von gru 27.02.2016 16:54 Uhr

Konvent: Bahn ans Land – So denkt ein Teilnehmer

Bei der Open Space Veranstaltung des Autonomiekonvents in Brixen wurde das Thema "Eisenbahn ans Land" diskutiert. Auffällig war die hohe fachliche Kompetenz der Teilnehmer. Wir haben einen der anwesenden Bürger, Herbert Kaserer aus Meran, zum Thema befragt und erneut zahlreiche interessante Antworten erhalten.
Die Bahn zum Land. Ein Thema beim Autonomiekonvent. Bild: UT24 / Rudolpho Duba / pixelio.de

Herbert Kaserer ging nicht zufällig in die Diskussionsgruppe „Bahn ans Land – Übernahme der Eisenbahninfrastruktur“.

Der Meraner ist Bahnfreund seit Kindertagen und pendelt täglich auf der Schiene nach Bozen.

Er ist Mitarbeiter des Amtes für Film und Medien sowie Mitglied und Webmaster des Vereins Freunde der Eisenbahn.

UT24: Wieso waren Sie bei der Konvent-Diskussionsgruppe zur Zukunft der Bahn in Südtirol dabei?

Herbert Kaserer: Zunächst einmal finde ich, wenn von Seiten der Politik ein solches Dialogangebot gemacht wird, dann sollte man sich auch daran beteiligen. In Bozen gibt es zudem seit längerem eine Expertengruppe für Nahverkehr, welche sich in lockerer Atmosphäre einmal im Monat trifft.

Da kommen die Probleme des Südtiroler Nahverkehrs, speziell der Bahn, zur Sprache. Nur allzu oft wird deutlich, dass Südtirol großen Nachholbedarf und bei weitem noch nicht Schweizer Niveau hat.
Einer der Gründe ist, dass die Südtiroler außer über die Vinschgau-, Ritten- und Mendelbahn nicht über die Infrastruktur verfügen und somit nichts wirklich weitergeht.

Vor allem redet man sich immer öfter auf RFI hinaus und LH Kompatscher vertraut blind dem Verkehrsminister del Rio: „RFI baut die Riggertalschleife“, „RFI baut den Virgltunnel“. Allein, mir fehlt der Glaube!

Völlig untransparent erscheint mir derzeit die Situation bei der Bahnlinie Bozen – Meran, bei der schon seit vielen Jahren ein Übergang ans Land in Aussicht gestellt wurde (der Ex-Landeshauptmann Durnwalder hat mit dem damaligen Bahnchef Moretti nach seinen Aussagen schon alles eingefädelt) – und plötzlich heißt es, nein, die Bahn kommt nicht ans Land, die bleibt bei RFI.

Das bedeutet wohl, dass noch viele Jahre ins Land gehen werden, bis sich da was tut. Auch bin ich enttäuscht darüber, dass den Vinschgern nur EINE Variante für den Ausbau und die Elektrifizierung der Vinschgaubahn vorgestellt wurde, eine Art Schmalspur-Konzept.

Ich hätte mir gewünscht, dass bei der Aufwertung der Linie auch die Fahrzeiten verkürzt würden. Doch leider wird die Vinschgaubahn langsamer, weil die derzeitigen Schnellzüge durch Regionalzüge ersetzt werden sollen.

Für eine Beschleunigung und für das Beibehalten von Regionalexpresszügen hätte es eine zusätzliche Ausweichstelle gebraucht, für die nun kein Geld aufzubringen ist. Es ist also notwendig, dass sich die Pendler und Fahrgäste stärker zu Wort melden.

Tirol war einst ein Pionierland was die Bahn im Gebirge betraf. Heute wird vereinzelt versucht, wieder daran anzuschließen. Welche Forderungen wurden in der Open Space Gruppe „Bahn ans Land“ hauptsächlich formuliert?

Dankenswerter hat Wolfgang Niederhofer, ein Bahn- und Reisebürofachmann das Thema aufs Tapet gebracht. Klar war, dass wegen der Konkurrenz durch andere „starke“ Themen nicht allzu viele sich einfinden würden. Aber Immerhin nahmen sieben Teilnehmer intensiv an der Diskussion teil und die 45 Minuten verflogen im Nu.

