von apa 18.02.2015 12:49 Uhr

Tibeter feiern 25 Jahre Gemeinschaft in Österreich

Unter dem Motto "Ich bin Tibeter" feiert die Tibeter Gemeinschaft Österreich (TGÖ) am kommenden Samstag ihr 25-jähriges Bestehen in Österreich. Vier, fünf Menschen tibetischer Abstammung lebten damals im Lande verstreut, sie kannten einander kaum. Heute zählt die Exil-Tibeter-Community Österreichs rund 450 Mitglieder, sie ist damit nach der Schweiz und Belgien die drittstärkste in Europa.
APA

„Tibet versinkt in einem Meer von Chinesen, das ist die politische Realität“, erklärt TGÖ-Präsidentin Tseten Zöchbauer. „China verwässert die tibetische Kultur“, klagt die engagierte Frau, die für viele Österreicher das bekannteste Gesicht Tibets darstellt – natürlich abgesehen vom Dalai Lama. Seit die Volksrepublik Tibet annektierte, hätten die Chinesen unter Beweis gestellt, „dass sie keinen Respekt haben für das, was die Tibeter fühlen. Sie ersticken die Tibeter in ihrem chinesischen Modell.“ Es mache ihr Angst, dass die tibetischen Nomaden aussterben, dass die Städte Tibets ganz chinesisch geworden sind. Die Gewaltlosigkeit müsse Richtschnur des Handelns bleiben, auch der Buddhismus.

Tseten Zöchbauer war unter den ersten ihrer Landsleute, die es in die Alpenrepublik verschlug. Aufgewachsen in der Schweiz, kam sie durch Heirat nach Österreich. Im Gespräch mit der APA blickt sie auf die letzten 25 Jahre zurück. 1988 forderte das Tibet Office in Genf, die Europa-Repräsentanz der Exil-Tibeter, die Jungvermählte auf, in Österreich eine eigene Sektion zu gründen. 1990 wurde der Verein angemeldet.

Eine harte Aufgabe für einen Neuankömmling, hier versprengte Tibeter zu finden. Zöchbauer kontaktierte zuerst den Tibet-Forscher Heinrich Harrer, machte dann selbst drei Tibeter ausfindig. Die österreichischen Adoptiveltern zweier tibetischer Kinder verweigerten den Kontakt. Zöchbauer selbst hatte mehr Glück: „Meine Schweizer Adoptiveltern förderten immer die Kontakte zu Tibetern.“ Ihre leiblichen Eltern traf sie das erste Mal, als sie 15 war, in Dharamsala, Hochburg der Tibeter in Nordindien und Sitz des Dalai Lama.

Bis zur Gründung der TGÖ trafen die wenigen Mitglieder des Himalaya-Volkes einander meist zufällig in Orten wie dem Buddhistischen Zentrum in Wien. Bis zum Jahr 2008 gab es in Österreich nur wenige Tibeter. Dann änderte sich die Sachlage, als es im Vorfeld der Olympischen Spiele von Peking zu Aufständen in Tibet kam. Im Zuge einer Flüchtlingswelle kamen viele, besonders junge Tibeter nach Europa. Die TGÖ musste „neue Aufgaben für Asylanten übernehmen“. Die Organisation wurde „auch für die Selbstdarstellung wichtig“.

Die Tibeter sind heute über Wien hinaus in ganz Österreich verteilt. In Salzburg, Tirol, Ober- und Niederösterreich sind jeweils zwischen 40 und 80 beheimatet. In den alpinen Bundesländern im Westen sind sie „glücklich und fühlen sich geliebt“, meint die TGÖ-Präsidentin. Die Berge verbinden offenbar. In Dörfern, wo Tibeter leben, werden Feste organisiert. Bevölkerung und Bürgermeister setzen sich für abgewiesene Asylanten ein. „Solche Aktionen kennen wir in Wien nicht.“

Dabei gibt es in Österreich offiziell gar keine Tibeter. Exil-Tibeter, die als Flüchtlinge in die Alpenrepublik kommen, werden hierzulande von den Behörden und in Dokumenten als Chinesen geführt. Zöchbauer schildert, dass anfangs chinesische Übersetzer im Auffanglager Traiskirchen für die Gespräche mit Beamten eingesetzt wurden. Den Tibetern musste man beibringen, dass sie hier in Visumanträgen als Chinesen eingestuft würden. In Indien sei dies ganz anders. Dort stehe in den Ansuchen von Tibetern der Vermerk „tibetischer Abstammung“, ebenso in den Personalausweisen. „In Indien behalten wir unsere Identität“, so TGÖ-Vizepräsident Tenzin Choesang, der in Indien aufwuchs.

