Konvent: Zukunft Schule – das Interview – Teil 1

Martin Schneider aus Oberwielenbach ist 47 Jahre alt und Diplom-Informatiker. Er hat an der TU Wien studiert, arbeitet als selbstständiger IT Consultant in Bruneck und ist Gemeindereferent der SVP in Percha. Seine Aufgabenbereiche umfassen dabei unter anderem öffentliche Arbeiten, Umwelt und Sport.
Ernst Dorfmann aus Lüsen ist 49 Jahre alt und ist Leiter der IT in der Firmengruppe Rubner, einem der führenden Holzbauer in Europa. Er ist verheiratet und hat 3 Kinder im Alter von 18, 23 und 26 Jahren. Er ist seit vielen Jahren in der Jugendarbeit tätig, Gemeinderat der SVP in Lüsen und Mitglied im Verwaltungsrat eines öffentlichen Betriebes in Brixen.
UT24: Sehr geehrter Herr Dorfmann, sehr geehrter Herr Schneider, Sie haben bei den Open Spaces in Brixen und Bruneck unabhängig voneinander einen Diskussionsvorschlag zum Thema „Schule“ eingebracht und eine Gruppe geleitet. Der Raum war mit 50-60 Bürgern sehr gut gefüllt. Ist die Schule ein Thema, das unter den Nägeln brennt?
Ernst Dorfmann: Ja, das Thema „Schule und Mehrsprachigkeit“ war mit gut 60 Personen sehr zahlreich besucht, was zeigt, dass es vielen Menschen unter den Nägeln brennt.
Es ist auch ein deutliches Anzeichen dafür, dass große Unzufriedenheit mit der bisherigen Schulpolitik in der Bevölkerung besteht und die bisherigen Schwerpunkte zu viel auf politische Interessen und populistische „Aktionitis“ und zu wenig auf die eigentlichen Ziele der Schulausbildung ausgerichtet waren.
Martin Schneider: Das von mir in Bruneck eingebrachte Thema war „Schutz der deutschen Schule“ und eindeutig ja: es brennt unter den Nägeln und das nicht erst seit dem Konvent. Die Deutschstunden wurden ja schon reduziert und letzthin kamen Sprachexperimente dazu, um die Italienischkenntnisse zu verbessern, und das erneut zu Ungunsten des muttersprachlichen Unterrichts.
Für eine Minderheit in einem fremden Nationalstaat ist der muttersprachliche Unterricht aber von existentieller Bedeutung und damit ein äußerst sensibles Thema.
Diesbezügliche Warnungen gab es ja bereits im Vorfeld des Konvents. Für mich ist der steigende Druck auf die deutsche Schule nicht ganz verständlich: zum einen haben sich die Italienischkenntnisse in den letzten Jahren nachweislich stark verbessert und zum anderen gäbe es ja beim Italienischunterricht selber das größte Potential um an den Sprachkenntnissen zu arbeiten. Mit diesem Hintergrund war es absehbar, dass das Thema Schule ein Kernthema des Konvents werden würde.
UT24: Sie beide sind Informatiker. Gemeinhin gilt Ihr Sektor als hochdynamisch und international vernetzt. Ihrer Erfahrung nach: Welche Qualifikationen müssen unsere jungen Menschen aus der Schule mitnehmen, um auf dem globalen Arbeitsmarkt zu bestehen?
Ernst Dorfmann: Inzwischen sind in fast allen Bereichen der Wirtschaft, und damit auch am Arbeitsmarkt, hohe Dynamik und internationale Vernetzung erfolgskritische Faktoren.
Hohe Qualifikation, profundes Fachwissen, breite Basisausbildung und die Beherrschung mehrerer Sprachen sind eine wesentliche Voraussetzung, um auf dem modernen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Die Ausbildung unserer Jugendlichen muss konsequent darauf ausgerichtet sein und diese Ziele müssen in jeder Schulstufe und in jedem Fach angemessen verfolgt werden.
Gerade die öffentlichen Schulen sind hier in ihrer Funktion der Basisausbildung besonders gefordert, denn sie müssen alle Schüler, mit deren sehr unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten, gleichermaßen berücksichtigen.
Martin Schneider: Ganz klar ist der Fachunterricht das Kernelement der Ausbildung. Hier werden die Weichen gestellt, die entscheiden, ob ich im weiteren beruflichen Werdegang bestehen kann oder nicht. Es gibt ja bereits Reklamationen, den Fachunterricht nicht zu vernachlässigen.
Wenn ich konkret an technische, naturwissenschaftliche Berufsbilder denke, ist besonders auch die Schule gefordert, damit sich die Ausbildung immer an den neusten Entwicklungen orientiert. Klar haben auch Sprachen ihre Bedeutung, im technischen Bereich ist speziell Englisch gefordert.
Ich denke, unsere Schulen sind da aber recht gut aufgestellt. Was ich aber nicht gut finde, ist Fach- und Sprachunterricht gegeneinander auszuspielen. Sprachkenntnisse sind nicht ein Allheilmittel und schon gar nicht, wenn die berufsspezifischen Fähigkeiten darunter leiden.
UT24: Ihre Diskussionsrunde beim Konvent drehte sich sehr stark um das Thema Fremdsprachen und CLIL. Sollte auch Programmieren flächendeckend als zusätzlich „Fremdsprache“ an unseren Schulen unterrichtet werden?
