von apa 30.10.2016 07:18 Uhr

Erneut schweres Erdbeben in Mittelitalien

Die Furcht vor Erdbeben nimmt für Mittelitalien kein Ende. Vier Tage nach den schweren Erdstößen vom vergangenen Mittwoch sind die Regionen Marken und Umbrien erneut von einem starken Beben heimgesucht worden. Das Epizentrum des Erdbebens mit der Magnitude 6,5 auf der Richterskala lag unweit der umbrischen Kleinstadt Norcia, Heimat des Heiligen Benedikt, dem Schutzpatron Europas.

APA (AFP)

Nach dem Beben gibt es keine Vermissten. 20 Personen wurden verletzt, niemand schwebt jedoch in Lebensgefahr, sagte der Chef der zuständigen Behörde, Fabrizio Curcio, am Sonntagnachmittag nach Medienangaben. Todesopfer gebe es keine. In Rom bleiben am Montag die Schulen geschlossen, weil die Sicherheit der Schulgebäude geprüft werden muss, teilte Bürgermeisterin Virginia Raggi mit.

Der italienische Zivilschutz drängt Betroffenen in den Erdbebenregionen Marken und Umbrien zum Verlassen ihrer zerstörten Gemeinden. Zivilschutzchef Fabrio Curcio rief die Obdachlosen auf, Unterkünfte in Hotels an der Adria-Küste zu beziehen, die zur Verfügung gestellt werden. “Es hat keinen Sinn, die Nächte im Freien zu verbringen”, sagte Curcio.

Bei dem aktuellen Beben, dem weitere stärkere Nachbeben folgten, handelt es sich um eines der heftigsten, das je in Italien registriert wurde. Wie der Chef des italienischen Zivilschutzes, Fabrizio Curcio, sagte, soll es das stärkste seit 1980 sein. Die Erschütterung sei eine Folge der verheerenden Erdstöße vom vergangenen Sommer rund um die Bergortschaft Amatrice mit 298 Toten, berichteten Seismologen. Das Erdbeben, das im betroffenen Gebiet für Panik sorgte, war von Bozen bis Neapel zu spüren. Zunächst gab es keine Informationen über mögliche Todesopfer. Offiziell wurden 20 Personen als verletzt gemeldet, schweben nach Angaben des Zivilschutzes aber nicht in Lebensgefahr.

Die Sachschäden sind vor allem in Norcia enorm, berichteten Medien. Die im 14. Jahrhundert errichtete Basilika des Heiligen Benedikt und die Kathedrale von Santa Maria Argentea in Norcia stürzten ein. Lediglich Teile der Fassaden blieben erhalten. “Es ist wie nach einem Bombenangriff”, verlautbarten die Behörden. Die 5.000-Seelen-Gemeinde Norcia, die im Herzen Umbriens nahe den Sybillinischen Berge liegt, war bereits 1979 von einem Erdbeben betroffen, bei dem fünf Personen ums Leben kamen und 2.000 Menschen obdachlos wurden. Langwierige Restaurationsarbeiten seien durch die Erdstöße innerhalb von Sekunden vernichtet worden, berichteten die Behörden.

Unzählige Gebäude, die bereits bei den Erdstößen am Mittwochabend schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren, stürzten ein. Aleandro Petrucci, Bürgermeister der Ortschaft Arquata, die bereits am 24. August von einem schweren Erdbeben betroffen war, sagte, das ganze Dorf sei zerstört. “Arquata gibt es nicht mehr”, konstatierte Petrucci. Auch die vom Erdbeben am Mittwoch beschädigte Kleinstadt Ussita wurde komplett zerstört. In Amatrice, wo die meisten der 298 Todesopfer des Erdbebens vom 24. August beklagt worden waren, kam es zu weiteren Schäden. So stürzte der Turm der Kirche des Heiligen Augustin ein, der beim ersten Erdbeben im August trotz schwerer Schäden noch erhalten geblieben war. Der Turm war zum Symbol des zerstörten Amatrice geworden.

Die heftigen Erschütterungen waren auch in Rom zu spüren. Aus Sicherheitsgründen wurden mehrere Sehenswürdigkeiten geschlossen. In mehreren Gebäuden der italienischen Hauptstadt kam es zu Rissen. Das U-Bahn-Netz in Rom blieb am Sonntagvormittag gesperrt. Sicherheitskontrollen auf allfällige Schäden an der Bausubstanz wurden im Kolosseum, im Petersdom und in anderen Basiliken der Stadt durchgeführt.

Das Erdbeben war am Sonntag auch in weiten Teilen Österreichs deutlich bis stark zu spüren, wie der Österreichische Erdbebendienst der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mitteilte. Die Rückmeldungen stammten “aus Kärnten, dem Inntal, dem Grazer Becken sowie bis hin nach Salzburg und ins Salzkammergut”. Die Auslandsösterreicher, die in der größeren Umgebung des Erdbebengebiets in Mittelitalien leben, sind wohlauf, berichtete die österreichischen Botschaft in Rom, die mit ihnen Kontakt aufgenommen hatte.

Am Nachmittag wurden in den Regionen Umbrien und Marken schwere Nachbeben registriert. Ein Erdstoß mit einer Stärke von 4,5 wurde um 14.34 Uhr zwischen Norcia und der Ortschaft Castelsantangelo su Nera gemeldet. Das starke Nachbeben löste erneut Panik unter der Bevölkerung aus. Der Stadtkern von Norcia wurde komplett geräumt. Die Einsturzgefahr sei groß, teilte der Zivilschutz mit. Mehrere Betroffene weigerten sich allerdings, die Stadt zu verlassen.

Dennoch begann die Flucht der Bewohner aus den Ortschaften der betroffenen Gemeinden. 200 Einwohner der vom Erdbeben am Mittwoch zerstörten Gemeinde Ussita verließen das Dorf.

Viele Dorfbewohner suchten Zuflucht bei Angehörigen und Freunden außerhalb des Erdbebenraums. Andere zogen in Hotels an der Adria-Küste, die vom Zivilschutz zur Verfügung gestellt wurde. “Hier bleiben nur wenige Menschen”, sagte der Bürgermeister von Ussita, Marco Rinaldi.

Auch der 5.000 Seelen-Gemeinschaft Norcia, Epizentrum des Erdbebens am Sonntag, droht das Aussterben. Der ganze Stadtkern wurde wegen Einsturzgefahr abgeriegelt. “Ganze Städte liegen in Trümmern”, berichteten Zivilschutz-Sprecher. Gerechnet wird mit 100.000 Obdachlosen. “In diesem schwierigen Moment müssen wir alle Zusammenhalt bewahren” sagte der italienischen Präsident Sergio Mattarella, der den Betroffenen sein Beileid ausdrückte.

Premier Matteo Renzi versprach den betroffenen Gemeinden Hilfe und einen raschen Wiederaufbau. Bei einer Pressekonferenz kündigte Renzi eine Ministerratsitzung am Montag an, bei der Maßnahmen nach der dritte Erdbebenkatastrophe innerhalb von zwei Monaten beschlossen werden sollen. “Niemand wird allein gelassen. Wir werden alles wieder aufbauen: Häuser, Kirchen und Betriebe”, versicherte Renzi. Seine Regierung sei bereit, mehr Ressourcen für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Die Betroffenen sollen vorübergehend in Hotels an der Adria-Küste untergebracht werden. Auch der Papst drückte den Betroffenen seine Anteilnahme aus.

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