Wichtig war uns, dass die Ergebnisse ins Protokoll kamen. So kann jemand auf diesen Ideen aufbauen, wenn er will.

Eine der Hauptforderungen war, dass sämtliche Bahninfrastruktur, also nicht nur die Gleisanlagen und Bahnhöfe, sondern auch die Sicherungsanlagen mit deren Steuerung, sowie das gesamte Informationsmanagement ins Land geholt werden müssten. Als Voraussetzung, in absehbarer Zukunft bahnmäßig auf mitteleuropäisches Niveau zu kommen.

Ein weiteres Thema war der darniederliegende Güterverkehr: anders als in den Ländern ringsum kann in Südtirol kein Waggon mehr ent- oder beladen werden.  Auch die heruntergekommene Bahnlandschaft in Südtirol oder das Fehlen von Erlebniszügen wurde angesprochen.

In allen Ländern ringsum gibt es Dampfloksonderfahrten, nur im Tourismusland Südtirol nicht. Leider soll auch in Schlanders im Zuge der Elektrifizierung das dritte Gleis deaktiviert werden, das es für das Abstellen von (zukünftigen) Sonderzügen bräuchte.

Wir haben mit der Schweiz einen Nachbarn, der die Bahn mustergültig betreibt und ausbaut. Was können wir uns von den Eidgenossen abschauen?

Richtig! Wir sollten uns die Schweiz zum Vorbild machen. Da gibt es einmal eine längerfristige und koordinierte Planung, die es in Südtirol offensichtlich nicht gibt.

Dann gibt die Schweiz pro Kopf viel mehr Geld für die Bahn aus als Südtirol. Vorbildlich ist die Gestaltung der Bahnhöfe (sehen Sie sich nur einmal den nächstgelegenen Bahnhof Zernez an, ein Kleinod mit vielen funktionierenden Diensten, inklusive Güterabfertigung) und vor allem die Fahrgastinformation in den Zügen und auf den Bahnhöfen.

Im Gegensatz zu Südtirol finden Sie lesbare und gepflegte und nachts beleuchtete Aushänge, die aktuell sind. Es werden Verspätungen und die Wagenreihung angezeigt, und an den Bahnhöfen gibt es jede Menge Werbe- und Informationsmaterial für spezielle Reiseangebote. Auch findet man auf der WEB-Site vom Berner Bundesamt für Verkehr alle Dokumente und Berichte zur Entwicklung der Bahn übersichtlich geordnet, bei uns hingegen muss man sich alle Informationen mühsam zusammensuchen.

Daher muss die Devise lauten „Mehr Schweiz, weniger Italien!“.

Am 13. Februar wurde ein Abkommen zur Reaktivierung der Bahnlinie Toblach-Cortina geschlossen. Wie bewerten Sie dieses Projekt?

Es freut mich, dass der Landeshauptmann von der Bahn so begeistert ist. Inwieweit der Wiederaufbau der Dolomitenbahn reine Utopie ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wenn es aber gelingt, dann böte das sicher einen großer Mehrwert, vor allem in touristischer und ökologischer Hinsicht.

Aber für die Dolomitenbahn kursieren mehrere Varianten, eine davon würde gar von einem ausgebauten Bozner Flughafen aus starten. Es war sicher ein großer Frevel, die Bahn bald nach einer gründlichen Renovierung und dem Ankauf neuer Garnituren (anlässlich der Olympiade in Cortina 1956) einzustellen.

Ich finde aber, absoluten Vorrang müsste das Erledigen der schon lange aufgeschobenen Aufgaben auf dem Bestandsnetz haben, und das wären: die baldige Aufwertung der Strecke Meran – Bozen und der Bau der Riggertal-Schleife. Beide Vorhaben würden sich sehr förderlich auf das gesamte Netz und den gesamten Betrieb auswirken.

Ein weiteres Steckenpferd des Landeshauptmannes ist eine direkte Verbindung Bozen – Zürich. Für dieses Projekt sehe ich kaum Realisierungschancen, zumal die Schweiz andere Prioritäten hat und man wegen der Schmalspur bei der Rhätischen Bahn doch mehrfach umsteigen müsste.

