von apa 31.05.2016 09:01 Uhr

Drogenbericht ortet mehr Ecstasy und mehr Heroinopfer

Eine Rückkehr von Ecstasy (MDMA) auf dem Drogenmarkt und einen Anstieg der Zahl der Todesfälle bei Suchtkranken vor allem durch Überdosierungen konstatiert die Europäische Drogenbeobachtungsstelle EMCDDA (Lissabon) in ihrem am Dienstag präsentierten Jahresbericht 2016. 2013 dürfte der Umsatz mit illegalen Suchtgiften um die 24,3 Milliarden Euro ausgemacht haben.

APA (Archiv/Gindl)

Der Report beschreibt laut seinen Autoren “einen nach wie vor robusten europäischen Drogenmarkt, wobei inzwischen insbesondere bei einigen Indikatoren für Cannabis und Stimulanzien (darunter auch Ecstasy) ein Aufwärtstrend festzustellen ist. Insgesamt lassen die Daten über das Drogenangebot auf einen hohen oder steigenden Reinheitsgrad oder Wirkstoffgehalt der meisten illegalen Substanzen schließen.”

Was immer Polizei und Justiz unternehmen, Suchtgifte sind eine Problematik, in welcher der Bedarf von Konsumenten und vor allem der Suchtkranken den Markt bestimmt und unterhält. 22,1 Millionen Erwachsene im Alter zwischen 15 und 54 Jahren haben laut der EMCDDA in den vorangegangenen Monaten Cannabis benutzt (6,6 Prozent der Personen aus dieser Altersgruppe; ein Prozent mit täglichem oder fast täglichem Konsum). 3,6 Millionen Personen aus dieser Altersgruppe konsumieren innerhalb eines Jahres zumindest einmal Kokain (1,1 Prozent). 0,8 Prozent der Erwachsenen benutzen innerhalb eines Jahres MDMA (3,4-Methylendioxy-N-Methamphetamin, Ecstasy; 2,5 Millionen Konsumenten).

Darunter lagen die Zahl der Konsumenten von Amphetamin (1,6 Millionen Erwachsene oder 0,8 Prozent aus dieser Altersgruppe). In Europa gibt es um die 1,3 Millionen Hochrisiko-Opiatkonsumenten (intravenöser Heroinkonsum etc.). “Neue psychoaktive Substanzen” dürften innerhalb eines Jahres etwa drei Prozent der 15- bis 24-Jährigen verwendet haben. Die Zahlen stammen aus nationalen Schätzungen und Umfragen der EU-Mitgliedsstaaten.

Das macht einen Riesenmarkt. “Einer vorsichtigen Schätzung zufolge belief sich der Wert des Endkundenmarktes für illegale Drogen in der Europäischen Union im Jahr 2013 auf 24,3 Mrd. Euro. Mit einem geschätzten Handelswert von 9,3 Mrd. Euro auf Konsumentenebene und einem Marktanteil von etwa 38 Prozent machen Cannabisprodukte den Löwenanteil des europäischen Marktes für illegale Drogen aus. An zweiter und dritter Stelle folgen Heroin mit geschätzten 6,8 Mrd. Euro (28 Prozent) und Kokain mit 5,7 Mrd. Euro. Einen geringeren Marktanteil haben Amphetamine mit geschätzten 1,8 Mrd. Euro; acht Prozent), gefolgt von MDMA mit knapp 0,7 Mrd. Euro (drei Prozent)”, heißt es in dem Report.

Sorgen macht den Experten der Trend bei Ecstasy: “Es gibt Anzeichen dafür, dass MDMA sowohl unter jenen, die bereits seit Längerem Stimulanzien konsumieren, als auch bei einer neuen Generation von Drogenkonsumenten zunehmend an Beliebtheit gewinnt.”

Etwa 2,1 Millionen junge Erwachsene (15 bis 34 Jahre) berichten, im letzten Jahr MDMA konsumiert zu haben (das sind 1,7 Prozent dieser Altersgruppe). Der EMCDDA-Jahresbericht: “Bis vor Kurzem war der MDMA-Konsum rückläufig, nachdem er Anfang bis Mitte der 2000er-Jahre seinen Höchststand erreicht hatte. Jüngste Erhebungen deuten auf einen steigenden MDMA-Konsum in Europa hin. Neun von zwölf Ländern meldeten in neuen Erhebungen höhere Schätzungen des MDMA-Konsums unter jungen Erwachsenen als in vergleichbaren früheren Erhebungen.”

