von kmu 15.07.2015 08:33 Uhr

Freiheitskämpfer Peter Kienesberger verstorben

Freiheitskämpfer Peter Kienesberger ist tot. Er entschlief gestern Abend im Kreis seiner Familie am 14. Juli 2015 in Ebermannstadt. Dies teilt der Südtiroler Heimatbund in einer Aussendung mit.
Foto: Unsertirol24.com/rem

Der Südtiroler Heimatbund dankt dem Verstorbenen für seinen Einsatz für ein freies Tirol und drückt der Familie sein tiefes Mitgefühl aus. Peter wird in der Geschichte des Freiheitskampfes der sechziger Jahre, aber auch im friedlichen Kampf bis heute, immer ehrenvoll zu nennen sein. Er ruhe in Frieden, so Roland Lang.

Die Kameradschaft der ehemaligen Freiheitskämpfer veröffentlichte indes einen Nachruf auf Peter Kienesberger:

Jugend und Elternhaus
Peter Kienesberger stammte aus Gmunden in Oberösterreich. Die Eltern und sein Onkel „Nesi“ Kienesberger, ein Gmundener Bergführer, waren patriotisch eingestellt. Mit der Liebe zu den Bergen hatten sie dem Jungen auch die Liebe zur Heimat vermittelt. Für die Jungmannschaft der Gmundener Alpenvereinssektion so wie auch für die Kameraden im Turnverein waren Bergsteigen und Klettern mehr als nur die Ãœbung technischer Fertigkeiten. Nach schweren Bergfahrten und kühnem Gipfelsturm erklangen in der Hütte auch die Lieder, die an das Schicksal Südtirols erinnern. Für den jungen Bergsteiger waren es prägende Gemeinschaftserlebnisse, wenn auch auf Bergfahrten in Südtirol in der Runde verschworener Freunde die Gitarre erklang und das Südtiroler Heimatlied „Wohl ist die Welt so groß und weit…“ angestimmt wurde.

Teilnahme am Südtiroler Freiheitskampf
Der hallende Protest der Herz Jesu Nacht im Juni 1961 und die Massenverhaftungen und entsetzlichen Folterungen der Südtiroler Häftlinge hatten das Leben des achtzehnjährigen Radioelektronikers Peter Kienesberger entscheidend verändert.

Der Sommer 1961 war die entscheidende Wende in Kienesbergers Leben. Er kündigte seinen Arbeitsplatz, fuhr nach Innsbruck und schloss sich dem Südtiroler Widerstand an.

Am 22. August 1961 stand der junge Bursche bereits zusammen mit dem legendären Südtiroler Schützenmajor Georg Klotz und einigen anderen Mitverschworenen bei St. Martin im Passeier im Partisaneneinsatz. Die Gruppe sprengte einen Hochspannungsmast. Dann warteten die Männer im Hinterhalt gespannt auf das Eintreffen der Polizeikräfte. Als „Rendezvouspartner“ erwarteten sie den Meraner Carabinieri-Kommandanten Capitano De Rosa, einen der gefürchtesten Folterknechte in Südtirol. Als De Rosa an der Spitze seiner Männer am Tatort eintraf, eröffneten die Freiheitskämpfer sofort das Feuer. Die Schüsse gingen über De Rosa hinweg, der mitsamt seiner schönen gebügelten Uniform unter seinem Geländewagen, der „Campagnola“, im Dreck lag. Kienesberger sollte später vor einem österreichischen Gericht erklären, dass er und seine Kameraden auf Weisung von Georg Klotz bewusst die Schüsse über die Köpfe der Carabinieri gehalten hätten. Diesmal hätte es noch eine Warnung sein sollen.

Bald folgen weitere Einsätze: Mastensprengungen im Bozner Unterland z.T. gemeinsam mit Luis Amplatz und Günther Andergassen, Sprengstofftransporte über Gletscher und Jöcher, Kommandounternehmen im Passeier und im Sarntal. Kienesberger begleitete bei verschiedenen Jagdeinsätze Georg Klotz und Luis Amplatz, dem jungen Weinbauern und Schützenleutnant aus Gries bei Bozen. Amplatz wurde 1964 im Auftrag des „Ufficio riservato“ (Abteilung für vertrauliche Angelegenheiten) des italienischen Innenministeriums durch einen Agenten ermordet. Bei diesem Mordanschlag wurde Georg Klotz schwer verletzt, konnte aber fliehen und sich retten.

Verfolgung und Haft
So wie viele seiner Kameraden musste auch Peter Kienesberger Jahre seines noch jungen Lebens in österreichischer Untersuchungs- und deutscher Auslieferungshaft zubringen. Er stand in Österreich in mehreren Südtirol-Prozessen vor Gericht und wurde jedes Mal freigesprochen, da die Geschworenen eine Notstandssituation in Südtirol annahmen, die gewaltsamen Widerstand rechtfertigte. Hingegen wurde er ob gleicher Vorwürfe in den beiden Mailänder Prozessen in Abwesenheit insgesamt zu 47 Jahren verurteilt.

Zeit seines Lebens hatte es Peter Kienesberger bedrückt und empört, dass die Italiener ihm und seinen damals Mitangeklagten Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung und Egon Kufner den Tod von vier italienischen Soldaten angelastet hatten, die angeblich auf der Porzescharte durch ein von ihm geplantes Attentat zu Tode gekommen seien.

Die drei Österreicher waren durch „Geständnisse“ belastet worden, welche die italienischen Sicherheitsbehörden von zwei verhafteten österreichischen BAS-Mitgliedern unter der Folter erpresst hatten.

Kienesberger wurde mit seinen Kameraden nun wiederum in Österreich vor Gericht gestellt und in zweiter Instanz freigesprochen. Peter Kienesberger aber hatte allein wegen des Falles Porzescharte 3 Jahre und 7 Monate unschuldig in Untersuchungshaft verbracht und bis zur Einstellung des Verfahrens 3 ½ Jahre in Deutschland im Exil gelebt.

In Italien wurde Peter Kienesberger jedoch in einem menschenrechtswidrigen Abwesenheitsverfahren, welches nach der alten und immer noch gültigen faschistischen Strafprozessordnung durchgeführt wurde, zu lebenslanger Haft verurteilt.

Verlegerische Tätigkeit
Im deutschen Exil hatte Peter Kienesberger seine liebe Frau Elke, eine Nürnbergerin, geheiratet und mit ihr in Nürnberg den Verlag und Buchhandel „Buchdienst Südtirol“ gegründet. Er führte den Kampf für die Freiheit Südtirols weiter, nun jedoch mit publizistischen Mitteln.

Er verlegte historische Dokumentationen und einen Südtirol-Jahreskalender ebenso wie die Zeitschrift „Der Tiroler“ im Namen der von ihm mitbegründeten Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer.

Er baute ein beeindruckendes Vertriebs- und Informationssystem auf, über welches er zehntausende Menschen im deutschen Sprachraum über das gedruckte Wort erreichte und noch viel mehr über das Internet. Unzählige Pressemitteilungen gelangten an hunderte von Redaktionen und fanden Widerhall.

Italienische Auslieferungsbegehren und Mordpläne
Das war den Italienern ein Dorn im Auge und so versuchten sie ab dem Jahr 1978 mit mehreren juristischen und politischen Vorstößen, von der Bundesrepublik Deutschland seine Auslieferung zu erreichen. Diese Versuche dauerten 14 Jahre lang.

Mehrfach intervenierten hohe österreichische Politiker wie der Bundeskanzler Dr. Kreisky und der Justizminister Dr. Ofner bei der deutschen Bundesregierung und wiesen auf die Menschenrechtswidrigkeit des italienischen Abwesenheitsverfahrens hin.

Die italienischen Auslieferungsbegehren scheiterten dann an dem Deutschen Bundesgerichtshofes, dem Bundesverfassungsgericht und an Beschlüssen des Oberlandesgerichts Nürnberg. Für den Betroffenen war es jedoch ein Gang durch die Hölle gewesen, der insgesamt 14 Jahre gedauert hatte. Ein ganzes Jahr hatte Peter Kienesberger auch in Auslieferungshaft gesessen.

Es gab mehrere Entführungs- und Mordpläne des italienischen Geheimdienstes gegen Peter Kienesberger mit bereits konkreten Vorbereitungen, die aber nicht zur Durchführung kamen, weil sie vorzeitig enthüllt wurden.

Späte Genugtuung
Zu Lebzeiten hatte Peter Kienesberger noch erleben dürfen, dass der österreichische Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner anhand bislang geheimer österreichischer Akten und anhand eigener Untersuchungen schlüssig bewiesen hat, dass der sogenannte „Tatort“ auf der Porzescharte offenbar manipuliert worden war und dass Kienesberger und seine damals Mitangeklagten Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung und Egon Kufner an dem Geschehen auf der Porzescharte nicht beteiligt gewesen sein konnten.

Damit wurde die Berechtigung des damaligen Freispruchs unterstrichen.

Glücklich im Kreise der Südtiroler Freunde
Peter Kienesberger war es verwehrt, das von ihm geliebte Südtirol besuchen zu können. So freute es ihn jedes Mal, wenn er ehemalige Südtiroler Mitkämpfer und Freunde aus dem Kreis der Schützen in Nordtirol oder Nürnberg treffen konnte. Und wenn Freunde in Not geraten waren, hatte Peter Kienesberger sich stets als treuer Freund erwiesen. Mit den Ultner Schützen hat ihn und seine Familie eine enge Freundschaft verbunden.

Der Nachruf der ehemaligen Freiheitskämpfer endet mit einer persönlichen Note:

Wir alle müssen nun Abschied nehmen von einem guten, tapferen Freund und Mitstreiter im Kampf um das Recht.

Lieber Peter, Du hast ein Leben lang für Deine Überzeugung und für das Gute gekämpft, ruhe in Frieden!

Unser Mitgefühl gilt vor allem seiner Frau Elke, der Tochter Gudrun und allen Familienangehörigen.

Univ.-Prof. Dr. Erhard Hartung

im Namen der Kameradschaft der ehemaligen Freiheitskämpfer und der persönlichen Freunde und Mitstreiter

 

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