
Rupert Gietl
RAI Südtirol: Zum reihern?

Die Tagung unter dem Titel “Autonomie und Selbstbestimmung in Europa und im internationalen Vergleich” bot zahlreichen Experten aus Europa und auch Übersee die Gelegenheit, zu den aktuellen Brennpunkten in Europa Stellung zu nehmen.
Wolfgang Niederhofer hat die Veranstaltung besucht und läßt in seinem ausführlichen Bericht sowohl die Vertreter der traditionellen, einschränkenden Auffassung zur Selbstbestimmung, als auch neue und innovative Stimmen zu Wort kommen.
Territoriale Integrität gilt nur nach außen
Besonders Prof. Daniel Turp – Universität Montréal, brachte bei uns bislang wenig bekannte Argumente ein:
Der internationale Gerichtshof habe bestätigt, dass das Prinzip der territorialen Intergrität von Staaten die internationale Ebene betreffe, vor allem um zwischenstaatliche Konflikte zu vermeiden, es greife jedoch nicht bei Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb von Staaten.
Diese Tatsache wurde auch von dem Vertreter einer eher restriktiven Interpretation des Selbstbestimmungsrechtes, Prof. Hans-Joachim Heintze – Universität Bochum bestätigt.
Katalonien: Die spanische Verfassung wird sich anpassen
Ein weiterer interessanter Redner, Prof. Xabier Arzoz – Universität des Baskenlandes und Mitglied des spanischen Verfassungsgerichtshofes, nahm zur Situation auf der iberischen Halbinsel Stellung. Er räumte ein, dass der rechtliche Rahmen, den eine Verfassung gibt, durch Prozesse wie sie gerade in Katalonien passieren, verändert werden kann und werden muss, damit aus lebendigem nicht totes Recht wird.
In der Reihe der Referate scheint dagegen der Pflichtbeitrag zur Autonomie Südtirols, vorgetragen von Christoph Perathoner, über die Wiederholung von Allgemeinplätzen nicht hinausgekommen zu sein.
Neue Ansichten aus Québec
Vor allem Prof. Turp scheint eine der zentralen Figuren der Veranstaltung gewesen zu sein, so meldete er sich auch bei der abschließenden Podiumsdiskussion zu Wort und widerlegte die Aussage von Alessandro Urzì, wonach die Unteilbarkeit des italienischen Staates die Selbstbestimmung unmöglich mache.
Tagesschau: Nur die halbe Wahrheit
Am 15.01.2014 wird der betreffende Bericht in der Tagesschau von RAI Südtirol jedoch mit folgenden Worten eingeleitet:
„Schottland und Katalonien sind zwei Beispiele für große Regionen, in denen es Bestrebungen gab und gibt, eigene Staaten zu bilden, also neue Grenzen zu ziehen. Aber die Staatengemeinschaft zeigt daran wenig Interesse. Mehr Akzeptanz findet international das Modell des Autonomie. Das war auf einer Tagung von Völkerrechtsexperten in Innsbruck zu erfahren.“
Darauf folgen lediglich Intwerviews mit zwei Teilnehmern, die in ihrer Interpretation das Selbstbestimmungsrecht nur eingeschränkt gelten lassen wollen. Letzterer, Prof. Peter Hilpold (Uni Innsbruck), war auch Moderator und Organisator der gesamten Veranstaltung. Es wäre besonders seine Aufgabe gewesen, allen Positionen, die auf der Tagung vertreten wurden, eine Stimme zu geben.
„Öffentlicher Rundfunk“ den Namen muss man sich verdienen
So bleibt nach dem Genuss der Tagesschau ein schaler Nachgeschmack.
Wie ein öffentlicher Rundfunksender eigentlich zu agieren hätte, kann man leicht im Brockhaus nachlesen:
„Er muss frei von staatlichem Einfluss sein, er darf nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werden, in ihm muss die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungen in größt möglicher Breite zu Wort kommen.“
(„Rundfunk“ Brockhaus Bd. 18, 1996, S634.)
Hier hat RAI-Südtirol wohl noch einiges zu lernen…
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