von fe 04.10.2016 09:47 Uhr

Verscherbelt das Land die Vinschger Bahn an Trenitalia?

Die SAD müsse den millionenschweren Kuchen Zugverkehr mit Trenitalia aufteilen, berichteten lokale Medien. Die Entscheidung fällt die Landesregierung am heutigen Dienstag. Aber verscherbelt die Landesregierung die Vinschger Bahn an Trenitalia? UT24 hat dazu Verwaltungsratsmitglied und Mehrheitsaktionär Ingemar Gatterer interviewt.

Bild: UT24/Facebook/Ingemar Gatterer

Über eine exklusive Bedienung der Strecke Mals – Bozen sei die SAD mit der Landesverwaltung seit fast einem Jahr in Verhandlung, schreibt Ingemar Gatterer in einer ersten Stellungnahme am Montag. Seit Inbetriebnahme der neuen Bahn ihm Vinschgau hatte das Unternehmen die Strecke immer exklusiv bedient.

UT24: Herr Gatterer, wie erklären Sie sich, dass Trentitalia und nicht die SAD den Zuschlag für die Vinschger Bahn erhielt?

Ingemar Gatterer: Es stimmt nicht, dass SAD den Zuschlag nicht erhalten hat. Wir sind vielmehr gerade dabei den definitiven Vertrag mit der Landesverwaltung für weitere 8 Jahre abzuschließen. Details hat die Landesregierung bereits in zwei Beschlüssen (einer im Jänner und einer im Juli) festgelegt. Was fehlt ist die Aufteilung der Linien zwischen den beiden Unternehmen SAD und Trenitalia. Vorschlag des Landes ist nun jedoch, dass die Strecke Bozen – Meran – Mals zwischen Trentialia und SAD aufgeteilt wird, anstatt die gesamte Leistung wie bisher an SAD zu übertragen. Die Problematik besteht dabei darin, dass die Landesverwaltung bereits im Jahr 2015 mit Trenitalia einen Rahmenvertrag abgeschlossen hat, welcher den Staatsbahnen mindestens 2,8 Millionen Zugkilometer pro Jahr in unserem Land garantiert. Einer exklusiven Bedienung des Vinschgaus war damit eine rechtliche Hürde vorgesetzt, die jedoch lösbar gewesen wäre. Die jetzt festgelegte Doppelbedienung ist somit meiner Meinung nach ein gezielt schadhaftes Vorgehen der Politik gegen SAD.

In einem Online-Medium wird berichtet, dass die SAD bei einem Zuschlag einen Gewinn von 22 Mio. Euro gemacht hätte – inwiefern steht dies denn im Zusammenhang mit der Vergabe? Sollte es für die Landesverwaltung nicht gleichgültig sein, wie die Kostenkalkulation der SAD aussieht? Sollte nicht eher bewertet werden, was für den Südtiroler Bürger besser ist?

Wie diese Zahl errechnet wurde entzieht sich meiner Kenntnis – von meiner Seite kann diese jedenfalls nicht bestätigt werden. Der Vergabepreis wurde mit Technikern des Landes in einem monatelangen Prüfverfahren festgelegt und ist gleich hoch wie jener von Trenitalia. Da es demnach zwischen beiden Unternehmen keinen Preisunterschied gibt, ist dieses Kriterium für die Vergabeentscheidung auch nicht relevant. Wenn die Verwaltung nun der Meinung ist, dass SAD die Leistungen günstiger erbringen könnte als Trenitalia, dann hätte sie den gesamten Zugverkehr in Südtirol an SAD übertragen müssen und nicht nur einen Teil davon. Eine andere Entscheidung kann vor dem Rechnungshof keine Rechtfertigung finden. Da der Preis somit kein Kriterium ist, müssen andere Aspekte im Vordergrund stehen. Dazu gehören Qualitätskriterien und Kriterien wie lokale Beschäftigung, lokale Wertschöpfung oder etwa Einhaltung von Proporz und Zweisprachigkeit.

Welche Vorteile hätte eine Vergabe an die SAD anstelle einer Vergabe an Trenitalia?

Die SAD hat bisher höchste Qualitätsstandards bei der Leistungserfüllung bewiesen. Wir legen höchsten Wert auf Pünktlichkeit, Sauberkeit der Züge und bestens ausgebildete Mitarbeiter. SAD hat mit 98% eine der höchsten Pünktlichkeitsraten in ganz Europa. Bei einer Vergabe an SAD wären die Arbeitsplätze der heimischen Bevölkerung vorbehalten. Außerdem bleibt die gesamte Wertschöpfung im Land. Bei Vergabe der Leistung an Trenitalia fließen mehr al 160 Millionen Euro Südtiroler Steuergeld an die Staatsbahnen. Die verrechnete MwSt. von etwa 16 Millionen Euro (im Transport werden 10% MwSt. berechnet) kann Südtirol im Rahmen der Autonomiebestimmungen jedoch nicht zurückfordern, da der Steuersitz von Trenitalia nicht im Land liegt. Südtirol verliert demnach durch den Abschluss des Vertrages mit Trenitalia 11,5 Millionen Euro öffentliche Steuermittel, die in vielen anderen Bereichen verwendet werden könnten. Wenn LH Kompatscher daher in der heutigen Ausgabe der Dolomiten darauf verweist, dass der größtmögliche Kundenutzen mit den geringsten Kosten erreicht werden soll, dann ist anzumerken, dass offensichtlich genau das Gegenteil von dieser Zielsetzung umgesetzt wurde.

