von apa 19.03.2017 11:35 Uhr

Kurz will EU-Ausländern Sozialhilfe fünf Jahre verweigern

Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) will die Sozialhilfeleistungen für EU-Ausländer in den ersten fünf Jahren streichen. Diese Pläne gab er am Sonntag in der ORF-“Pressestunde” sowie in der Tageszeitung “Österreich” bekannt. Arbeitslose sollten zudem wieder in jene Staaten ziehen, wo diese einen Job finden. Auch die Indexierung der Familienbeihilfe verteidigte Kurz.

APA

An den Grundfreiheiten der EU wie der Personenfreizügigkeit rüttelt Kurz mit seinen Vorhaben seiner Meinung nach nicht: “Überhaupt nicht, ich schütze sie.” Menschen, die in Österreich arbeiten, würden ohnehin keine Sozialhilfeleistungen beziehen. Beim Arbeitslosengeld – und entfernt bei der Notstandshilfe – handle es sich wiederum um eine Versicherungsleistung. Der Grundsatz für den Außenminister: “Man muss erst einmal einzahlen, bis man herausnehmen kann.”

Ob es bei fünf Jahren Sperre der Sozialleistungen bleiben soll, relativierte Kurz. “Das kann man ja auch natürlich verhandeln”, meinte er in Richtung des Koalitionspartners. Auch im Hinblick auf den EU-Ratsvorsitz müsse man die Idee “am Ende des Tages mit dem Bundeskanzler zusammenzuführen zu einer österreichischen Linie” machen. Mit an Bord habe man die SPÖ bereits bei der Indexierung der Familienbeihilfe. Hierbei müsse man vor allem achten, dass alle Menschen gleich behandelt würden.

In der Flüchtlingspolitik setzt Kurz weiterhin auch auf nationale Maßnahmen – vor allem, sollte die Türkei ihre Drohungen wahr machen und den Pakt mit der EU aussetzen. “Das was wir selbst tun können, das müssen wir auch selbst tun”, konstatierte der Außenminister. Menschen, die Sicherheit suchen, müsse man diesen Schutz natürlich auch bieten. Falsch wäre es, so Kurz, Menschen aufgrund der Erwartung aufzunehmen, in Europa schlicht ein besseres Leben zu finden.

Auch die Vorhaben in der Integrationspolitik der Regierung verteidigte Kurz erneut. Er sieht keine Widersprüche in den unterschiedlichen Gesetzestexten. So würden die unterschiedlichen Maßnahmen einander ergänzen, es brauche ebenso das Integrationsjahr wie auch Verbote von “Symbolen der Gegengesellschaft” wie der Vollverschleierung. Kritik der Bischofskonferenz sieht der Minister gelassen: “Ich bin ein gläubiger Mensch, aber trotzdem habe ich meine eigene Meinung und als Politiker eine Verantwortung.”

Spekulationen, dass Kurz den derzeitigen ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner ablösen könnte, wollte der Minister wieder nicht nähren. “Der Druck ist gar nicht groß”, meinte er zu den öffentlichen Erwartungen, auch Umfragen seien “nicht relevant”. Kurz: “Ich habe einen Job, der mir extrem viel Freude macht.” Auch Indizien für einen möglichen Neuwahltermin gebe es nicht – “Ich mache meinen Job”.

Im Hinblick auf die Türkei forderte Kurz ein Ende der EU-“Beitrittsfiktion”. Statt des Beitritts sollte ein Nachbarschaftsvertrag die Zusammenarbeit und Grenzen regeln. Damit bestätigte Kurz seine Position, die er auch in einem kürzlich vorgelegten Strategiepapier zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft formuliert hatte. Für Kurz habe das Balkanland schon sehr lange “die rote Linie” überschritten. Der Außenminister verwies dabei auch auf das massive Vorgehen gegen Regierungsgegner nach dem gescheiterten Militärputsch im Juli, aber auch die “Provokationen” im Zusammenhang mit Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in EU-Mitgliedsstaaten.

