Theatergenuss vom Feinsten: „Faust“ mit hervorragender Besetzung auf Südtiroltournee

Sein ganzes Erwachsenenleben hindurch hat sich Johann Wolfgang von Goethe mit dem Faust-Stoff auseinandergesetzt: Insgesamt schrieb und feilte er von 1771 bis 1808 – also 37 Jahre lang -, an seinem „Faust. Der Tragödie erster Teil“, der erst 1829 in Braunschweig uraufgeführt werden sollte. In den zweiten Teil investierte er weitere  sechs Jahre.
Für die Aufführung unter der Gesamtleitung von Gabriele Langes hätten kaum passendere Charaktere gewählt werden können.
Hervorragend vor allem Gabriele Langes selbst in ihrer Rolle als Mephisto. Frech, herausfordernd, unnachgiebig, unbequem, breitspurig, respektlos, aber auch frei, unbequeme Wahrheiten über die Wunderlichkeiten der Menschen auszusprechen („Nun gut, es sei dir überlassen! Und steh beschämt, wenn du erkennen musst: Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“), verkörpert sie Mephisto in wohl all seinen Eigenschaften so, wie ihn Goethe geschaffen hat:
Gabriele Langes, sie stammt aus Lana,  hat an der Elisabethbühne Salzburg studiert und in Salzburg, Wien und München gearbeitet. 1993 hat sie das FTB gegründet und spielte nahezu alle weiblichen Hauptrollen (Medea, Elektra, Lady Macbeth, die ShenTe und die Grusche, zuletzt die „Grete Samsa“ in „Verwandlung“).
Auch der aus Rostock stammende Schauspieler, Dozent und Regisseur Alexander Flache – hier in der Hauptrolle als ewig suchender Gelehrter Dr. Faust, der kurz vor der Resignation bereits die Giftphiole in der Hand hält, sich aber schließlich, um zu erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, der Magie hingibt und einen Pakt mit dem Teufel schließt („Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!“) überzeugt auf ganzer Linie. Flache spielte seit 2005 am FTB u.a. in „Kaukasischer Kreidekreis“ (Brecht), „Elektra“ (Sophokles), „Gauklermärchen“ (Ende) und Kafkas „Verwandlung“.
Eine Neuentdeckung ist Sarah Scherer aus Auer in der Rolle als Gretchen. Sie hat an der Schauspielschule Krauss Wien studiert und arbeitet in Wien als freiberufliche Schauspielerin, Kurzfilmerin und Drehbuchautorin. Derzeit spielt sie zum ersten Mal in ihrer Heimat Südtirol. Als Faust dem wunderschönen Gretchen begegnet, ist er sofort hin und weg. Mit Mephistos Hilfe gelingt es Faust, Gretchen für sich zu gewinnen. Schließlich wird Gretchen von Faust schwanger. Als ihr Bruder Valentin davon erfährt, will er diese Schande rächen, wird bei diesem Versuch jedoch von Faust erstochen. Mephisto und sein Schützling fliehen und lassen Gretchen mit ihren Problemen allein zurück. Um nicht mit diesem Skandal leben zu müssen, ertränkt Gretchen ihr Kind und wird zum Tode verurteilt.
Beeindruckend Sarah Scherers Ausdruck in ihrer Rolle als empfindsames, unverdorbenes, unerfahrenes Mädchen, das Faust mit Mephistos Hilfe für sich gewinnt und das schließlich den hohen, abstrakten Bestrebungen Fausts und den gesellschaftlichen Normen zum Opfer fällt. Alles anderes als eine „leichte“ Rolle, die Scherer mit Charisma und bemerkenswerter schauspielerischer Leistung ausfüllt.
Auch wenn einige Teile gekürzt wurden, dauert die Aufführung (mit Pause) fast drei Stunden. Der Kulturgenuss zahlt sich aber auf jeden Fall aus.
Weitere Aufführungen: 13.11. in Auer, 17. und 18.11 in Meran, 22.11. in Bruneck und 27.11. in Brixen. Infos unter 347 6819754 oder info@ftb.bz.it