Die SAD hält sich an den ethnischen Proporz, obwohl sie als privates Unternehmen dazu nicht verpflichtet wäre. Warum tut sie dies dennoch auf freiwilliger Basis?

Anführen möchte ich, dass die von mir erworbenen SAD-Aktien Großteils italienischer Streubesitz waren. SAD ist demnach gerade erst durch diese Aktienkäufe zu einem – zumindest in der Eigentümerstruktur – „Südtiroler Unternehmen“ geworden. Mit der Übernahme, war es für mich daher auch wichtig dem Betrieb eine neue Südtiroler Identität zu geben. Wir haben daher freiwillig den Proporz zur Anwendung gebracht. Die Staatsbahnen müssten ihn aufgrund der Bestimmungen des Autonomiestatutes anwenden… SAD macht dies jedenfalls aus Überzeugung – auch wenn es ein privates Unternehmen ist und demnach keine Verpflichtung dahingehend besteht.

Warum wurde bei der Vergabe nicht berücksichtigt, dass die SAD als Südtiroler Unternehmen, das in Südtirol steuerpflichtig ist, durch seine Steuerleistungen zum Südtiroler Landeshaushalt beiträgt?

Dies ist mir selbst völlig unverständlich. Altlandeshauptmann Durnwalder hat mir in einem heutigen Gespräch mitgeteilt, dass er so etwas niemals gemacht hätte. Den italienischen Staatsbahnen Aufträge dieser Art zu übertragen ist in autonomiepolitischer Hinsicht einfach nicht nachvollziehbar. Wenn Leistungen im Rahmen von Ausschreibungsverfahren nicht im Land bleiben, dann ist diese Tatsache im Sinne einer gesamteuropäischen Wirtschaftsordnung zu akzeptieren. Eisenbahnleistungen werden jedoch direkt vergeben. Es ist demnach eine ausschließliche Ermessensentscheidung der Landesregierung, ob sie ein heimisches Unternehmen beauftragt oder nicht. Dass die Regierung dabei aber zum eigenen Schaden handelt, und im Landeshaushalt selbst auf 11,5 Millionen Euro verzichtet, ist…

Wie bewerten Sie den Umstand, dass nun die Trenitalia mit der Vinschger Bahn wieder Zutritt zum Südtiroler Nahverkehr in einem Landesteil erhält, in dem bereits alles in Südtiroler Hand war? Ist dies als neuerliche Verbeugung der Landesregierung Richtung Rom zu bewerten, oder waren der Landesregierung bei der Vergabe die Hände gebunden aufgrund von EU-Vorgaben oder staatlichen Richtlinien?

Wie ich bereits angemerkt habe, ist es eine ausschließliche Entscheidung der Landesregierung, wem sie Eisenbahnleistungen überträgt. Es gibt hierzu keine maßgebenden Einschränkungen aus staatlicher oder europarechtlicher Sicht. Im Vinschgau hat man vor Jahren eine eigene Lokalbahn ins Leben gerufen. Ziel war es damals, sich von italienischer Präsenz zu lösen und lokale Wertschöpfung auch in diesem Bereich zu forcieren. Dies war die politische Linie von LH Magnago und LH Durnwalder, welche zu einer immer größeren Unabhängigkeit Südtirols geführt hat. LH Kompatscher hat sich davon nun verabschiedet. Warum der neue Landeshauptmann diesen Weg wählt, ist mir selbst unverständlich. Eine Autonomie-Südtirol-treue-Grundhaltung kann ich jedenfalls nicht erkennen.

Wie erklären Sie sich, dass Südtiroler Medien ohne Recherche bei der SAD über die Vergabe berichteten?

Ich finde es sehr unprofessionell, wenn ein Medium Berichte verfasst ohne bei den Beteiligten Rücksprache zu halten. Wieso Ebner das macht, kann ich nicht beantworten. Ein solches Vorgehen steht jedenfalls nicht für einen qualitätsvollen Journalismus.

In Ihrer Stellungnahme schlagen Sie auch patriotische Töne an und verweisen darauf, dass die SAD ein heimisches Unternehmen sei, das im Tiroler Territorium verankert ist. Wie wichtig ist Ihnen Patriotismus bei ihrer unternehmerischen Tätigkeit?

Ich versuche die SAD dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie als hochqualitativer Mobilitätsdienstleister in unserem Land anerkannt und als Teil der Südtiroler Identität wahrgenommen wird.

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