Le Corbusier und der neue Mensch

Dem Schweizer Architekten aus La Chaux de Fonds schwebte städtebaulich der „Neue Mensch“ nach Art der totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts vor. Diese „faschistische“ Seite von Le Corbusier bleibt auf der Retrospektive in Paris ausgeklammert. Dass sie nicht vergessen wird, dafür sorgt das zu Ausstellungsbeginn im April herausgegebene Buch von Xavier de Jarcy: „Le Corbusier, un fascisme français“. Bereits andere Bücher haben in den letzten Jahren klar belegt, wie nahe Le Corbusier dem Faschismus stand – dem französischen Faschismus. Als die Deutschen 1941 in Paris einmarschieren, freut sich Le Corbusier: „Hätten wir (Franzosen, Anm. d. Verf.) gesiegt, würde die Fäulnis triumphieren, nicht Sauberes könnte mehr Anspruch auf Leben erheben.“ Sofort zieht er zu Marschall Pétain in Vichy, bewirbt sich (vergebens) um Aufträge und schreibt für ihn, sozusagen als „Türöffner“ das Pamphlet „Urbanisme de la révolution nationale“. Auch bei Benito Mussolini bemüht sich Corbu um einen Termin, zu dem es nicht kam. Von Benito und seiner Diktatur schreibt Le Corbusier in einem Brief: „Das Schauspiel, das Italien gegenwärtig liefert, der Zustand seiner geistigen Fähigkeiten, verheißt eine baldige Morgendämmerung der geistigen Moderne.“ Xavier De Jarcy hat  für seine „Anklageschrift“ in bewährter Manier „Belastungsmaterial“ aus Zitaten und Lebenslauf gesammelt. In einem seiner vielen Briefe an die Mutter prophezeit Corbu: „Hitler kann sein Leben mit einem grandiosen Werk krönen: der Neugestaltung Europas.“ Der moderne Architekt teilt die Meinung der großen Mehrheit seiner Zeitgenossen in Frankreich, Deutschland, Italien und anderen Ländern zur internationalen Geldwirtschaft. Er begrüßt die Säuberung durch die Nazis: „Das Geld der Juden, die Freimaurer, alle werden sich dem gerechten Gesetz beugen. Diese schändlichen Festungen werden geschleift. Sie haben alles dominiert.“
Vom Namen Le Corbusier ist das alles längst abgewaschen. Alles vergessen, alles unter den Tisch gekehrt. Das offizielle Kultur-Frankreich feiert heuer im Centre Pompidou den Vater der Moderne als „großen Humanisten“. Seine faschistischen Ideen werden als verständliches Anbiedern bei den Mächtigen zum Zweck der Auftragserteilung herabgespielt. Immerhin hat sich das Centre Pompidou bereit erklärt, 2016 ein Kolloquium über den „faschistischen“ Le Corbusier zu veranstalten.
Es folgt Teil 2 – Le Corbusier und das Klimahaus …auf UT24






