von gru 26.07.2015 18:00 Uhr

Toblach im Ersten Weltkrieg. Teil 2

Der höchstgelegene Ort im Pustertal mit seiner strategischen Lage als Tor zu den Dolomiten lag von 1915 bis 1918 im Brennpunkt vieler heute vergessener Ereignisse. Der zweite und letzte Teil unserer Reportage über Toblach im Ersten Weltkrieg begibt sich auf einen Rundgang durch die Gemeinde und erzählt, was einst war und heute noch erhalten ist.
Die Flugzeuge der bayrischen Feldfliegerabteilung Nr. 9 werden am Bahnhof von Toblach entladen. Bild: H. Reider, P. Kübler, Krieg um Sexten (1986)

Nicht nur an vorderster Front prägten sich die Jahre von 1915 bis 1918 in die Landschaft ein, fast das ganz Gemeindegebiet von Toblach war auf die eine oder andere Weise von den Ereignissen betroffen:

Der Krieg führte zum Aufbau einer gewaltigen Infrastruktur, die einen rund 10 Kilometer breiten Streifen hinter der vordersten Linie fest in ihrem Griff hatte. Unterlagen aus dem Kriegsarchiv in Wien belegen, dass im sogenannten „Subrayon V“, der vom Pordoijoch bis zur Kärntner Grenze reichte, am 31. Oktober 1915 ca. 47.963 Soldaten, 12.892 Arbeiter/Kriegsgefangene und 13.500 Pferde zu versorgen waren.

Die Vorräte

Alleine in Toblach wurden zu diesem Zeitpunkt 5.000 „Portionen“ Brot am Tag gebacken. In den Toblacher Lagerhallen befanden sich u.a. 890kg Tee, 2.200l Wein und 400.000 „Mannesportionen“ an Nahrungsmitteln, dazu 40.000 Portionen als Reserve.

Auf der Plätzwiese, dem Seelandtal und der Strudelalpe befanden sich ausgedehnte Artilleriestellungen und eine zweite Verteidigungslinie, über das Knappenfußtal wurde das Gemärk durch ein Seilbahn von Brückele aus versorgt, eine weitere Seilbahn kam über das Helltal herauf auf den Strudelsattel.

Das Lager

Im Gemärk und im Sigmundsbrunner-Tal befanden sich Truppenlager und ein Friedhof. Hinter dem Werk Landro lag auf halbem Weg nach Nasswand das sogenannte „Gallizianerdörfl“. Im Schutze der Nasswand selbst hatte sich ein riesiges Lager mit zahlreichen Baracken und einem Verbandsplatz entwickelt. Dies ist auch der Grund, warum sich dort heute noch der Kriegerfriedhof befindet.

Nach dem italienischen Rückzug im November 1917 wurden die Baracken in Nasswand abgebaut und nach Süden transportiert, sodass sich heute kaum noch Spuren entdecken lassen, wo über 2 Jahre lang ein buntes Treiben herrschte und deutsch, ungarisch, tschechisch und jede nur erdenkliche Sprache aus allen Ecken des Reiches zu hören war.

Das Marodenhaus

Bewegt man sich weiter in Richtung Toblach, sind als nächstes die Saghäuser als historischer Ort zu nennen: die Standschützen errichteten dort den Sitz eines Batallions-Stabes, mit Feldpost, Marodenhaus (Krankenhaus), Bataillonskanzlei, Telefonzentrale und verschiedenen Unterkünften.

Die Italiener begannen im Juli 1916, mit bisher nicht gekannter Intensität, Toblach zu beschießen.

Deshalb wurde am Hang unterhalb des Baumgartner Kasers, ungefähr eine Viertelstunde Fußmarsch von den Saghäusern entfernt, ein Hochsitz mit Unterstand und Telefon eingerichtet, von wo aus Standschützen die Beschießung beobachten und eventuelle Schäden berichten sollten.

10 Granaten pro Tag

Bis September 1916 kamen pro Tag etwa 10 Granaten schwersten Kalibers aus Richtung Misurina angeflogen und versuchten vor allem, den Bahnverkehr zu stören. Neutoblach wurde daraufhin zum Sperrgebiet erklärt.

Es kam auch vor, dass einzelne Geschosse bis Alttoblach und sogar bis nach Wahlen geschossen wurden. Treffer erhielten u.a. die Pfarrkirche und mehrere Bauernhäuser in Alttoblach, die Friedhofskapelle wurde praktisch zerstört. In Neutoblach litten besonders die Hotels und der Bahnhof.

Der große italienische Scheinwerfer auf dem Cristallino leuchtete zur Feuerleitung bis heraus ins Toblacher Feld. Er soll so stark gewesen sein, dass man in Wahlen nachts in der Stube die Zeitung lesen konnte.

Die Bahn im Visier

Nicht ein einziges Mal ist es in all den Monaten gelungen, einen fahrenden Zug direkt zu treffen. Der Gleiskörper wurde einige Male beschädigt, es stand aber ständig eine Pioniereinheit zur Reparatur in Bereitschaft. Zur Sicherheit wurde allerdings ein parallel verlaufender, zweiter Gleisstrang verlegt, der ungefähr auf der Höhe von Optik Rapid in west-östlicher Richtung verlief.

Menschen kamen bei den Beschießungen fast nie zu Schaden, auch wenn die Bevölkerung in Alttoblach wie gewohnt ihrer Arbeit nachging. Nur einmal wurden zwei jugendliche Arbeiter der Brauerei Harasser von einem explodierenden Blindgänger zerrissen, als sie versuchten, den kupfernen Führungsring des Geschoßes herunterzuschlagen.

Von da an war das Betreten von Neutoblach für Zivilpersonen verboten.

Das Grand-Hotel

Das ganze Bahnhofsareal mit Grand-Hotel bildete in der Kriegsjahre einen großen logistischen Umschlagplatz, es wurde sogar noch ein zusätzlicher Bahnhof zwischen Innichen und Toblach errichtet: Die „Station Haunold“.

Daneben gab es noch das Rot-Kreuz Spital Nr. II in Bad Maistatt mit 200 Betten, ein Flugfeld der bayrischen Feldflieger bei den Neunhäusern (nur im Sommer 1915) und einen großen Soldatenfriedhof oberhalb von Alttoblach im Bereich der Ehrenbergstrasse. Er wurde im Zuge der Option aufgelöst.

Nach der italiensichen Niederlage von Karfreit/Kobarit/Caporetto im November 1917 endete der Krieg an der Dolomitenfront. Für Toblach bedeutete diese aber noch nicht das Ende der aufregenden Zeiten:

Unvergessen

Im Sommer 1918 begann man mit dem Ausbau der Bahnlinie Toblach -Zuel. Eine Heeresfeldbahn bis Landro hatte ja bereits bestanden. Der Bau sollte bis Dezember abgeschlossen sein, dafür setzte man hunderte von Kriegsgefangenen ein. Ein Bauzeitplan für dieses Projekt hat sich im Kriegsarchiv in Wien erhalten.

Diese Aufzählung von Ereignissen und Schauplätzen ist alles andere als vollständig. Sie soll aber zeigen, dass die Hinterlassenschaften des 1. Weltkrieges das größte zusammenhängende Geschichtsdenkmal auf Toblacher Boden sind. Arbeiten wir gemeinsam daran, das Wissen um diese schwere Zeit und deren Reste für die Zukunft zu erhalten.


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