von ih 20.03.2016 09:14 Uhr

Konvent: Zukunft Schule – das Interview – Teil 2

Das Thema „Zukunft Schule“ zog sich wie ein roter Faden durch alle bisherigen Open-Space Veranstaltungen des Autonomiekonvents. Zweimal wurde das Thema von einem Informatiker vorgebracht. Ein Zufall? Der Sektor gilt als hochdynamisch und international vernetzt. Nachdem wir im ersten Teil unserer Interview-Reihe von den beiden Proponenten wissen wollten, was heute von jungen Menschen im Berufsleben erwartet wird, geht es nun um deren Eindruck vom Konvent allgemein. Teil zwei eines Zweiteilers zum Thema Schule – Wirtschaft und Autonomiekonvent.

Martin Schneider (l.) und Ernst Dorfmann (r.) brachten das Thema Schule beim Konvent ein. Bild: UT24 / M. Schneider / E. Dorfmann

Das Thema „Schule“ brennt den Teilnehmern an den Open Spaces unter den Nägeln. So sehen es auch Martin Schneider und Ernst Dorfmann. Beide sind von Beruf Informatiker und beide haben sich entchlossen, das Thema beim Autonomiekonvent zur Diskussion zu stellen. Ihre Gruppen in Bruneck und Brixen war sehr gut besucht, man beschäftigte sich besonders intensiv mit dem Fremdsprachenlernen und CLIL. Darüber erzählten sie im ersten Teil unseres Interviews.


Martin Schneider aus Oberwielenbach ist 47 Jahre alt und Diplom-Informatiker. Er hat an der TU Wien studiert, arbeitet als selbstständiger IT Consultant in Bruneck und ist Gemeindereferent der SVP in Percha. Seine Aufgabenbereiche umfassen dabei unter anderem öffentliche Arbeiten, Umwelt und Sport.

Ernst Dorfmann aus Lüsen ist 49 Jahre alt und ist Leiter der IT in der Firmengruppe Rubner, einem der führenden Holzbauer in Europa. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder im Alter von 18, 23 und 26 Jahren. Er ist seit vielen Jahren in der Jugendarbeit tätig, Gemeinderat der SVP in Lüsen und Mitglied im Verwaltungsrat eines öffentlichen Betriebes in Brixen.


UT24: In Ihrer Gruppe waren zahlreiche Eltern, Lehrer, aber auch Schüler anwesend. Was würden Sie sagen, in welche Richtung tendiert die allgemeine Meinung der Teilnehmer zum Thema „Schule“?

Ernst Dorfmann: Die allgemeine Meinung zum Thema Schule war die, dass die öffentliche Schule unsere jungen Menschen auf das spätere Berufsleben besser vorbereiten muss und dass Verbesserungen in der Organisation, bei den Inhalten und bei der Unterrichtsmethodik unbedingt notwendig sind.  Die bisherigen „Schulversuche“ haben nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt, da diese zu wenig zielgerichtet und durchdacht waren. Die „Politik“ neigt dazu, das Augenmerk auf die Optimierung der Organisation der Schule, im Sinne von Kosteneinsparungen zu legen und vergisst dabei, dass Investitionen in die Ausbildung unserer Jugend die Voraussetzung für den künftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg darstellen.

Eine erfolgreiche Planung beginnt mit der Festlegung der zu erreichenden Ziele, unter Berücksichtigung der realen IST-Situation und der wesentlichen Rahmenbedingungen. Ist die reale Ausgangssituation erkannt, müssen die notwendigen Schritte zur Zielerreichung festgelegt und konsequent umgesetzt werden. Wir waren auch der Meinung, dass das Lernniveau in den Schulklassen immer mehr darunter leidet, dass bei Integrationskindern vielfach die sprachlichen Mindestvoraussetzungen bei Weitem nicht vorhanden sind und damit der reguläre Schulbetrieb in den betroffenen Klassen teilweise unmöglich wird. Hier gilt es Sprachausbildungen für Betroffene anzubieten und geeignete Einstiegshürden in die öffentlichen Schulen vorzusehen, so wie dies bei Privatschulen der Fall ist.

Martin Schneider: Grundsätzlich ging es ja um den Sprachunterricht, im speziellen um den Italienischunterricht. Dass „Sprachenerlernen“ wichtig ist, darüber herrschte Konsens bei allen Teilnehmern. Nur über die Art und Weise gab es auch unterschiedliche Meinungen.