Einen traurigen Trend – in Österreich ist er gegenläufig – registriert die Europäische Drogenbeobachtungsstelle in ihrem Jahresbericht bezüglich der Mortalität von Hochrisiko-Opiatabhängigen: “2014 kam es in der Europäischen Union zu schätzungsweise mindestens 6.800 Todesfällen aufgrund von Überdosierungen.” Der Trend zeige aktuell nach oben.

Nach einem Anstieg der Zahl der Drogenopfer in Europa von rund 6.000 im Jahr 2003 auf etwa 8.000 im Jahr 2008 war es wieder zu einem Rückgang auf unter 7.000 (2012) gekommen. Vor allem Mischkonsum von Opiaten mit verschiedenen anderen Substanzen (Tranquilizer, Alkohol) ist hochgefährlich, weil bei Überdosierungen die Gefahr einer Atemlähmung dadurch dramatisch zunimmt.

Wie gefährdet vor allem die intravenös Opiate injizierenden Suchtkranken sind, beschreibt die EMCDDA so: ” Kohortenstudien unter Hochrisiko-Drogenkonsumenten weisen gemeinhin jährliche Mortalitätsraten zwischen ein und zwei Prozent aus. Insgesamt ist in Europa die Mortalität unter Opioidkonsumenten fünf bis zehn Mal höher als in der Allgemeinbevölkerung derselben Alters- und Geschlechtsgruppe.”

Zwar spielen Überdosierungen die größte Rolle, doch beteiligt sind auch Infektionen, Unfälle, Gewalt und Suizid. Die beste Möglichkeit, diesen Tragödien zu begegnen sind die medizinische Behandlung der Opiatabhängigen per Substitutionstherapie und begleitende Maßnahmen (Spritzentauschprogramme, medizinische Rundum-Betreuung etc.). Österreich liegt bei den Drogentoten pro Million Einwohner in Europa im Mittelfeld (Kategorie zehn bis 40/Million Einwohner und Jahr). Besser schneiden Portugal, Frankreich und zum Beispiel Italien (weniger als zehn Todesopfer pro Million Einwohner) ab.

Allerdings ist in Österreich die Zahl der mit Drogenkonsum in Verbindung stehenden Todesfälle zuletzt gesunken. 2011 waren es 201 Todesfälle, 2012 dann 161. Im Jahr 2013 wurden 138 Todesopfer registriert, 2014 waren es schließlich 122. Insgesamt wird in Österreich ein Rückgang des problematischen Drogenkonsums beobachtet. Das ist speziell bei jüngeren Altersgruppen zu beobachten. 1999 hatten rund 4.500 Jugendliche bzw. junge Erwachsene gefährlichen Opioidkonsum gehabt. Ihre Zahl hatte 2004 mit rund 10.000 stark zugenommen. Mittlerweile sind es um die 4.000. Insgesamt dürften in Österreich zwischen 28.000 und 29.000 Menschen problematischen Opiatkonsum haben. 2009 waren es etwa 33.000 gewesen.

Österreich liegt laut EMCDDA beim Anteil der Opiatabhängigen in Substitutionsbehandlung mit rund 60 Prozent im oberen Bereich. Besser sind aber zum Beispiel Portugal und Frankreich, wo es gelungen ist, fast 80 Prozent dieser Suchtkranken in diese Therapie zu bekommen.

Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle führt in ihrem aktuellen Jahresbericht unter anderem noch zwei weitere Trends an: Heroin verliert in Europa offenbar Bedeutung beim intravenösen Drogenkonsum. Dafür dürften noch potentere synthetische Opiate wie Fentanyl und das in der Substitutionstherapie ehemals auch in Österreich stark geförderte Buprenorphin manchen Regionen immer wichtiger für den illegalen Markt werden.

Schließlich wird auch das verwendete Cannabis immer potenter. Es kommt in Europa seit Jahren zunehmend aus lokaler Kultivierung. Der Europäische Drogenbericht: “Die Analyse (…) zeigt zwischen 2006 und 2014 einen starken Anstieg des Wirkstoffgehalts (Tetrahydrocannabinol, THC), sowohl bei Cannabiskraut als auch bei Cannabisharz. Gefördert wurde diese Steigerung des Wirkstoffgehalts vermutlich auch durch die Etablierung intensiver Produktionstechniken innerhalb Europas und in jüngerer Zeit durch die Einführung von Pflanzen mit hohem Wirkstoffgehalt in Marokko.”

