Rupert Gietl

07.07.2016

Das Wunder von Wörgl

In Welschtirol hat die Fünf-Sterne-Bewegung eine Kombination von Mindesteinkommen und Regionalwährung als Gesetzesvorschlag eingebracht. Letztere ist keine Neuigkeit in Tirol. Schon einmal sorgte ein sogenanntes “Freigeld” für weltweites Aufsehen. Denn 1932 geschah das Wunder von Wörgl.

Das Wunder von Wörgl. Silvio Gesell (l.), Michael Unter guggenberger (r.) PM: UT24 / Gemeinfrei

Trentini nennt sich die Regionalwährung, welche die Fünf-Sterne-Bewegung gerade in einem Gesetzesentwurf für Welschtirol vorgeschlagen hat.

Es handelt sich dabei um eine nur innerhalb des Landes gültige Währung, die als Teil der Mindessicherung ausbezahlt werden soll. Sie soll vor allem die lokalen Wirtschaftskreisläufe ankurbeln.

Regional

Die Idee ist nicht neu und erfreut sich in ähnlicher Form besonders im deutschen Sprachraum erstaunlicher Beliebtheit. Rund 30 Initiativen gibt es, der Chiemgauer in Oberbayern ist der größte Vertreter.

Geistiger Vater der Idee war der deutsche Kaufmann, Finanztheoretiker und Sozialreformer Silvio Gesell (1862-1930).

Er prägte die Idee, dass Geld immer in Bewegung bleiben müsse und es für gehortete Vermögen keine Zinsen geben dürfe. Im Gegenteil: Gebunkertes Geld solle an Wert verlieren, damit würde die Wirtschaft angekurbelt. Das sogenannte Freigeld war geboren.

Wörgl

Der Wörgler Lokomotivführer Michael Unterguggenberger lernte Gesells Idee durch Zufall während des Ersten Weltkriegs kennen. Jahre später – er war mittlerweile zum sozieldemokratischen Bürgermeister seiner Heimatgemeinde aufgestiegen – greift Unterguggenberger die Idee in höchster Not auf:

Die Weltwirtschaftskrise hatte auch in Tirol seit 1929 zu einer ungekannten Verarmung breiter Bevölkerungsschichten geführt.

Durch einen Schulterschluss im Gemeinderat gelingt es Unterguggenberger, im Sommer 1932 eine an den Schilling gekoppelte Lokalwährung einzuführen.

Sparen? Nein danke!

Nur wer Ende des Monats eine Stempelmarke im Wert von einem Prozent auf seinen Geldschein klebte, konnte diesen weiterhin vollwertig behalten. Die Einnahmen daraus kamen  in einen Armenfond. Der Wert der ausgegebenen sogenannten Arbeitswertscheine wurde in Schillingen bei der örtlichen Raiffeisenkasse hinterlegt.

Das Experiment funktionierte und die Wirtschaft sprang wieder an, die Arbeitslosigkeit sank rapide, die Kaufkraft stieg.

Im Nu sprachen die Medien vom Wunder von Wörgl.

Hoher Besuch

Bald wollten zahlreiche Gemeinden dem Beispiel folgen. Hoher Besuch reiste extra aus Frankreich nach Wörgl: Finanzminister Édouard Daladier wollte sich selber ein Bild vom Aufschwung machen.

Auch der US-Regierung wurde von Ökonomen vorgeschlagen, dem Tiroler Beispiel zu folgen.

Keine Freude daran hatte hingegen die österreichische Nationalbank.

Nach fast 14 Monaten Laufzeit ließ man aus Wien den Wörgler Schilling verbieten.

Kurze Zeit später war die Wirtschaftskrise wieder zurück. Deren politische Folgen sind hinlänglich bekannt.


Das ideelle Erbe des Wunders von Wörgl wird vom Unterguggenberger Institut weitergetragen.


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