von apa 13.03.2016 09:20 Uhr

Lawine in Südtirol: Geschockte Tirolerin erzählt vom Unglück

Eine 42-jährige Innsbruckerin ist die einzige Überlebende einer Gruppe aus sieben Personen, die am Samstag im Südtiroler Ahrntal von einer Lawine verschüttet wurde. Die Frau kam mit einer leichten Knieblessur davon, stand jedoch am Sonntag noch unter schwerem Schock. Das Unglück forderte sechs Menschenleben, zu den Todesopfern zählt Horst Wallner (48), Direktor der Wirtschaftskammer Tirol.
APA (AFP)

„Die Bergspitze stand vor uns, sie war nur wenige Meter von uns entfernt. Plötzlich habe ich einen riesigen Lärm gehört. Ein Teil des Bergs ist auf uns gestürzt. Die Erde ist mir unter den Füßen weggeglitten“, berichtete die Innsbruckerin laut der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. Sie war mit Wallner auf dem Weg zur Spitze des Schneebiger Nocks. Der Stubaier konnte von den Einsatzkräften nur noch tot geborgen werden. Weitere acht Personen von der selben Gruppe von Tourengehern wurden nicht von der Lawine erfasst.

Die Innsbruckerin wurde mit einem Hubschrauber zur Koordinierungsstelle der Retter in der Ortschaft Rein in Taufers geflogen und von hier zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus von Bruneck.

Außer Wallner starben Südtiroler im Alter von 16 bis 43 Jahren, darunter eine 32-jährige Frau. Sie waren erfahrene Tourengeher und hatten alle die Lawinensonde Arva bei sich. Diese hilft bei der Lokalisierung von Verschütteten. Einige der Verstorbenen waren sogar mit einem „Airbag“ ausgestattet. Doch selbst diese Sicherheitsvorkehrungen reichten nicht aus, um in der großen Lawine zu überleben.

Das jüngste Todesopfer ist der 16-jährige Matthias Gruber. Der Schüler aus dem Pustertal wurde von den Schneemassen erfasst, während sich sein Vater retten konnte. „Ich will bei ihm bleiben, lasst mich bei ihm bleiben“, flehte der Mann die Helfer an. Der Vater versuchte vergebens, Matthias zu retten.

„Ich habe selber drei Kinder. Wenn ich an den Schmerz dieses Vaters denke…“, sagte Walter Unteregelsbacher, Mitglied der Rettungseinheiten, laut der Tageszeitung „Corriere della Sera“. „Wir haben Matthias‘ Leiche gefunden, und der Vater hat kein Wort mehr gesagt. Er wollte nur bei seinem Sohn bleiben, während wir die Leiche in den Hubschrauber hievten. Gestern war für uns ein sehr schwerer Tag.“ Zudem starben ein 21-jähriger Pustertaler, eine 32-jährige Krankenschwester aus Bruneck sowie zwei weitere Südtiroler im Alter von 42 und 43 Jahren.

Vier Hubschrauber, darunter ein Helikopter aus Lienz, und rund 100 Retter mit Suchhunden waren im Großeinsatz. „Die Dimension der Lawine ist enorm, sowohl was die Breite, als auch was die Tiefe betrifft“, berichtete der Chef der Rettungseinheiten im Pustertal, Josef Auer. Man habe sogar noch Glück gehabt, „dass die Bilanz dieses Unglücks nicht noch dramatischer ausgefallen ist“.

Die Rettungsaktion sei schwierig gewesen. „Für Hubschrauber sind Manöver auf einer derartigen Höhe kompliziert. Außerdem war die Lawinenfront sehr breit. Wir haben die Leichen dank der Lawinensonden identifizieren können, die alle Tourengänger bei sich hatten“, berichtete Auer laut der Tageszeitung „La Repubblica“. Bei dem Lawinenunglück am Schneebiger Nock handelt es sich um den schlimmsten Vorfall dieser Art im Pustertal in den vergangenen 20 Jahren.

Unterdessen sprach Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher angesichts des tragischen Unglücks den Angehörigen der Verstorbenen seine persönliche Anteilnahme und Verbundenheit aus. Auch der Bischof der Diözese Bozen-Brixen Ivo Muser brachte seine Bestürzung zum Ausdruck. Viele Menschen in Südtirol seien „betroffen und bestürzt“, erklärte Muser. Seine Anteilnahme galt den Familien, den Angehörigen und Freunden der Verstorbenen.

Kompatscher und der Südtiroler Bevölkerungsschutzlandesrat Arnold Schuler dankten den rund 100 Rettungskräften – den freiwilligen wie jenen des Militärs – für ihren „mutigen und kompetenten“ Einsatz. Trotz guter Ausrüstung der Tourengeher und unmittelbarer, perfekt koordinierter Hilfe habe es tragischerweise für sechs Menschen keine Rettung mehr gegeben. Laut Schuler dürfte die Gefahr eines Lawinenabgangs unterschätzt worden sein, da die Lawinenwarnstufe nur im mittleren Bereich lag.

Die Experten des Lawinenwarndienstes des Landes hatten die Lawinengefahr am Samstag, auch im Ahrntal, zwar als „mäßig“ eingestuft (also auf Stufe „2“ der fünfteiligen Skala). Im Tagesverlauf steige jedoch die Auslösewahrscheinlichkeit und auch die Gefahr von spontanen Lawinen besonders im südexponierten Gelände an, hieß es auf der Internetseite des Warndienstes. Der Schneebiger Nock ist mit 3.358 Metern Seehöhe nach dem Hochgall der zweithöchste Berg der Rieserfernergruppe, einem Gebirge im westlichen Teil der Hohen Tauern.

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