von gru 08.07.2015 21:26 Uhr

Die Spuren von Tirols Grenze des Jahres 1753

In den Sextner und Anpezaner Dolomiten haben sich zahlreiche Grenzzeichen aus dem Jahre 1753 erhalten. Sie haben eine turbulente Geschichte hinter sich...

Stein C3 mit Blick in Richtung Nemes-Alm. Bild: UT24

Im Jahr 1753 regelten das Habsburgerreich und die Republik Venedig den Grenzverlauf zu Tirol nach jahrzehntelangen Streitigkeiten ein für alle Mal. Grenzsteine und sehr kunstvoll gestaltete Grenzzeichen wurden von Rovereto bis zum Karnischen Kamm errichtet.

Wie wir bereits berichteten, steckt nicht nur hinter ihrer Entstehung eine interessante Geschichte, sie haben auch in den letzten 260 Jahren allerhand erlebt:

Dabei können wir zwei grundsätzliche Perioden unterscheiden: Vor und nach dem 1. Weltkrieg.

Ruhige Zeiten

Bis 1915 wurden die Steine als Teil der Grenze zwischen Tirol und Venetien regelmäßig auf ihren Zustand kontrolliert und gegebenenfalls wieder aufgestellt oder bei Verlust ersetzt.

Aus den Archiven kennen wir für diese Zeit genaue Karten mit Höhenprofilen und den Abständen zwischen den einzelnen Steinen, Felsblöcken oder Reliefs, zum Beispiel vom Karnischen Kamm über den Kreuzberpass bis an den Fuß des Arzalpenkopfes, wie die Abbildung zeigt.

Hochwasser

Unterhalb der Hirtenhütte in der Dechantmahd, wo der Grenzwall auf den Grenzbach trifft, befand sich ursprünglich der Stein Nummer 4D. Das Original muss irgendwann vor 1831 verschwunden sein, vielleicht bei einem Hochwasser mitgerissen. Denn heute steht dort statt einem schön behauenen, rechteckigen Grenzstein, eine einfache Felsplatte mit einem Kreuz und der Inschrift „1831 H4“.

Warum wurde dem Stein ein neuer Buchstabe gegeben? Auch das ist unklar.

Wir wissen nur, dass die Tiroler Seite mit Zahlen und die Venetische Seite mit Buchstaben gezählt hat.

Vermisst seit 1906

Auch das Schicksal des Steines Nummer 1A, am Karnischen Kamm, auf Kote 2547 westlich des Frugnoni-Sattels, ist unbekannt. 1906 hat die Grenzkommission der Gemeinde Sexten mitgeteilt, dass der Stein nicht mehr an seinem Platz steht. Um dieses Exemplar ist es besonders schade, das es sich um einen sogenannten Termine Principale in Colonna handelte.

Das bedeutet, dass auf ihm Reliefs, mit dem Markuslöwen auf der einen und dem Bindenschild Österreichs auf der anderen Seite, angebracht waren. An diesem Punkt beginnt heute die Grenze, die Süd-Tirol und das Bundesland Tirol voneinander trennt. Wer einmal dort vorbeikommt, hat einen sehr guten Ausblick auf den noch erhaltenen Grenzwall.

Schwere Zeiten

Turbulent wird es dann in den Jahren von 1915 bis 1917, als genau um diese Grenze der 1. Weltkrieg tobte. Obwohl das Niederreißen von Österreichischen Grenzbalken ein beliebtes Motiv der italienischen Kriegspropaganda gewesen ist, sind unsere Grenzsteine von 1753 erstaunlich unbeschadet durch diese Zeit gekommen.

Vielleicht hat der Markuslöwe schützend über sie gewacht.

Im Kreuzberggebiet fehlt aber z.B. der Stein Nummer 8H, nordöstlich von Kreuzhöhen. Dort, wo er eigentlich stehen sollte, verlaufen heute die Reste eines italienischen Schützengrabens. Aus Toblach kennen wir das Beispiel des Steines Nummer 1A bei der Grenzbrücke in Schluderbach, wo die Reliefs entfernt und in ein italienisches Kriegerdenkmal an der Strasse nach Misurina eingebaut wurden.

Nach 1918 verläuft über die Kreuzbergsenke nicht mehr eine Staats- sondern eine Regionsgrenze. Das faschistische Regime ließ in den Jahren 1931 bis 1942 von der Adria bis nach Ligurien den sogenannten Vallo Alpino del Littorio errichten. Auch im Pustertal sind zahlreiche Reste davon erhalten.

Vallo Littorio

Der Vallo Littorio kostete uns zwei weitere Grenzsteine: An der Stelle von Nummer 6F, ca. 500 Meter südlich der Alpe-Nemes-Hütte, wurde ein großer Bunker errichtet. Das selbe spielte sich unmittelbar östlich der Bergstation des Keuzbergliftes ab, hier stand einst der Stein Q16.

Als in den 1960er Jahren die Skipiste am Kreuzberg auf die Comelger Seite ausgeweitet wurde, schüttete man den Grenzgraben zu und vergrub gleichzeitig auch die Steine 14O und 15P, sie dürften sich immer noch unter der Skipiste befinden.

Die Reliefs fehlen heute bei den Hauptgrenzsteinen 13N, beim Hotel Kreuzberg, 10K auf Kreuzhöhen und auf einem nicht nummerierten Exemplar am Grenzbach.

Schaut man sich die originalen Pläne von 1753 durch, sind dort noch zahlreiche weitere Steine und Grenzzeichen eingetragen, über deren Verbleib wir nichts mehr wissen.

Für das Bewußtsein unserer Geschichte wäre es wichtig, sie in den nächsten Jahren wieder zu lokalisieren und ins Bewusstsein von Einheimischen und Gästen zurückzuholen.

Lesen Sie auch Teil 1 über die spannende Vorgeschichte der Grenze von 1753.


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