Frei.Wild: „Diese Grippe war härtestes Kaliber!“

UT24: Philipp und Föhre, die erste Runde der Opposition- Extreme Tour ist rum. Ab nächster Woche steht der zweite Tourblock vor der Tür. Seid ihr schon wieder gesund und wie fühlt ihr euch nach einigen Tage der Erholung?
Föhre: Also sagen wir es mal so, wir sind jetzt wieder über dem Berg und ja, es hat lange gedauert, uns wieder zu erholen. So ganz erholt sind wir zwar noch immer nicht, zumindest ich nicht, aber wir sind sehr guter Dinge, dass wir die kommenden Shows wieder in alter Frische meistern werden.
Philipp: Ich kann Föhre hier nur beipflichten. Diese Grippe war und bleibt das härteste Kaliber, das wir in Sachen Grippe je erlebt haben. Hätten wir auch nur annähernd erahnt, welche Ressourcen das Durchhalten auf Tour und jetzt auch das Gesund-werden in Anspruch nimmt, hätte es einen 1. Tourblock in dieser Form nie gegeben. Wenn auch es irgendwo nicht anders möglich war und die Konzerte an sich ja wirklich super waren.
UT24: Aber ihr seid trotz Grippe auf Tour gegangen. Wie kam das?
Föhre: Nun, im Grunde war es ein suboptimales Zusammenspiel aus mehreren Dingen, die uns hier den Wurm reingehauen haben. Am Montag und Dienstag bei den Proben, meinte Philipp immer mal wieder „Freunde, ich fühle mich irgendwie nicht so besonders, aber das wird wohl noch vom Wochenende sein“. Das hatte auch jeder so gedeutet, uns selber ging es ja auch nicht besonders, jeder aus der Band hatte einige Nachwehen vom Harley and Snow Festival in Ridnaun (lacht). Der Mittwoch war ok, nur mir selber hat es manchmal etwas kalten Schweiß auf die Stirn getrieben. Am Vortag der Tour, also am Abend dann, telefonierten wir noch mal in die Runde um die letzten Details abzusprechen und genau hier fühlte sowohl ich mich, als auch Philipp wieder top-fit. Philipp war sogar gerade im Fitnessstudio und bekundete seine Vorfreude auf den Tourstart.
Philipp: Genau, und jetzt wäre es noch an der Zeit gewesen, allen Beteiligten abzusagen, wäre da auch nur ein Anschein einer Erkrankung gewesen. Zu dem Zeitpunkt wäre es sogar noch super einfach gewesen, die Hallen zu switchen, die Versicherung einzuschalten, letztlich den gesamten Block hinter den letzten Block zu schieben und sich dann gesund heilen zu lassen. Nur war ich, und Föhre ja auch, am besagten und entscheidenden Abend super drauf und alles andere als angeschlagen. Die Grippe kam über Nacht und leider so schleichend, dass der gesamte Tross von über 80 Leuten schon in/ oder auf dem Weg nach Ingolstadt war. Jetzt abzusagen wäre eine Katastrophe gewesen. Vor allem, weil wir die letzten sind, die nicht wissen, welcher Rattenschwanz an einer Konzertabsage dran hängt. Von eigens angereisten und nun mal unseretwegen viel zu spät informierten Fans ganz zu schweigen, das hätte uns das Herz gebrochen. Auch hat sich der Zustand über den gesamten Tag hinweg permanent verschlechtert. Beim Soundcheck um 16:00 Uhr in Ingolstadt war noch alles halbwegs im Lot, um 18:00 Uhr war es schon weitaus schlimmer, um 20.30 Uhr dachte ich, so kann ich nicht auf die Bühne. Aber ich ging doch und es ging auch.
UT24: Warum habt ihr dennoch gespielt? Revolverheld, Skorpions, Eros Ramazotti, allein diesen Künstlern fiel es diese Woche einfacher abzusagen.
Philipp: Was all diese Künstler machen, ist nicht unser Ding, wir entscheiden nach unserem Empfinden, wenn auch ich alle aus diesem Kader verstehen kann. Wenn man krank ist, sollte man nicht spielen, das ist Fakt. Im Grunde ist es so. Ich bin, was Unwohlbefinden und Grippe angeht, vom Hause aus ein furchtbarer Jammerer, 37 Grad Fieber empfinde ich schon so schlimm, dass ich von mindestens 40 Grad Fieber ausgehe. Meine beiden Schwestern und meine Mutter damals, aber auch meine Frau, nehmen mich auch immer wieder auf den Arm deswegen. Ich hatte z.B. mal ein gebrochene Nase, nun, die hatte ich mehrmals, den Schmerzpegel vom Einrenken hatte ich ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Schmerzpegel einer Geburt verglichen (lacht). Erst später bei der Geburt meiner eigenen Kinder habe ich tatsächlich eingestanden, dass ich wohl leicht dezent daneben lag (lacht wieder). Nein, im Ernst, man kann doch auch nicht wegen der kleinsten Erkältung immer alles fallen lassen und von einer schlimmen Grippe ausgehen. Ich kenne das vom Bau, aber auch von den Konzerten, vieles geht schneller wieder weg, als es gekommen ist, vor allem wenn man schwitzt und Adrenalin mit im Spiel ist.
Föhre: Ich bin natürlich auch der klassische Männergrippe- Typ. Aber wie Philipp schon sagte, dieses mal war alles anders. Das Fieber war ruckartig oben, dann wieder weg und wie nie da gewesen. Mal war die Erkältung im ersten Teil vom Konzert nicht da, ab der Hälfte ging dann wieder gar nichts mehr. Genauso war es auch mit den Tagen auf Tour. Ingolstadt war am Morgen beim Starten beschissen, dann im Laufe des Tages etwas besser, beim Soundcheck war wieder alles ok, oder sagen wir „so Lala“ und nach dem Konzert furchtbar. St. Pölten war in der früh in Ordnung und im Laufe des Tages schlechter. In Riesa aber, wäre ich fast zu Grunde gegangen und ohne Medikamente niemals in der Lage gewesen, zu spielen.
Philipp: Und dennoch, wir hätten den ganzen Block absagen müssen, jetzt wo man um den Krankheitsverlauf weiß, nur hinterher ist man immer klüger, auch das ist bei einer Grippe nicht anders als sonst. Wir eben eben immer der Meinung, dass wir einen Auftrag haben und dieser Auftrag geht in erster Linie immer zu Gunsten unserer Fans. So manches Konzert hat manches „Wehwehchen“ auch in Luft aufgelöst. Von dem her sind wir auch immer irgendwo der Meinung, dass Musik die beste Medizin ist. Im Falle von dieser Grippeerkrankung zwar nicht, aber bisher schon. Wir lernen aber auch dazu, noch mal machen wir so eine Geschichte nicht, das haben wir uns geschworen.
UT24: Philipp, du warst beim Arzt. Was haben Sie dir gespritzt, dass du Riesa ja doch mit beachtlicher stimmlicher Leistung durchrocken konntest?
Philipp: Zu allererst war es so, dass ich am frühen Morgen, so um 6:30 Uhr war es, meinen Vocal- Coach Robin D. angerufen habe und ihm vom Fieber, meiner Halsentzündung und den damit verbundenen Anstrengungen/ auch atypischen Nebengeräuschen erzählt habe. Ich habe eigentlich damit gerechnet, oder sagen wir auch gehofft, er würde mir zu sofortigen Absage raten. Das tat er auch, aber eben auch mit der Bitte, mich einem ärztlichen Rat zu unterwerfen. Ich war zu dem Zeitpunkt echt im Arsch und die durchwachte Nacht war eine reine Katastrophe. Die Unsicherheit, den 11.000 Menschen in Riesa eventuell absagen zu müssen, hat mich ehrlich gesagt enorm beschäftigt. Tief im Herzen wollte ich dieses Konzert unbedingt spielen, ich habe mich einfach auch zu lange darauf gefreut. Robin meinte, Philipp, ich bin kein Arzt, aber fahr rüber nach Leipzig, dort sitzt ein befreundeter Arzt, eine absolute Koryphäe in Sachen HNO- Erkrankungen. An ihm kommt derzeit kaum ein Künstler vorbei, er weiß Bescheid, dass du kommst. Er wird sich deinen Zustand genauestens anschauen und mit mir über etwaige Folgerisiken sprechen. So kam es dann auch. Als ich dann da war, dachte ich mal wieder, ich hätte mindestens 42 Grad Fieber, in Wirklichkeit hatte ich aber „nur“ 37,5 Grad. Mein Hals war nicht wie von mir angenommen, fast verfault, sondern leicht gerötet, entzündet eben. Ich sagte es ja eben, ich bin was Eigendiagnosen betrifft, sehr Selbstmitleids- behaftet und liege auch immer meilenweit daneben. Die Diagnose des Arztes war folgende: Philipp, wenn du spielen willst, dann spiele, das Fieber kriegen wir ohne Probleme runter und die Entzündung im Hals können wir ebenso kurzzeitig aus der Welt zaubern. Versprich mir aber, dass du die nächsten 5 Tage im Bett bleibst und dich auskurierst. Das habe ich getan und das tue ich auch immer noch. Nicht weil ich immer noch krank bin, nein, einfach weil ich meinem Körper Entschuldigung sagen möchte und merke, wie schön es ist, bedient zu werden (lacht).