Der Landeshauptmann sprach bei der Mitgliederversammlung des Vereins Freunde der Eisenbahn von einem Tunnel, der Mals mit Scuol verbinden soll. Ich allerdings kann mir nur eine Bahnverbindung vorstellen, die das Val Müstair und den Schweizer Nationalpark mitbedient und zwar weitgehend oberirdisch, da nur so touristisch interessant.

Könnte Südtirol den Betrieb, Ausbau und Erhaltung der gesamten Bahn-Infrastruktur stemmen?

Sicherlich würden zu Beginn größere Investitionen notwendig sein wie z.B. der Aufbau einer neuen zentralen Steuerzentrale in Bozen, um die Dienste aus Verona oder anderswo hier vor Ort zu konzentrieren.

Die Brennerstrecke (und dann der BBT) werden vermutlich auch in Zukunft stark befahren sein und es würden ja auch entsprechend Trassengebühren anfallen.

Würde der Staat – Ihrer Meinung nach – so eine wichtige strategische Ressourche (vor allem die Brennerlinie) überhaupt aus der Hand geben?

Wie es derzeit aussieht, wo alles Richtung Zentralisierung zu laufen scheint, wohl eher nur mit Widerstand.

Vielleicht kann man in 2 Schritten vorgehen:

Zunächst einmal die Strecken Bozen – Meran übernehmen (eine gemeinsame Betriebsführung mit der Vinschgaubahn ist naheliegend), dann die Pustertalerlinie und in einem letzten Schritt die Brennerbahn. Aber die Brennerlinie ist wesentlich, es kann einfach nicht ein, dass unter der Woche von 08:36 bis 11:31 h kein Zug von Bozen nach Verona fährt, weil angeblich Wartungsfenster gebraucht werden.

Instandsetzungsarbeiten werden in anderen Ländern bei zeitweilig gesperrtem zweiten Gleis oder in der Nacht durchgeführt.

Ich vergleiche das Südtiroler Bahnnetz gern mit dem von Luxemburg. Es ist ähnlich in der Größe und in der Struktur. Auch da gibt es Neben- und Transitlinien, die sich aber alle im Besitze des Großherzogtums befinden.

Vor einiger Zeit hat der damalige Landesrat für Mobiliät Dr. Thomas Widmann angedacht, dass man sich die Autonomie von Italien ja auch abkaufen könne. Der Ankauf der Strecken wäre vielleicht auch eine solche Option.

Was war Ihr Eindruck vom Autonomiekonvent allgemein?

Es war gut organisiert. In all den Gruppen, in denen ich war, wurde respektvoll miteinander umgegangen. Manche Teilnehmer waren gut vorbereitet und haben gut argumentiert. Es wurden interessante Themen aufgeworfen, z.B. „Laizismus“ oder „eigenständige Südtiroler Außenpolitik“.

Jedenfalls war es den ganzen Tag über spannend. Allerdings konnten in Brixen leider nur ganz wenig Italiener mobilisiert werden.

Die Ergebnisse der Open Spaces werden ja in diversen Gremien (Rat der 100, der 33, Landtag, Regionalrat, Parlament) nachbearbeitet, die Ergebnisse eines ähnlichen Prozesses in der Region Friaul-Julisch Venetien verstauben heute in einer Schublade in Rom. Was wird vom Konvent bleiben?

Es ist erfreulich, dass sich die Politik getraut hat, das offene Gespräch zu organisieren. Ich mache mir keine Illusionen darüber, dass viel von dem Erarbeiteten in weitere Prozesse einfließen wird. Ich gäbe mich schon mit 1% zufrieden.

Es wäre schön, wenn ich da nicht recht behielte!

Wäre es sinnvoll, in Zukunft regelmäßig Open Spaces abzuhalten?

Warum nicht? Aber natürlich nicht rasch aufeinander, das wäre inflationär und es kostet ja auch nicht wenig an Geld. Sagen wir in einigen Jahren wieder oder wenn sich die politische Lage plötzlich stark verändert. Aber schauen wir erst mal, was von diesem Konvent in die Tat umgesetzt wird …


Das Protokoll zum Interview:

Lesen Sie außerdem aus der Reihe der Konvent-Interviews:


 

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite