Autonomiekonvent: Südtirols Brückenfunktion stärken – das Interview

Der Bozner Europarechtsexperte RA Dr. iur. Otto Mahlknecht gilt als ausgewiesener Experte im öffentlichen Auftragswesen, dem Immobilien- und Baurecht.
Er hat bei den Open Spaces des Autonomiekonvents in Bozen, am 23. Jänner 2016 das Thema „Südtirols Brückenfunktion stärken“ eingebracht.
Was ihn dazu bewegt hat und wo er Südtirols Chancen für die Zukunft sieht, hat er im UT24-Interview dargelegt:
UT24: Sehr geehrter Herr Mahlknecht, Sie haben am 23. Jänner 2016 beim Open Space in Bozen die Diskussionsrunde „Südtirols Brückenfunktion stärken“ initiiert. Warum scheint Ihnen dieses Thema für die Autonomiereform wichtig?
Südtirols größte Stärke war von alters her seine Brückenfunktion als Bindeglied zwischen dem deutschen und italienischen Wirtschaftsraum. In Bozen trafen sich Händler aus Nord und Süd zu vier Messen im Jahr. Rechtsstreitigkeiten wurden in kurzen, schnellen Verfahren vor dem Merkantilmagistrat entschieden. Daran müssen wir anknüpfen. Diesen Standortvorteil dürfen wir nicht verlieren. Im Gegenteil: wir müssen ihn ausbauen. Unser Ziel sollte es sein, die – nicht zuletzt geistige – Infrastruktur dafür bereitzustellen.
UT24: Die Zukunft der Handelskammer Bozen taucht im Protokoll mehrmals auf, wo sehen Sie konkreten Handlungsbedarf?
Momentan entspricht die Handelskammer dem normalen inländischen Muster. In Zukunft sollte sie eine stärker international ausgerichtete Rolle beim Fördern des Wirtschaftens zwischen dem deutschen und italienischen Wirtschaftsraum spielen. Außenstellen könnten etwa in München und Innsbruck errichtet werden, um diese für uns so wichtigen Märkte noch näher an uns zu binden. Sie sollte Informationen für Südtiroler am österreichischen und deutschen Markt sammeln und dort eine Anlaufstelle für Unternehmen sein, die in Südtirol und Italien geschäftlich tätig werden wollen.
UT24: Wie realistisch sehen Sie die Chance, dass das Land Kompetenzen im Bereich des Zolls an sich ziehen kann? Gibt es hierfür Vergleichbeispiele in anderen Ländern?
Dabei geht es sicher nicht um Gesetzgebung, zumal wir im Rahmen der EU-Zollunion wirtschaften. In diesem und in anderen Bereichen wäre es aber ein großer Schritt nach vorne, wenn die Verwaltung der bisher staatlichen Ämter auf das Land überginge. Nach dem Vorbild von Österreich, wo im Wege der sogenannten „mittelbaren Bundesverwaltung“ Bundesgesetze von Landesbehörden vollzogen werden. Mehr Ressourcen, mehr zweisprachiges Personal und autonome Entscheidungen in Auslegungsfragen auf Landesebene sollten das Ergebnis sein. So eine  Forderung ist durchaus realistisch und über Vergleichbares wird ja bereits seit Jahren beim Thema „Verwaltungspersonal der Gerichte“ verhandelt. Der Staat ist vor allem dann zu solchen Konzessionen bereit, wenn er damit Kosten einsparen kann.
UT24: Auch die Stärkung des Landesgerichts Bozen in der Tradition des Merkantilmagistrates wird genannt. Wie könnten konkrete Schritte in diese Richtung aussehen?
Man kann es an einer Hand abzählen: mehr Richter bedeutet schnellere Prozesse. Und schnellere Prozesse bedeuten mehr Rechtsschutz für die Bürger und machen ein Land zu einem attraktiveren Wirtschaftsstandort. Die Devise sollte deshalb lauten: Anhebung der Zahl der Richter auf österreichisches Niveau, also zumindest eine Verdoppelung. Die Mehrkosten könnten ruhig vom Land übernommen werden – es wäre eine gute Investition. Wir sollten autonom entscheiden können, wie viele zusätzliche Richterstellen wir finanzieren wollen und die Wettbewerbe nach Bedarf auf Landesebene ausschreiben. Dabei sollte die tatsächliche Beherrschung beider Amtssprachen in Wort und Schrift geprüft werden. Ein wahrer Segen wäre die Schaffung eines Sondergerichtes für deutsch-italienische Handelssachen in Anknüpfung an unseren vormaligen Merkantilmagistrat. Dazu müsste man einen Sondergerichtsstand einführen –  ein „foro speciale per il commercio italo-germanico“, der es ermöglicht, dass Unternehmen aus dem deutschen Sprachraum sich in deutscher Sprache an das Landesgericht Bozen wenden könnten. Auf diese Weise würde sich hier ein riesiger zusätzlicher Markt öffnen, von dem nicht nur Freiberufler, sondern letztendlich der gesamte Wirtschaftsstandort profitieren würde.
UT24: Thema Studientitel: Obwohl schon länger nach einer europäischen Vereinheitlichung gesterbt wird, scheint die Unsicherheit im Bezug auf Anerkennung von Studientiteln sogar zuzunehmen. Wie könnte sich Südtirol hier positionieren?
Ein gute Lösung wäre die automatische Geltung von in Österreich und Deutschland verliehenen Studientiteln und Berufszulassungen in Südtirol ohne Anerkennungsverfahren. Flankierend oder alternativ dazu sollten schnelle Anerkennungsverfahren auf Landesebene gewährleistet sein.
UT24: Zum Abschluss eine Frage zum Autonomiekonvent: Wie beurteilen Sie den bisherigen Verlauf der Veranstaltung?
Die Vielzahl an Ideen für die Zukunft ist sehr erfrischend und es nehmen überraschend viele Menschen teil. Das Ergebnis wird eine breite Liste von Vorschlägen sein, mit denen sich die Südtiroler Landespolitik in den nächsten Jahren befassen wird.
Lesen Sie außerdem:
Die gesamten Protokolle der Open Spaces sind auf der Webseite www.konvent.bz.it einsehbar.