Martin Schneider: Diese Forderung gibt es wirklich, bei uns zwar noch weniger, aber auf internationaler Ebene.
Durch die technische Entwicklung kommt ja heute schon jeder bewusst oder unbewusst irgendwie mit Programmierung in Kontakt und das wird sich noch verstärken. Daneben werden sich Arbeitsmarkt und Berufsbilder in den nächsten Jahren stark in diese Richtung verändern. Die Forderung „Programmierung als Schulfach für alle“ ist daher nicht unberechtigt. Allerdings müsste sich dann etwas an den schulischen Rahmenbedingungen ändern, denn die Belastung für die Schüler ist ja heute schon ziemlich groß.
Passend zu den derzeitigen Tendenzen möchte ich einen etwas provokanten Vorschlag unterbreiten: Die Unterrichtsmethodik für Italienisch sollte endlich angepasst werden, d.h. Fremdsprachenunterricht anstatt Zweitsprachunterricht. Die Italienisch-Kenntnisse dürften sich dann nochmals verbessern und vielleicht gewinnt man nebenbei sogar die wenigen Stunden, die dann für das Fach Programmieren verwendet werden könnten.
Ernst Dorfmann: Das Thema CLIL, also das Unterrichten spezifischer Fächer in einer Fremdsprache, war intensiv und anfangs sehr konträr diskutiert worden. Der Grund dafür liegt wohl daran, dass diese Art des Unterrichts sich nicht in allen Schulstufen gleichermaßen eignet. Im Laufe der Diskussionen stellte sich immer klarer heraus, dass in der Grundausbildung die einzelnen Fachbereiche in der Muttersprache der Schüler unterrichtet werden sollten, denn damit bleibt sichergestellt, dass der Schwerpunkt und die Konzentration der Schüler auf das Erlernen des Fachinhaltes und nicht auf das Erlernen der Sprache gelegt werden.
Beim Fachunterricht „Geschichte“ muss Wissen zur „Geschichte“ übermittelt werden, beim Fremdsprachenunterricht ist das Erlernen der jeweiligen Fremdsprache das Ziel, unabhängig davon ob es sich um „Italienisch“, „Englisch“, „Deutsch“ oder eine andere Fremdsprache handelt. Einig war man sich in der Gruppe, dass der Fremdsprachenunterricht „Italienisch“, inhaltlich und methodisch, unbedingt modernisiert werden muss.
Das Studium der Werke mittelalterlicher italienischer Schreiber und Dichter wie z. B. „Dante Alighieri“ u. ä. darf nicht auf Kosten des Erlernens der modernen italienischen Sprache in Wort und Schrift erfolgen. Bei ca. 1.800 Stunden Italienischunterricht bis zur Reifeprüfung, muss es möglich sein die Sprache auf gutem Niveau zu vermitteln. Jeder Mensch sollte wenigstens eine Sprache in den allgemeinen Themenbereichen auf hohem Niveau beherrschen. Dass deutschsprachige Südtiroler die deutsche Sprache erst in der Schule erlernen müssen, da ihre Muttersprache ein Dialekt der deutschen Sprache ist, wird oftmals übersehen.
Die italienischsprachige Bevölkerung spricht auch zu Hause ein korrektes Italienisch und hat damit diese Schwierigkeit nicht. In der Diskussionsgruppe war man sich darüber einig, dass die Deutschkenntnisse der Abgänger von italienischsprachigen Schulen im Schnitt noch schlechter sind als die Italienischkenntnisse der Abgänger an den deutschen Schulen.
In den höheren Schulstufen, wenn die Schüler reifer sind und die Sprachkenntnisse ein gefestigtes und gutes Niveau erreicht haben, ist die Anwendung der Unterrichtsform „CLIL“ sehr wohl sinnvoll und von Vorteil.
Zu Ihrer Frage, ob Programmieren flächendeckend als zusätzliche Fremdsprache an unseren Schulen unterrichtet werden sollte, bin ich der Meinung, dass Programmierkenntnisse nur einen kleinen Teil unserer Gesellschaft wirklich Nutzen stiften können, vielmehr ist der korrekte Umgang mit neuen Technologien im Sinne der effizienten und zielgerichteten Nutzung moderner Hilfsmittel eine wesentliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen und beruflichen Erfolg.
UT24: Apropos „Fremdsprachen“. Die anwesenden Dolmetscher schienen sich ziemlich zu langweilen. Ein gutes Zeichen für unsere Zweitsprachenkenntnisse?
Ernst Dorfmann: Das ist wohl auch darauf zurück zu führen, dass der weitaus überwiegende Teil der Anwesenden deutscher Muttersprache war und damit die Diskussionen im Wesentlichen in der deutschen Sprache erfolgt sind.
Martin Schneider: Dem stimme ich zu, es waren nicht besonders viele italienischsprachige Mitbürger bei den Diskussionsrunden anwesend, aber diese nahmen die Dolmetscher anscheinend nicht in Anspruch.
Lesen Sie im zweiten und letzten Teil des Interviews, was die beiden Initiatoren beim Konvent erlebt haben und was von der Veranstaltung geblieben ist.
Lesen Sie außerdem aus der Reihe der Konvent-Interviews:
- Otto Mahlknecht: Südtirols Brückenfunktion stärken.
- Sigmund Baron von Kripp: Gefürstete Grafschaft Tirol
- Patrick Gamberoni: Selbstständige Außenpolitik Südtirols
- Herbert Kaserer: Bahn ans Land






