von apa 11.12.2017 23:30 Uhr

Grasser-Prozess begann mit Rundumschlag der Verteidiger

Der erste Tag im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte war geprägt von einem Rundumschlag der Verteidiger. Befangenheitsanträge gegen die Richterin, ein Ausschließungsantrag gegen den Aufdeckerjournalisten Ashwien Sankholkar, und Anträge gegen die Sitzordnung im Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien wurden von ihnen gestellt.

APA

In dem Mega-Korruptionsprozess steht der frühere Finanzminister der Bundesregierungen von Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) wegen Bestechungsverdachts vor Gericht. Grasser soll mit Hilfe von – nun mitangeklagten – Vertrauten (Walter Meischberger, Ernst Karl Plech und Peter Hochegger) ein Prozent des Kaufpreises bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (Buwog), konkret 9,6 Mio. Euro, vom Bieter im Gegenzug für entscheidende Informationen gefordert haben. Auch bei der Einmietung des Finanzamts ins Linzer Bürohaus Terminal Tower sollen 200.000 Euro Provision für die Zustimmung des Ministers geflossen sein. Grasser weist alle Vorwürfe zurück.

Alle 14 verhandlungsfähigen Angeklagten waren in der Früh pünktlich zum Prozess erschienen. Lediglich der frühere Raiffeisen-OÖ-Generaldirektor Ludwig Scharinger ist aus gesundheitlichen Gründen verhandlungsunfähig, was ihm von einem gerichtlichen Gutachter attestiert worden war.

Zu Beginn wurden die Personalien der Angeklagten aufgenommen. Der mitangeklagte Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics sitzt gerade seine Haftstrafe ab. Gefragt nach ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen blieben Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der pensionierte Makler Ernst Karl-Plech sowie der Ex-Lobbyist Peter Hochegger verschwiegen. Zur Überraschung mancher Zuhörer gab Grasser – mit Wohnadresse Kitzbühel – an, weder Haus noch Auto zu besitzen und keinen Arbeitgeber zu haben. Der mitangeklagte Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki gab als Wohnsitz Baku in Aserbaidschan an.

Der Hauptangeklagte Grasser wird gleich von zwei Verteidigern vertreten, Manfred Ainedter und Norbert Wess. Am Vormittag führten dann einige Anwälte, angeführt von Ainedter, mit scharfen Worten ihre Befangenheitsanträge gegen Richterin Marion Hohenecker aus. Zur Begründung führten sie Grasser-kritische Äußerungen ihres Ehemannes, ebenfalls Richter, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter an. Ainedter wollte ein Spottlied der Liedermacher Christoph & Lollo im Gericht vorspielen, auf das sich der Ehemann der Richterin auf Twitter bezogen habe. Da die Technik im Gerichtssaal keine Tonaufführungen vorsieht, las Ainedter selber den Text im Gerichtssaal vor: “… Wann geht der Karl-Heinz endlich in Häfn?” (Gefängnis auf wienerisch, Anm.) “Der Karl-Heinz, wann muss der endlich ins Loch?”

Meischbergers Anwalt Jörg Zarbl nannte den Ehemann einen “politischen Aktionisten” gegen Blau-Schwarz, der Anwalt von Ernst Karl Plech, Michael Rohregger, meinte, es gebe zwar keine Sippenhaft, aber “Wenn Dr. Hohenecker hier Verurteilungen ausspricht, tut sie ihrem Mann einen Gefallen”.

Nach der Beratung im Schöffensenat verkündete die Richterin am Nachmittag die Abweisung aller Befangenheitsanträge. “Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen”. Schon vor Prozessbeginn hatte Ainedter einen entsprechenden Befangenheitsantrag gegen die Richterin gestellt, dieser war vergangene Woche vom Präsidenten des Straflandesgerichts abgewiesen worden.

Am Nachmittag stellte Ainedter einen Antrag auf Ausschluss des im Gerichtssaal anwesenden Aufdeckerjournalisten Ashwien Sankholkar, da dieser auf der Liste der von der Staatsanwaltschaft beantragten Zeugen stehe. Der Schöffensenat gab dem Antrag statt, Sankholkar musste den Saal verlassen. “Die Entscheidung des Gerichts ist zur Kenntnis zu nehmen”, hieß es nachher in seiner Stellungnahme gegenüber der APA. Er habe bisher keine Zeugenladung zugestellt erhalten. “Ich empfinde den Ausschluss vom Verfahren als subtilen Angriff auf die Pressefreiheit. Offensichtlich reicht es aus, auf irgendeiner Liste zu stehen, um als Berichterstatter ausgeschlossen zu werden”, so der Buchautor.

Ein Antrag eines Verteidigers auf Änderung der Sitzordnung, weil die Angeklagten nicht die Mimik der jeweils Befragten – Zeugen oder Mitangeklagten – verfolgen könnten, wurde nach einer Beratung vom Schöffensenat abgewiesen.

Am Mittwoch ab 9.30 Uhr wird die Verhandlung mit dem Eröffnungsplädoyer der Anklagevertreter fortgesetzt.

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