Insgesamt befindet sich Österreich bezüglich Drogenkonsum im europäischen Vergleich in allen Substanzkategorien in der “unteren Mittelklasse”. So fällt die Alpenrepublik – wie beispielsweise auch Ungarn – bei den jungen Erwachsenen (15 bis 34 Jahre) in die vorletzte Kategorie mit einem Anteil von 4,1 bis acht Prozent an Personen, die im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert haben. In Tschechien, Spanien und Frankreich sind es beispielsweise mehr als zwölf Prozent, in Griechenland unter vier Prozent.

Eine ähnliche Stellung hat Österreich (wie auch Deutschland) beim Kokainkonsum junger Erwachsener mit einem Anteil zwischen 1,1 und zwei Prozent (Konsum innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate). Großbritannien und Spanien machen hier Spitzenreiter mit mehr als drei Prozent aus, das Nachbarland Tschechien liegt bei einem Anteil von unter ein Prozent.

“Die in Europa am meisten benutzte Droge ist Cannabis. Das populärste Stimulans ist Kokain. Bei den synthetischen Stimulanzien ist es MDMA (Ecstasy; Anm.). Relativ wenige Daten über die Verbreitung gibt es bei den neuen synthetischen Substanzen”, sagte der Chef der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA), Alexis Goosdeel, am Dienstag bei der Präsentation des EMCDDA-Jahresberichtes 2016.

“Mit 1,3 Millionen Konsumenten bleiben die Opiate jene Substanzen, welche die größten Probleme verursachen”, betonte der Experte, der die EMCDDA seit Anfang des Jahres leitet und von Beruf Klinischer Psychologe war. Der Kokainkonsum sei in jüngster Vergangenheit in sechs EU-Ländern gestiegen, in zwei Staaten stabil geblieben und in vier Staaten zurückgegangen. “Der Gebrauch von MDMA hat in neun Staaten, welche hier Daten besitzen, zugenommen, in drei Ländern abgenommen”, fügte Goosdeel hinzu. Auch der Konsum von Amphetamin sei in sieben Staaten gestiegen (stabil im Vergleich dazu ein Land, vier mit einer Abnahme).

Eine Erfolgsstory ist das Zurückdrängen von HIV/Aids bei den Drogenkranken in Europa. “Die Zahl der neuen HIV-Diagnosen ist im vergangenen Jahr auf den tiefsten Wert innerhalb von zehn Jahren gefallen (exakt: 1.236; Anm.)”, sagte der EMCDDA-Direktor. 2005 waren es noch rund 2.500 Neudiagnosen unter Drogenabhängigen. Zu einem Teil ist das auf die zunehmende Verbreitung von Spritzentauschprogrammen zurückzuführen. In einem Jahr werden in Europa rund 40 Millionen sterile Spritzen an Drogenkranke, welche Suchtgift injizieren, verteilt. Spritzentausch ist eine wesentliche Infektionsursache unter Abhängigen.

Schlechter sieht die Situation bei Hepatitis C aus, welche als chronische Erkrankung mit Leberzirrhose, Leberversagen und Karzinomen in Verbindung steht. “Zwischen 18 und 85 Prozent der Hochrisiko-Opiatabhängigen sind Hepatitis C-infiziert. Hier gibt es neue Behandlungsmöglichkeiten, mit denen man die Krankheit ausheilen kann. Das ist eine signifikante Entwicklung”, sagte Goosdeel. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle propagiert die Bereitstellung der neuen Therapien für alle Betroffenen.

In Österreich sind etwa 50 Prozent der Drogenabhängigen mit injizierendem Suchtgiftkonsum Hepatitis C-infiziert. In Tschechien sind es hingegen “nur” rund 18 Prozent, in Portugal beispielsweise 84 Prozent. Die Problematik hängt wohl ursächlich mit dem Zugang zu sterilem Injektionsbesteck zusammen.

“Wir sehen einen sehr hohen Anteil von Drogenkonsumenten mit Hepatitis C”, sagte die österreichische Expertin Marion Weigl im Dezember vergangenen Jahres bei der Vorstellung des aktuellen österreichischen Drogenberichtes zu diesem Thema. Aus manchen Betreuungseinrichtungen gibt es hier Zahlen von bis 75 Prozent Infizierten unter den Behandelten wegen problematischen Drogenkonsums (Opioide zum Injizieren). Spritzentauschprogramme existierten in Österreich vor allem in Ballungszentren, deutlich weniger im ländlichen Bereich. Ein Problempunkt sind auch die Gefängnisse. Dort gibt es in Österreich kein Spritzentauschangebot, intravenösen Suchtgiftkonsum aber offenbar sehr wohl.

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