Von der überaus großen Mehrheit wurden der muttersprachliche Unterricht und die Festigung der Muttersprache ganz klar als eines der wichtigsten Standbeine der Autonomie gesehen und wurde dementsprechend auch verteidigt. Sprachexperimente, wie etwa CLIL, zu Lasten des muttersprachlichen Unterrichts, aber auch zu Lasten des Fachunterrichtes wurden dabei sehr kritisch kommentiert, besonders im Pflichtschulbereich. Für eine Minderheit können diese gefährliche Konsequenzen haben.

Vor Immersionsunterricht wurde gewarnt. Vielmehr wurde gefordert, endlich die Unterrichtsmethodik zu ändern, d.h. Italienisch in erster Linie als Fremdsprache, d.h. als Kommunikationssprache, zu lehren und in den letzten Oberschuljahren ganz explizit als Vorbereitung auf die Zweisprachigkeitsprüfung.

Auch die Kontinuität im Unterricht soll verbessert werden, da die Qualität unter den ständigen Lehrerwechseln leidet. Gleichzeitig wurden auch andere Alternativen, wie ergänzende Sprachkurse, Wahlfachangebote oder Sommersprachkurse, genannt. Interessant bei der Diskussion waren die fundierten Stellungnahmen von Lehrern verschiedener Schulstufen und die Beiträge von Eltern und Schülern. Auch viele Erfahrungsberichte wurden vorgebracht.

UT24: Wie haben Sie den Konvent allgemein empfunden? Sind die Südtiroler reif für einen partizipativen Prozess?

Ernst Dorfmann: Die zahlreiche Teilnahme am Konvent zeigt, dass es immer mehr Südtirolerinnen und Südtiroler gibt, die aktiv an der Entwicklung unseres Landes mitarbeiten möchten. Ich glaube auch, dass das ein unmissverständliches Zeichen für schwindendes Vertrauen in die eigene Volksvertretung und somit in die Südtiroler Politik der letzten 20-30 Jahre darstellt. Die Bereitschaft zur unentgeltlichen und aktiven Mitarbeit an der Entwicklung unseres Landes und unserer Zukunft zeigt, dass es wichtige Themen gibt, die von den Volksvertretern bisher nur unzureichend behandelt wurden.

In den Diskussionen am Konvent in Brixen wurden die wahrscheinlich brennendsten Themen besprochen und es wurden viele nachvollziehbare und sinnvolle Lösungsvorschläge dazu eingebracht. Bleibt zu hoffen, dass auch unsere Politik reif für die Partizipation der eigenen Bevölkerung an den politischen Entscheidungen wird und darauf zurückgreift.

Martin Schneider: Ich habe immer noch meine Bedenken zum Konvent: über die Intention wie er zustande gekommen ist und wie die weitere Entwicklung sein wird. Positiv überrascht war ich hingegen vom „Open Space“, den ich besucht habe. Ich habe viele interessante Menschen und Meinungen kennengelernt. Da diskutierten gleichberechtigt Akademiker, Hausfrauen, Handwerker, Angestellte, Schüler, Jung und Alt miteinander und jeder hörte dem anderen zu. Persönlich war das sehr bereichernd.

Ich bin der Meinung, in einer Gesellschaft sollte Partizipation immer ermöglicht und auch gefördert werden. Partizipation muss dann halt auch erlernt werden. Und Natürlich wird es auch Regeln geben müssen.

UT24: Es gab einige Diskussionen in den Medien zur Zusammensetzung der Teilnehmer und zum Fernbleiben einiger Bevölkerungs- bzw. Sprachgruppen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ernst Dorfmann: Meine Meinung dazu ist die, dass es viele Gründe für die unausgewogene Beteiligung der Volksgruppen am Konvent gibt. Einer ist der, dass die Südtiroler Bevölkerung eine relativ einheitliche Sicht auf die brennendsten Themen und auf das politische Geschehen in Südtirol hat. Dies ist auch daran erkennbar, dass alle Südtiroler deutschsprachigen Parteien inzwischen auch eine Wählerschaft aus der italienischen Sprachgruppe haben. Daher ist es wohl gar nicht so relevant, welche Sprachgruppe stark oder schwach teilgenommen hat, denn die wesentlichen Schwerpunkte scheinen sprachgruppenübergreifend zu sein. Aufgefallen ist mir in den Diskussionen, dass die meisten überfälligen Entscheidungen zu aktuellen Themen auf sachlicher Basis und im gegenseitigen Respekt ohne Weiteres einvernehmlich unter den Sprachgruppen geklärt werden könnten. Wenn wir uns z. B. die Frage zu den historischen Gründen und zum damals verfolgten Nutzen der Toponomastik stellen, dann wird sehr schnell klar, dass diese inzwischen keine Gültigkeit mehr haben, im Gegenteil, die sachlich nachvollziehbaren Nachteile sind vielfältig, die Vorteile nicht erkennbar. Schilderwälder, Missverständnisse gerade bei Touristen und Fremden die in unser Land kommen, Verlust von Authentizität, unangenehme Mehrbezeichnungen die störend bis hin in die Gerätschaften wie Navigationssysteme und Suchmaschinen wirken – wer will das noch?

