von apa 18.04.2016 08:38 Uhr

Heller-Garten „Anima“ in Marrakesch eröffnet

Vor dem Eingang zum Jardin Majorelle, neben dem weltberühmten Platz Djemaa el Fna die größte Attraktion von Marrakesch, stehen die Touristen auch Mitte April Schlange. Eine halbe Autostunde außerhalb der Stadt ist seit einer Woche ein weiterer Zaubergarten geöffnet: „Anima. Le retour du paradis. Créé par André Heller.“ Es ist ein wahres Paradies. Und im Moment ist es noch paradiesisch ruhig hier.

APA (Huber-Lang)

Nach dem fulminanten Eröffnungswochenende mit 300 Gästen finden derzeit rund 30 Besucher pro Tag hierher. So wie ein Paar britischer Expats, das die halbe Zeit des Jahres in Marrakesch verbringt. Die Beiden haben von Freunden von dem neuen Garten gehört. Der Name André Heller sagt ihnen gar nichts, aber von „Anima“ sind sie restlos begeistert: „Viel größer, fantasievoller und farbenprächtiger als der Jardin Majorelle. Ein echtes Juwel!“

Touristisch ist „Anima“ eher ein Rohdiamant, der noch geschliffen werden muss. In der Stadt ist die Attraktion noch gar nicht präsent. Fremde kämen derzeit vor allem als Hijacker ihrer Touristenbusse, die den Fahrer mit einem Zeitungsartikel in der Hand zur Routenänderung zwingen, erzählt lachend Gregor Weiss, jener Mann, der in den vergangenen siebeneinhalb Jahren täglich daran gearbeitet hat, André Hellers Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Universal- und Gartenkünstler selbst, wie ein milder Gott am siebenten Tage seiner Schöpfung ein wenig erschöpft durch das von ihm ersonnene Paradies wandelnd, ist die Ruhe selbst: „Ich mache mir nicht die geringsten Sorgen: Das wird sich durchsetzen. Wir stehen unter keinerlei Druck. Im Gegenteil: Jetzt können wir noch in aller Ruhe die letzten Dinge in Ordnung bringen.“

Heller hat inmitten einer Ruheoase, in der nur der gelegentlich knatternde Rasenmäher der allgegenwärtigen Gärtner die Idylle stört, bereits jetzt Angst vor den Massen. 768.000 Besucher haben sich 2014 durch den von Yves Saint Laurent und seinem Lebensgefährten Pierre Bergé wiederbelebten Jardin Majorelle gedrängt. „Wir wollen nur halb so viele“, versichert er beschwörend. Damit der Zauber nicht verfliegt, sollen nicht mehr als 500 Besucher pro Stunde zugelassen werden. Vorläufig freuen sich die jungen, freundlichen Mitarbeiter an Kasse, Shop und im „Café Paul Bowles“ noch über jeden einzelnen. Die Freude ist gegenseitig.

Schon die Anfahrt ist ein Erlebnis. Stets hat man die schneebedeckte Kette des Hohen Atlas vor sich, der mit seinen Viertausendern jene Wasserreserve birgt, die „Anima“ dringend notwendig hat. Überall sind Schläuche verlegt, es fließt und sprudelt, und ein meterhoher Mosaik-Kopf gibt mit seinem regelmäßig ausgestoßenen Wasserdampf, in dem sich immer wieder Regenbögen bilden, den Atemrhythmus des ganzen Areals vor.

Wasser scheint es hier noch genug zu geben – jedenfalls reicht es auch für einen Aqua-Funpark, an dem man vorbeifährt. Dass es sich hier gut leben lässt, beweisen die vielen „Luxury Living“-Projekte zu beiden Seite der Straße, die mit Kasbah-ähnlicher Architektur, Pools und viel Grün die Käufer locken. Freilich: Auch André Heller lebt nicht schlecht hier. Sein eigenes Domizil, vom „Anima“-Garten mit einen privaten Zugang verbunden und wie alle Bauten des Areals von der österreichischen Architektin Carmen Wiederin entworfen, ist mit einem großzügigen Privatgrundstück umgeben, erlesen, geschmackvoll – und zweifellos nicht billig gewesen.

Doch es handle sich hier keineswegs um den Alterssitz eines reichen Exzentrikers – auf diese Feststellung legt Heller, der 1972 erstmals nach Marokko kam und sich seit vielen Jahren hier zu Hause fühlt, großen Wert. „Dieses Projekt ernährt rund 1.000 Leute. Es braucht nicht mehr Wasser als die landwirtschaftlichen Betriebe von früher. Und es ist so nachhaltig, wie es nur sein kann: Diesen Garten wird es noch in 2.000 Jahren geben, wenn die Welt dann noch steht. Von den paar intelligenten Projekten, die ich in meinem Leben verwirklicht habe, ist das eines der intelligentesten. Bis jetzt habe ich jedenfalls noch keinen schwerwiegenden Fehler gefunden. Es macht täglich Sinn.“

Heller hat seine Erfahrungen als Gartengestalter am Gardasee, als Erfinder von extravaganten Shows, als Kollaborateur multipler Künste, auf einen Garten Eden konzentriert, der auf Schritt und Tritt überrascht. Die Wege sind so angelegt, dass hinter jeder Biegung Neues wartet: uralte Kakteen und meterhohe Palmen, von Hellers Team behutsam hierher transferiert, Keramikteller und Glashäuser, Skulpturen und bunt bemalte Kegel, eine Arche mit allerhand Fantasiewesen, davor ein Abguss von Rodins „Denker“, ein Bergkristall und eine große Amethyst-Geode.

Die Rosen, die hier früher gezüchtet wurden, ehe der Boden hart und unfruchtbar wurde, sind wieder da, und auch jene aufsteckbaren bunten Glaskugeln, die mancher wohl selbst im eigenen Garten hat, finden sich hier. Es ist eine Mischung aus Natur, Kunst und Kitsch, die verzaubern muss, weil ihr Schöpfer selbst eine Melange aus Kindskopf und Genie, Künstler und Verrückter ist. In der Mitte des Areals steht auf einem kleinen Hügel ein Berberzelt als Ausguck und Einladung zum Verweilen. Zeit soll hier nicht verfliegen, sondern still stehen.

André Heller selbst schmiedet bereits an Erweiterungsplänen: „Ich habe viele Ideen. Das ist ja das Schöne an dem großen Grundstück: dass ich noch jahrelang weitermachen kann. Ein Labyrinth würde ich noch gerne anlegen. Und ein kleines Museum zum Thema Fotografie. Viele Künstlerfreunde möchten Skulpturen zur Verfügung stellen oder Installationen machen. Wir brauchen einfach noch mehr Platz für Verrücktheiten. Und ich möchte einen Garten für Blinde machen. In Marokko gibt es, wie überall in der Dritten Welt, viele Blinde. Der Garten ist ja vor allem für die Menschen, die hier leben, gedacht.“

Dem Besucher von Hellers Paradies fällt der Abschied schwer. Beim Blick zurück springt einem ein Schild ins Auge, gleich neben der „Anima“-Abzweigungstafel: „Terrain a vendre.“ Ob hier Nachahmer oder künftige Anrainer, die sich an Nachbars Garten ergötzen wollen, investieren werden? Eines scheint jedenfalls sicher: Die Grundstückspreise der Gegend dürften bereits gestiegen sein.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite