Hypo-U-Ausschuss – Geschwärzte Akten sind Fall für den VfGH

Ob die seit Wochen schwelende Diskussion um unkenntlich gemachte Dokumente damit dann beendet ist, wird sich zeigen. Die Abgeordneten stehen ja auf dem Standpunkt, dass Schwärzungen nicht zulässig sind, weil die Behörden sensible Unterlagen neuerdings als vertraulich oder geheim einstufen können. Das Finanzministerium und die Fimbag beharrten zuletzt aber auf ihrer Rechtsmeinung, wonach man sogar verpflichtet sei, gewisse Daten unkenntlich zu machen.
Es zeichnete sich also bereits ab, dass die Sache letztlich vorm Höchstgericht landen wird. Vergangene Woche machte der Ausschuss den Weg dorthin frei, und zwar indem er zunächst einen Beschluss fasste, der die Behörden auffordert, binnen zwei Wochen brauchbare Akten nachzuliefern. Während der U-Ausschuss sich erst nach dieser Frist an den VfGH wenden darf, ist dies den Behörden ab dem Zeitpunkt möglich, wenn die Aufforderung einlangt.
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) – er betonte stets, an einer raschen rechtlichen Klärung interessiert zu sein – fackelte denn auch nicht lange und ließ noch am selben Tag, am gestrigen Dienstag, einen Antrag ans Gericht stellen. „Damit leistet das Bundesministerium für Finanzen einen weiteren Beitrag zur transparenten Aufklärung der Vorgänge rund um die Hypo Group Alpe-Adria“, betonte man in einem Schreiben an die Ausschuss-Vorsitzende Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), das der APA vorliegt.
Das Ressort argumentiert etwa mit einem Gutachten des Universitätsprofessors Nicolas Raschauer: Demnach könne es erforderlich sein, „bestimmte vorzulegende Aktenteile zu schwärzen bzw. abzudecken“, denn „zwingende Geheimhaltungsansprüche“ würden auch durch das „neue Informationsordnungsregime“ des Nationalrats nicht aufgehoben.
Konkret geht es um vier Dokumente, über die das Höchstgericht zu entscheiden hat. Freilich ist zu erwarten, dass der Gerichtshof richtungsweisende Aussagen trifft, aus denen man dann Schlüsse für andere Fälle ziehen kann. Allzu lange wollen sich die Richter dafür nicht Zeit lassen. Gesetzlich gewünscht ist eine Klärung „tunlichst“ binnen vier Wochen, und das will man auch schaffen, wie ein Sprecher auf Anfrage sagte. Ob sich auch die Fimbag an den VfGH wendet, wird noch geprüft, wie Fimbag-Chef Klaus Liebscher der APA sagte. Es werde innerhalb von „wenigen Tagen“ eine Entscheidung geben.
Abgesehen davon ist jedenfalls damit zu rechnen, dass auch der U-Ausschuss den VfGH anruft, wie am Rande der Sitzung am Mittwoch zu hören war. Hintergrund: Damit würde man wohl das Verfahren etwas beschleunigen, denn der Gerichtshof wird ohnehin Stellungnahmen aller Seiten einfordern.
Der Generalsekretär des Finanzministeriums, Hans-Georg Kramer, versuchte am Mittwochabend die Hintergründe für die Aktenschwärzungen und Klassifizierungen näher zu beleuchten. Die Vertreter von SPÖ, FPÖ, Grünen und Team Stronach zeigten sich mit den Ausführungen des Spitzenbeamten nicht sonderlich zufrieden.
Für großen Unmut beim Grünen Werner Kogler sorgte, dass etwa dasselbe Dokument zum Schlosshotel Velden vom Justizministerium in der Klasse 0 eingestuft wurde, aber vom Finanzministerium geschwärzt und in der Geheimhaltungsstufe 2 klassifiziert wurde. „Ich weise das auf das Schärfste zurück, dass wir dem Ausschuss vorsätzlich Unterlagen vorenthalten“, erwiderte Kramer.
Die Rechtsmeinung des Ministeriums zu Schwärzungen und Klassifizierungen orientiert sich am Gutachten von Prof. Nicolas Rauscher. Das Gutachten ist laut Kramer vom Kabinett von Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP) in Auftrag gegeben worden. Es war „eine sehr, sehr schwierige Frage“, schutzwürdige Interessen von Dritten müssten berücksichtigt werden, so Kramer. Die im Finanzministerium verwendete Richtlinie zur Aktenklassifizierung und Schwärzung wurde zusammen mit der Finanzprokuratur erarbeitet. Details blieb Kramer in der Befragung schuldig, woraufhin er sich den Vorwurf einiger Mandatare gefallen lassen musste, schlecht vorbereitet zu sein – was der Spitzenbeamte freilich von sich wies.
OeNB-Bankenprüfer Roland Pipelka hatte im U-Ausschuss davor die Prüfungstätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank in der Causa Hypo Alpe Adria verteidigt. Bei der Hypo sei „die Zahl der Prüfungen ausreichend“gewesen. Speziell interessierte sich die Abgeordneten für den Verkauf der Hypo-Consultants-Gruppe und den Vorwurf einer Kickback-Zahlung an den ehemaligen Hypo-Chef Wolfgang Kulterer.
FPÖ-Vertreter Elmar Podgorschek ortete im Rahmen des Consultants-Verkaufs im Jahr 2007 hohe Beratungshonorare an die ASP consulting von Alon Shklarek und die Rechtsanwaltkanzlei Lansky. Die Hypo habe 57,3 Mio. Euro erlöst, aber nur 48,8 Mio. Euro in den Büchern verbucht. Sei diese Differenz als Honorar an ASP Consulting und die Kanzlei Lansky geflossen, wollte Podgorschek von Pipelka wissen, der im Jahr 2006 und 2007 die Prüfung der Hypo Alpe Adria leitete. Ob „überhöhte Beraterhonorare“ geflossen seien, könne man von außen nicht beurteilen, erklärte er vor dem U-Ausschuss.
In der Consultants-Gruppe der Hypo waren viele Projektgesellschaften, vor allem Immobilienprojekte, gebündelt. Es sei „überraschend gewesen“, dass die Hypo Alpe Adria im Rahmen des Verkaufes das Kredit-Finanzierungsvolumen an die Consultants-Gruppe von über 300 Mio. Euro nicht signifikant reduziert habe, so Pipelka.
Team-Stronach-Vertreter Robert Lugar befragte Pipelka zu einer Rangrücktrittsvereinbarung aus dem Jahr 2006 zwischen der Hypo Alpe Adria International und der Hypo Consultants Liechtenstein, um die Gesellschaft in Liechtenstein um 75 Mio. Euro zu entschulden. „Ich kenne diese Vereinbarung nicht. Diese Rangrücktrittsvereinbarung sehe ich zum ersten Mal“, zeigte sich der Bankenprüfer überrascht. Bei Kenntnis dieser Vereinbarung hätte er diese einer „rechtlichen Würdigung zugeführt“ und eine Expertenmeinung eingeholt. Der Verkauf der Consultants-Gruppe war Thema der Hypo-Prüfung im Jahr 2006 und 2007. „Die Hypo hat auf 75 Mio. Euro verzichtet. Das ist aus meiner Sicht Betrug“, betonte Lugar. So ad hoc würde er „das nicht als Betrug“ bezeichnen, erwiderte der Bankenprüfer.
Gegenüber dem Grünen-Vertreter Werner Kogler erklärte Pipelka, dass der damalige Hypo-Chef Wolfgang Kulterer im Jahr 2006 von sich aus auf zwei „kritische Consultants-Geschäfte“ hingewiesen habe. Die OeNB-Bankenprüfer hätten für Immobilien-Projekte in Schieflage am Balkan (u.a. Skiper, Adriatic) Aufstockungen von Risikovorsorge und Abschreibungen gefordert. Eine Schieflage sei „noch lange nicht Gaunerei“, betonte der Bankenprüfer. Man habe die Lage ausreichend streng beurteilt.
Die Wirtschaftsprüfer der Hypo Alpe Adria hatten im Februar 2007 im Zusammenhang mit dem Kreditfall „Puris“ – ein zweistelliger Millionenkredit an eine Hühnerfarm – vermeintliche Kickback-Zahlungen an den ehemaligen Hypo-Chef Wolfgang Kulterer und seine Frau geortet, und ihre Verdachtsmomente der Nationalbank mitgeteilt. Pipelka wurde nach eigenen Angaben ein Monat nach Einlangen der Verdachtsmomente darüber informiert. Die Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte habe dann aber ihre Verdachtsmomente wieder zurückgezogen. Die Wirtschaftsprüfer hätten sich die Angelegenheit „vor Ort angesehen“ und die Verdachtsmomente hätten sich „nicht verdichtet „. Der Aussage von einem Top-Wirtschaftsprüfer könne man „durchaus vertrauen“, betonte Pipelka.
Fimbag-Prokurist Thomas Capka hat am Mittwochnachmittag im Hypo-Untersuchungsausschuss erwartungsgemäß die Rechtsauffassung seines Arbeitgebers verteidigt, wonach es in bestimmten Fällen notwendig sei, Aktenteile zu schwärzen. Ob sich die Fimbag selbst ans Höchstgericht wenden wird, um die Frage zu klären, konnte Capka nicht beantworten.
Capka legte zu Beginn der recht ermüdenden Befragung ausführlich dar, wie viel Mühe sich die Fimbag in Sachen Aktenaufbereitung und -lieferung gegeben habe. Mehrere Mitarbeiter seien mit der Aufbereitung beschäftigt gewesen, man habe rund 2,6 Gigabyte geliefert.
Man habe aber auch das rechtliche Umfeld abklären müssen – etwa wie mit dem Bankgeheimnis umzugehen sei. Wie in der Fimbag üblich, habe man externe Rechtsberatung in Anspruch genommen, erklärte Capka. Auf Basis der drei rechtlichen Stellungnahmen, die man eingeholt habe, habe man die Datenlieferung umgesetzt. Es sei von Anfang an der Wunsch des Vorstandes gewesen, dem Auftrag des Parlaments zur Aktenlieferung vollinhaltlich nachzukommen und alle Hebel in Bewegung zu setzen, um eine fristgerechte Lieferung zu gewährleisten, unterstrich Capka.
Die Fimbag argumentiert die „Abdeckungen“, wie Capka das Unkenntlichmachen nannte, unter anderem mit dem Bankgeheimnis und dem Datenschutz. Ob es genügen würde, diese Teile nach der Informationsordnung als vertraulich oder geheim einzustufen, habe man „sehr intensiv diskutiert“, laut Rechtsauffassung der Fimbag sei dies aber keine Lösung gewesen. Den Vorwurf der Vertuschung wies der Prokurist mehrmals zurück.
Ebenfalls zu diesem Thema wird noch heute der Generalsekretär im Finanzministerium, Hans-Georg Kramer, befragt.
Wie am Mittwoch bekannt wurde, nimmt die EU-Kommission das Vorgehen Österreichs beim Abbau der Krisenbank Hypo Alpe Adria unter die Lupe. Es werde geprüft, ob die neue EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung überhaupt anwendbar sei, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission. Österreich will für den Abbau der Hypo-Nachfolgerin Heta auch deren Gläubiger zur Kasse bitten und plant einen Schuldenschnitt.
Das hatte einen Proteststurm bei Investoren ausgelöst, darunter viele deutsche Banken und Versicherungen. Zudem prüfe die Kommission auch den Schuldenschnitt auf bestimmte nachrangige Hypo-Anleihen, den Österreich vergangenes Jahr mit einem Sondergesetz verfügt hatte. Dazu habe sie bis Juni Informationen aus Österreich angefordert.
Der Hypo-U-Ausschuss endete am Mittwochabend nach einer Sitzungsdauer von knapp 10 Stunden. Die nächsten Zeugenbefragungen finden am Montag statt.