Der Konflikt zwischen Österreich und der Türkei, der auch zu einer Blockade der NATO-Kooperation geführt hatte, sei dabei kein österreichisches Problem, sondern ein Problem der EU, stellte Kurz klar. Aus Verärgerung über Österreich blockiert die Türkei seit Monaten Ausbildungs- und Trainingsprogramme der NATO mit Partnerländern.

Ob die Härte zur Türkei die Terrorgefahr erhöhen könnte, lässt Kurz offen. “Es gibt keine Alternativen”, erklärte der Außenminister. Auch wenn es Druck gibt, dürfe man seine Haltung nicht aufgeben.

Betreffend der Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich, erkenne Kurz Einigung in der Regierung. So habe sich die Regierung klar für ein Verbot ausgesprochen. “Jetzt geht es um das Wie”, so Kurz. Von dem Auftrittsverbot ausgenommen sei die Unterstützung von ausländischen Politikern im Wahlkampf. Der Außenminister hatte selbst einer Wahlveranstaltung – von Ex-Regierungschef Nikola Gruevski in Mazedonien – beigewohnt. Dementsprechend sei es für Kurz auch denkbar, dass etwa ein Politiker der AKP einen österreichischen Politiker im Wahlkampf unterschützt, so Kurz. Dieses Szenario werde zwar von der Regierung kritisiert werden, “aber niemand werde vorschlagen es zu verbieten”, so Kurz.

Vor dem Hintergrund seiner Reise nach London am Sonntag erklärte der Außenminister, dass es eine Veränderung in der Union brauche. “Es wird hoffentlich mehr Stärke geben in großen Fragen”, wie etwa der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, so Kurz. Die Reise wird in Vorbereitung auf den österreichischen EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 stattfinden. Der Brexit werde auch das Hauptthema sein, da die “Abschlussverhandlungen des Brexit aller Voraussicht nach in unsere EU-Ratspräsidentschaft fallen”, sagte Kurz im Vorfeld.

Bei politischen Mitbewerbern erntete Kurz mit seinen Ankündigungen Unverständnis. Für die SPÖ rückte Klubobmann Andeas Schieder aus: Kurz habe “wieder einmal bewiesen, dass er viele Themen bespielen kann, aber offenbar keine Antworten geben will”. Der ÖVP-Minister zeige seine Qualitäten im Anreißen von Überschriften, “sobald es aber um die Sorgen und Interessen der Österreicher geht, wird der Außenminister sehr leise”. Auch der Vorschlag der Einschränkung der Sozialleistungen sei schon wieder völlig anders dargestellt worden.

“ÖVP-Minister Kurz produziert wieder einmal die üblichen Sprechblasen, ob er jemals vom Ankündigungs- in den Umsetzungsmodus kommt, ist mehr als zweifelhaft”, meinte ähnlich der freiheitliche Europaabgeordnete Harald Vilimsky. Genau jene Missstände, die er heute wortreich beklagt, habe er als Regierungsmitglied selbst mitverursacht. “Abgesehen davon bleibt er in vielen Fragen ohnehin auf halbem Weg stehen”, kritisierte Vilimsky.

Die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig sprach wiederum von “einem Armutszeugnis für einen Europaminister”, nicht zuletzt wegen seiner Absage an eine Sozialunion. Sorgen um die Europa-Linie machten sich die NEOS. “Die Sozialpolitik ist zur Gänze eine nationalstaatliche Angelegenheit”, meinte Sozialsprecher Gerald Loacker. Ein wenig Applaus gab es hingegen vom Team Stronach. “Es ist sehr erfreulich, dass der Außenminister erkannt hat, dass Österreich kein sozialer Selbstbedienungsladen ist”, meinte dessen außenpolitischer Sprecher Christoph Hagen.

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