Ärzte streiken gegen Gesundheitsreform

Zu Engpässen oder deutlich längeren Wartezeiten in den Spitäler und Ambulanzen haben die Ordinationsschließungen nicht geführt. Es herrschte durchwegs Normalbetrieb. Auch die Ambulatorien der Krankenkassen meldeten keinen Run. Nach Angaben der Ärztekammer blieben in Wien mehr als 600 Ordinationen geschlossen, in Kärnten rund 80 Prozent der Hausarzt-Praxen.
Für Aufregung sorgte ein Brief der Wiener Ärztekammer-Führung an die Ärzte, in dem diesen empfohlen wurde, sich am Streiktag nicht am E-Card-System anzumelden – auch dann nicht, wenn sie Patienten an diesem Tag behandeln. Damit wollte man offenbar verhindern, dass die Sozialversicherung über das Stecken der E-Card kontrollieren kann, wieviele Ärzte sich tatsächlich an dem Streik beteiligen. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hält diese Vorgangsweise für „eindeutig rechtswidrig“, weil sie dem E-Card-Vertrag widerspreche. Über etwaige Konsequenzen müsste die Wiener Gebietskrankenkasse entscheiden.
Die Ärztekammer bekräftigte ihre Kritik an der Gesundheitsreform und warnte noch einmal davor, dass der bewährte Hausarzt durch profitorientierte Primärversorgungszentren obsolet gemacht werden solle. Die wohnortnahe Versorgung, die freie Arztwahl und das soziale Gesundheitssystem an sich sei dadurch in Gefahr, ebenso die „Versorgung und Würde“ der Menschen, warnte der Wiener Vizepräsident Johannes Steinhart. Der Kärntner Gert Wiegele, stellvertretender Obmann der niedergelassenen Ärzte, sah gar die „Ausrottung des Hausarztes“ herandräuen.
Trotz der Proteste wurde die Reform am Mittwochnachmittag im Nationalrat beschlossen. Von der Besuchergalerie aus verfolgten Ärzte in weißen Kitteln die Debatte. Die beiden beschlossenen Bund-Länder-Vereinbarungen sehen vor, dass die Steigerung der Gesundheitsausgaben von derzeit 3,6 auf 3,2 Prozent pro Jahr abgeschmolzen wird und dass die geplante Primärversorgung mit 200 Millionen Euro gefördert wird.
Während sich die Opposition teilweise mit der Ärztekammer solidarisierte, wies Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) die Kritik neuerlich entschieden zurück. Auch bei den schlechtesten Berechnungen werde das Geld mehr, und man komme nicht ins Sparen. Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, ebenso wie Oberhauser selbst Arzt, stimmte der Reform zu. Er betonte, dass die ÖVP dazu stehe, die freie Arztwahl zu erhalten.
Ebenso wie die oberösterreichische kündigte auch die steirische Ärztekammer nach dem Nationalratsbeschluss bereits weitere Protestmaßnahmen an. Damit sei man der angedrohten Kündigung des Gesamtvertrages wieder einen Schritt näher gekommen, hieß es.
Patientenanwalt Gerald Bachinger hält den Ärztestreik für eine „unnötiges Theater“ einer Funktionärs-Kaste, die offenbar den Kontakt zu den Patienten verloren habe. Er hielt der Ärztekammer vor, „vollkommen gegen die Interessen der Patienten“ zu agieren.






