Die SPÖ habe sich unter Kern als Opposition nicht schlagkräftig genug entwickelt, merkte Rossmann an. Er lobte aber, dass Kern standhaft die Koalition mit der FPÖ verweigert habe.

Sein Bedauern über den angekündigten Abgang des SPÖ-Chefs drückte Grünen-Chef Werner Kogler Dienstag aus. “Österreich kommt ein aufrichtiger Politiker mit kompetentem Auftreten abhanden”, zollte er Kern “großen Respekt”. Dass er zurücktreten will verheiße nichts Gutes, befürchtet Kogler einen Rechtsruck der SPÖ.

APA

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