Martin Schneider: Ganz einfach ausgedrückt: Die, die sich für die Entwicklung unseres Landes interessieren und daran mitgestalten wollen, waren anwesend und die anderen eben nicht. Die Teilnehmer sind meines Erachtens zum größten Teil dieselben Menschen, die sich auch sonst in Vereinen, Dörfern, Gemeinden und natürlich auch auf Landesebene und Politik in das Geschehen in unserem Land miteinbringen. So gesagt waren also die „Richtigen“ schon anwesend.

Das Fernbleiben der italienischen Volksgruppe ist nicht einfach zu erklären. Sicherlich werden auch sprachliche Hemmschwellen Grund dafür sein und vielleicht ja auch die Wahrnehmung der Autonomie durch die italienischen Mitbürger. Die Autonomie entstand und ist ja Instrument des Minderheitenschutzes und vielleicht gibt es deshalb ein etwas zwiespältiges Verhältnis dazu.

Aber machen wir uns nichts vor, die vorliegenden Teilnehmerzahlen von jeweils 100 bis 300 Menschen sind ja in Ordnung, aber damit kann man sicher auch nicht unbedingt behaupten, dass die Veranstaltungen von der deutschen Volksgruppe überrannt wurden.

UT24: Abschließend: Die Ergebnisse der Open Spaces werden ja in diversen Gremien (Rat der 100, der 33, Landtag, Regionalrat, Parlament) nachbearbeitet, die Ergebnisse eines ähnlichen Prozesses in der Region Friaul-Julisch Venetien verstauben heute in einer Schublade in Rom. Was wird vom Konvent bleiben?

Ernst Dorfmann: Sicher bleiben wird der ausgesprochene und protokollierte Wille der Südtiroler Bevölkerung, schließlich wurden zu den Open Spaces ALLE Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Dieser bleibt ein Maßstab für die Bewertung der künftigen Südtiroler Politik und insofern ein klarer Auftrag für die politische Vertretung unseres Landes.

Die aufgeworfenen Themen, werden auch außerhalb des Konvent in einer breiten Bevölkerungsschicht diskutiert und führen damit zu verstärkter Bewusstseinsbildung.

Martin Schneider: Ehrlich gesagt bin ich da etwas pessimistisch. Ich unterstelle jetzt mal, dass die politische Absicht des Konvents nicht den Resultaten der „Open Space“-Veranstaltungen entspricht oder salopp ausgedrückt: „Es kommt nicht das heraus, was sich einige erhofft haben“.

In den Veranstaltungen wurden klare Wünsche und Vorgaben formuliert. Ich bin mal gespannt, was davon von Gremium zu Gremium schlussendlich übrigbleiben wird. Gleichzeit hoffe ich, dass Vorschläge nicht verwässert, ignoriert oder uminterpretiert werden.

Bei den Teilnehmern wird der Konvent auf jeden Fall bleibenden Eindruck hinterlassen und von der Politik wird er mit Sicherheit als Erfolg verkauft werden. Die nächsten Monate werden dann aber zeigen, was wirklich „Sache“ ist.

UT24: Wäre es sinnvoll, in Zukunft regelmäßig Open Spaces abzuhalten?

Ernst Dorfmann: Aus diesen Open Spaces sind sehr viele Themen hervorgegangen, die nun auf politischer Ebene weiterverfolgt und bearbeitet werden müssen. Die wirkliche Herausforderung ist nun die konsequente Bearbeitung der Themen auf politischer Ebene und die aktive Verfolgung der Entwicklungen durch die Bevölkerung. Aus diesem Grund sollten, im Sinne der laufenden Überprüfung und evtl. Justierung, zu geeigneten Zeitpunkten weitere Open Spaces veranstaltet werden.

Martin Schneider: Als unterstützendes Mittel im Rahmen der direkten Demokratie und damit der Gewährleistung der Partizipation der Bevölkerung durchaus. Wie gesagt, ein paar „Spielregeln“ wird es natürlich geben müssen.


Lesen Sie im ersten Teil des Interviews, was die beiden Initiatoren über die Erwartungen der Wirtschaft und das Sprachenlernen denken.


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