von gru 05.11.2017 17:41 Uhr

Katalonien und die Medien

Viel ist im Laufe dieser letzten Wochen in Europa und der Welt über Katalonien berichtet worden. Vieles blieb aber auch ungesagt oder wurde einfach ignoriert. Steckt dahinter Desinteresse, Schlamperei oder Absicht?

Katalonien und die Medien. Bild: UT24

von Rupert Gietl


Wen die Katalonien-Frage interessiert, der begann spätestens Anfang September damit, regelmäßig die europäischen und internationalen Medien nach einschlägigen Berichten zu durchforsten.

Las man katalanische und spanische Kanäle, wappnete man sich innerlich davor, dort womöglich nur eine Seite der Geschichte vorzufinden.

Begab man sich auf die Reise durch die Seiten der führenden Medienprotagonisten Europas und der Welt, hätte man annehmen können, eine ausgeglichenere Sicht der Dinge anzutreffen.

Doch Vorsicht war geboten: Galt es doch immer, die politische und historische Situation in den jeweiligen Ländern im Hinterkopf zu behalten.

Dass zumindest einige spanische Medien voreingenommen berichtet haben, zeigte der Protest von mehreren Journalisten des öffentlichen Rundfundksenders TVE nach dem Referendum vom 1. Oktober. Dem gesetzlichen Auftrag, überparteilich zu berichten, sei nicht nachgekommen worden. Wenige Tage später kündigten auch mehrere Autoren der linksliberalen Zeitung El País ihre Zusammenarbeit mit dem Blatt auf. Eine differenzierte Sichtweise auf die Katalonienfrage schien ihnen nicht erwünscht zu sein.


UT24 KATALONIEN-SCHWERPUNKT


Dies mag den interessierten Beobachter ebenso wenig verwundern, wie eine sehr “vorsichtige” Berichterstattung in französischen und italienischen Medien. Hintergrundberichte über die Motive der Unabhängigkeitsbefürworter waren dünn gesät, dafür fand man reichlich Meinungsbeiträge welche die Bestrebungen der Katalanen vor Allem auf ökonomische Gründe herunterbrachen,  deren demokratische Legitimität in Frage stellten oder der katalanischen Führung Radikalisierung vorwarfen. Selbstverständlich kamen auch Gegenstimmen zu Wort, gingen aber gefühlt im Chor der Katalonien-Kritiker unter. Gründe könnten in der spezifischen Situation beider Länder (Stichwort: Korsika, Südtirol) liegen.

Wesentlich entspannter scheint der Umgang mit der Katalonien-Frage in den angelsächsischen Medien zu sein. In Großbritannien und Kanada mag es vielleicht am eigenen “reinen” Gewissen liegen, nach dem dort die Schottland- und Quebec-Fragen demokratiepolitisch weitgehend sauber gehandhabt worden sind. In den führenden Zeitungen der USA liest man dagegen z.B. von Aspekten, die in Europa kaum eine Rolle spielen, so etwa die Rolle Russlands in dem Konflikt.

Schwer interpretierbar bleibt die Haltung deutschsprachiger Medien zum Thema Katalonien.

Einzelne Stimmen, welche dem Prozess in Katalonien Gutes für Europa abgewinnen können, gehen im Gros der Negativberichte unter. Eine gewisse Solidarität nach den Bildern des brutalen Polizeieinsatzes schien schnell zu verpuffen.

So wurde bereits bemerkt, dass das offen zur Schau gestellte faschistische Gebaren zahlreicher Unionisten völlig unkommentiert wiedergegeben und kaum thematisiert wird. Demonstranten mit spanischen Fahnen und der Rechten zum Gruß erhoben wurden im ORF als einfache “Abspaltungsgegner” gehandelt. Beiträge wie in englischsprachigen Medien, welche das Phänomen gewaltbereiter Postfaschisten in den Reihen der Pro-Spanien Demonstranten beleuchten, fehlen im deutschen Raum weitgehend.

Daneben werden unwahre Aussagen von Politikern widerspruchslos im Raum stehen gelassen, so z.B. jene von Österreichs Ex-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (mit einem Spanier verheitatet, lebt u.a. in Madrid) im Ö1 – Interview vom 30.10., wonach die Berichte zur Polizeigewalt am 1. Oktober teilweise gefälscht gewesen seien.

Ähnlich wie in anderen Ländern kommen in Interviews meist nur Kritiker der Unabhängigkeit Kataloniens in aller Breite zu Wort, oftmals wird deren biographische Nähe zur spanischen Regierung dem Leser nicht ausreichend kenntlich gemacht.

Manchmal kann man sich sogar einen ironischen Unterton nicht verkneifen, so leitet die SZ am 26.10. einen Bericht über die Lage im Land mit folgenden Zeilen ein:

Wer in die Dörfer der katalanischen Separatisten fährt, trifft auf friedliche, furchtbar nette Menschen. Wer mit ihnen über die Unabhängigkeit spricht, wird merken, es geht um Gefühle – naja, und ein bisschen auch ums Geld.

Womit sich der Kreis schließt und man wieder bei einem der beliebtesten Katalonien-Klischees angelangt wäre…

Genügen die europäischen Leitmedien damit ihrem selbstpostulierten Ziel, überparteilich und unvoreingenommen zu berichten?

Das bleibt beim Thema Katalonien leider mehr als fraglich.


 

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