In den USA und in Kanada haben die Tibeter „einen klareren Status“, führt Zöchbauer aus. Dort seien über tausend Tibeter ins Land geholt worden. Im Gegensatz zur Schweiz gibt es in Österreich keine Unterstützung der öffentlichen Hand. Die TGÖ-Chefin freut sich, dass jetzt das Afro-Asiatische Institut gratis einen Raum zur Verfügung stellt, wo die Tibeter Kurse über Kultur und Sprache für ihre Community abhalten können.

Eine Anerkennung als „Volksgruppe“ ist ein sehnlicher Wunsch der Austro-Tibeter. Dieser Wunsch stehe auch hinter dem Neujahrs- und Jubiläumsfest, betont die TGÖ-Präsidentin. Österreich ist sie dankbar: „Hier können wir unsere Kultur leben.“ Ziel der Gemeinschaft sei „Integration in den Aufnahmeländern unter Beibehaltung der tibetischen Kultur“. Die TGÖ müsse für die Tibeter, die wahrscheinlich nie mehr in ihr Ursprungsland kommen, einen Beitrag leisten „Sie ist Anlaufstelle für alles.“ Ihre zentrale Aufgabe bestehe darin, für den Zusammenhalt der Tibeter in Österreich zu sorgen und zugleich an den gesamteuropäischen Netzwerken mitzuwirken. Ins Exil-Parlament entsendet die TGÖ zwei gewählte Vertreter.

Zöchbauer hat auch den Verein „Save Tibet“ mitbegründet, der sich als „Österreichische Gesellschaft zur Hilfe an das Tibetische Volk“ versteht und karitative Aufgaben wahrnimmt. So kümmert sich der von Elisabeth Zimmermann geleitete Verein um Patenschaften für Tibeter. In Dharamsala wurde ein „Home Austria“ errichtet. Alljährlich wird ein Adventbazar veranstaltet, auch Momo-Kochkurse gibt es. Das Tibetzentrum im Kärntner Hüttenberg hat Kultur und Spiritualität im Fokus. Im Jänner wurde dort etwa ein Thangka-Malkurs angeboten.

Tseten Zöchbauer ist stolz auf „ihre Tibeter“ in Österreich. „Keiner ist kriminell, es gibt keine Drogensüchtigen, keine Arbeitslosen. Die Tibeter leben nicht von Sozialhilfe.“ In der Schweiz und in Belgien gäbe es schon Drogenprobleme. Die TGÖ bemühe sich darum, ihren Mitglieder zu helfen, aber auch darum, sie zu erziehen. Sechs junge Tibeter gehen auf Hochschulen. 35 Kinder wurden in Österreich geboren. Tenzy Zöchbauer, eine der beiden Töchter der TGÖ-Chefin, führt die Österreich-Sektion des Tibetischen Jugendvereins Europa.

Am Samstag wollen die österreichischen Tibeter ausgiebig feiern. Aus dem Genfer Büro kommt der Gesandte des Dalai Lama, Ngodup Dorjee. Den Auftakt der Losar-Feiern im Bon Bosco-Haus in Wien-Hietzing bildet eine Rauchopferzeremonie mit tibetischen Mönchen. Ein facettenreiches Kulturprogramm zieht sich bis in den Abend. Eine Reihe von Künstlern musiziert und tanzt („Tibetan Ladies of Vienna“), ab 22:00 Uhr ist ein Ball angesagt, um Mitternacht Disco mit tibetischen Rock- und Pop-Musikern.

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