von apa 14.04.2017 08:04 Uhr

Nestroys „Liebesgeschichten“ am Burgtheater

Geld regiert die Welt. Das ist kein Geheimnis, sondern eine Tatsache – jedenfalls in Johann Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“. In der kurzweiligen Verwechslungsposse ist es die entlarvende Sprache, die den Kampf um den schnöden Mammon antreibt. Und hat man ein Gespür dafür, dann gelingt ein Triumph – wie bei Georg Schmiedleitners aktueller Burgtheater-Inszenierung des Klassikers.

APA (Techt)

Dieser kam bei seiner Premiere am Donnerstagabend in vielerlei Hinsicht sehr bekannt daher. Und doch gelang dem Regisseur und seinem Team eine zeitgemäße Deutung der Geschichte um den zu Geld gekommenen ehemaligen Fleischselcher Fett, dem Gregor Bloeb in grell-goldenem Anzug (und ähnlicher Haarpracht) mit viel Verve Leben und Skurrilität einhaucht. In seinen vier Wänden wird das Spiel um Liebe und Ablehnung vorangetrieben, das mit reichlich Hinterlistigkeit und Standesdünkel gewürzt ist.

Denn während zwei junge Liebespaare sich dem Hochmut ihrer Eltern und Verwandten zum Trotz nicht aufgeben wollen, liegt es am Tunichtgut Nebel (mit viel Gespür für den richtigen Rhythmus: Markus Meyer), diese Situation für seine Zwecke zu nutzen und Zwietracht sowie Verwirrung zu stiften. Wer hier mit wem und warum in weiterer Folge anbandelt, das hat aber – natürlich – auch mit der entsprechenden Mitgift zu tun.

So verschachtelt das Vor und Zurück bei Nestroy mitunter ausfällt, so klar bringt es Schmiedleitner auf die wandlungsfähige Drehbühne (Volker Hintermeier). Zwischen Plastikplane und Plastikpalme, vor und in dem Skelett eines Wirtshauses und vor allem auf einer ferngesteuerten Couch (die Bloeb mit sichtlichem Genuss steuert) lässt er sein spielfreudiges Ensemble aufeinander losgehen. Darf Peter Matic als Wirt dabei allerlei Punk-Assoziationen wecken, wirkt der Rest eher wie aus einem heruntergewirtschafteten Jahrmarkt entschlüpft.

Wo diese äußeren Effekte (inklusive eines fahrenden Plüschschweins) für Heiterkeit und Auflockerung sorgen, ist es aber der pointiert gesetzte Sprachwitz Nestroys, den Bloeb und Co vollends zum Strahlen bringen. Wie der gebürtige Tiroler als neureicher Prolet zwischen Kraftausdrücken und comichaftem Französisch changiert, sorgt mehr als einmal für Szenenapplaus. Ebenso Regina Fritsch als schwer zu vermittelnde, aber umso betuchtere Schwägerin Lucia, deren Stimmlage auch nach ihren Szenen noch in den Ohren klingelt.

Es sind die offenen und verdeckten Unterschiede der Protagonisten, die diese gerne verwischen würden, dabei aber Anlass für die größten Lacher bieten. Dietmar König kann diesbezüglich als Marchese Vincelli seinem in Ungnade gefallenen Sohn oftmals nur ein verächtliches Schnauben entgegenschleudern, wird er doch von den Geschehnissen (und Gerüchen sowie Hochprozentigem) im und um das Hause Fett außer Gefecht gesetzt. Köstlich, wie er sich auf der Couch dreht und dreht und dreht, während der Hausherr seine „Noblesse“ beteuert.

Umrahmt wird all das von musikalischen Intermezzi, die sich an Wiener Lied und Balkanjazz anlehnen, mal atmosphärisch schwebend vom Streichquintett gegeben werden, aber auch – wie direkt nach der eigentlich nicht notwendigen Pause – absurde Gruppenbilder vertonen und diese zu kurzen Horrorsequenzen werden lassen. Schritt für Schritt lässt Schmiedleitner damit das Geschehen ins Ungeheuerliche abdriften, um es dann doch wieder auf eine zwischenmenschliche Ebene zu reduzieren.

Die Gesellschaftskritik ist da – aber genauso lassen sich diese „Liebesgeschichten“ einfach als temporeiche und wunderbar spritzig interpretierte Posse ohne große Hintergedanken genießen. Die in erster Linie gesprochenen Couplets Nebels, dem seine Verwirrtaktik letztlich nichts einbringt, sie entlarven zwar heute wie zu Nestroys Zeiten herrschende Vorurteile und Zwänge. Aber es ist öfters das Wie und nicht das Was, das das gesprochene Wort bei Bloeb, Meyer, Fritsch oder König zum Leuchten bringt. Auch wenn der Abend zum Ende hin etwas an Fahrt verlieren mag – am frenetischen Jubel für alle Beteiligten (allen voran dem zuletzt genannten Quartett) änderte das nichts. Ein Nestroy zum Gernhaben und immer wieder sehen.

(S E R V I C E – Johann Nestroy: „Liebesgeschichten und Heiratssachen“, Regie: Georg Schmiedleitner, Bühnenbild: Volker Hintermeier, Kostüme: Su Bühler, Musik: Matthias Jakisic, Licht: Norbert Joachim, Dramaturgie: Hans Mrak. Mit: Elisabeth Augustin, Gregor Bloeb, Stefanie Dvorak, Regina Fritsch, Alexandra Henkel, Dietmar König, Peter Matic, Markus Meyer, Christoph Radakovits, Robert Reinagl, Marie-Luise Stockinger, Martin Vischer und den Musikern Melissa Coleman, Lena Fankhauser, Matthias Jakisik, Claus Riedl, Nikolai Tunkowitsch. Burgtheater, Universitätsring 2, 1010 Wien. Weitere Vorstellungen: 15., 22., 29. April, 9., 13., 15., 21. Mai sowie 4. Juni; )

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