Florian Stumfall

06.09.2024

Vielfalt per Gleichschaltung

Wollte man mit einem einzigen Wort ausdrücken, was die Regenbogenfahne bedeutet, so böte sich am ehesten der Begriff der Vielfalt an. Und da sie den öffentlichen Raum bis zu den Zinnen des Reichstags zu Berlin erobert hat, scheint es für die Bürger angemessen und ratsam zu prüfen, welchem Geist Gefolgschaft zu leisten sie auf diese Weise angehalten werden. Denn Fahnen bedeuten Programme in ihrer kürzesten Form und gleichzeitig in einer spirituellen Überhöhung, die Kritik oder gar Abkehr als Frevel erscheinen lässt.

Deutschland wohin? Erstmals wehte heuer die Regenbogenfahne als Bekenntnis zu Vielfalt und Diversität am „Christopher Street Day“ auf dem Reichstagsgebäude in Berlin. Die Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL) sprachen von einem „starken Signal“ (Symbolbild: von Boris Štromar auf Pixabay).

Die Regenbogenfahne als Symbol der sexuellen und kulturellen Vielfalt

Bemüht man sich dennoch um eine einigermaßen sachliche Betrachtung, so zeigt sich eine lange Reihe von Personen, Eigenheiten, Ansichten, Abnormitäten und Theorien, die sich unter dem Schutze des Regenbogens versammeln. Diese teilen sich – grob gesehen – zum einen in eine sexuelle Vielfalt auf. Weit vorne erscheint das Kürzel LGBTQ, und auch der unbefangene Betrachter hat inzwischen gelernt, dass es sich hier um die Abkürzung für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender und Queer handelt, also sexuelle Verhaltensweisen oder Befindlichkeiten, die ihrerseits teilweise einer Erklärung bedürfen angesichts der Seltenheit ihrer Verbreitung, wenn auch nicht ihres öffentlichen Auftretens.
Als zweite Art der Vielfalt wird die ethnische und kulturelle gehandelt. Also Menschen, die fernen Weltgegenden entstammen und somit fremde Gewohnheiten, Überzeugungen sowie ethische und rechtliche Vorstellungen mitbringen. Sie als Bereicherung der europäischen Traditionen zu bezeichnen, gehört zu den Grundaussagen der grün-sozialistischen Sozial-Konstrukteure, welche die rechtfertigende Theorie für eine Politik der unbeschränkten Einwanderung darstellen.

Vielfalt und ihre Grenzen: Die fehlende Meinungsfreiheit

Dies sind die beiden Schwerpunkte einer Traumseligkeit von Farbenpracht und Vielfalt, die alles einschließt, was einen Kontrast zur bürgerlichen Welt darstellt. Doch stößt auch der Glaubenssatz von der Vielfalt an seine Grenze. Diese verläuft dort, wo es jemandem einfiele, gegen diese Ideologie zu sprechen. Denn von einer Vielfalt der Meinungen und Überzeugungen und dem daraus folgenden Recht der freien Rede war nirgends die Rede. Hier schreitet im Gegenteil sehr bald der Staat mit seinen Machtmitteln ein und stellt die Strafbarkeit abweichender Rede fest. Ja, er wird sogar schon tätig ausdrücklich „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“, wie Innenministerin Nancy Faeser erklärt.
Wer Bedenken hinsichtlich der Zahl der Zuwanderer äußert, gilt als Ausländerfeind, wer den Christopher Street Day als peinlich empfindet, entlarvt sich als homophob, und wer das Wort „Ausländerkriminalität“ auch nur in den Mund nimmt, zeigt blanken Rassismus. Vielfalt der Meinungen? Nicht hier!

Der wahre Zweck hinter dem Ruf nach Vielfalt: Kollektivismus statt Individualismus

Diese auffällige Einschränkung aber eines von der grünen linken Avantgarde anderswo als sakrosankt behandelten Prinzips offenbart dessen eigentlichen Zweck. Mit dem Ruf nach Vielfalt sammeln die grün-roten Strategen möglichst viele Elemente, die letztlich nur eines gemeinsam haben: dass sie einen Gegenentwurf zur bürgerlichen Welt darstellen. Diese nämlich soll getilgt werden. Dazu versucht man, Angehörige verschiedenster Minderheiten mit ungerechtfertigten Sonderrechten auszustatten. Ungerechtfertigt, weil nicht einzusehen ist, warum jemand beispielsweise allein wegen seiner abweichenden sexuellen Gewohnheiten Ansprüche an die Gesellschaft sollte stellen dürfen. Doch die Strategen rufen danach, und die große Zahl ihrer naiven Mitläufer glaubt es.
Der Ruf nach Vielfalt ist unredlich, weil er dazu dient, die Mehrheitsgesellschaft, ihre Traditionen und Überzeugungen zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Käme es nämlich so weit, dann würde sehr schnell klar, dass der Ruf nach Vielfalt nichts anderes ist als die Umkehrung der Begriffe, wie sie George Orwell in seinem täglich immer aktueller werdenden Buch „1984“ so unnachahmlich geschildert hat: Wahrheit ist Lüge, Friede ist Krieg und hier: Vielfalt ist Gleichschaltung. Und das ist keineswegs nur politische Theorie. Denn hierin liegt ein wichtiger Grund dafür, dass landesweit Meldestellen eingerichtet werden, die dazu dienen, Leute, die im Sinne der Ideologie aus dem Ruder laufen, erkennen und zur Ordnung rufen zu können – mit welchen Mitteln auch immer. Denn ohne Denunziantentum keine Gleichschaltung.

Vielfalt im bürgerlichen Leben: Individualität statt Kollektivismus

Zudem ist der Ruf nach Vielfalt auch deswegen unredlich, weil er unterstellt, es gäbe sie im bürgerlichen Leben nicht. Tatsächlich aber wirkt die Vielfalt nicht nur in der Fülle eines Volkes, sondern bis hin in jedes Dorf und in jede Familie. Sie besteht nämlich in der Einmaligkeit einer jeden Person, die sich dafür nicht durch Hautfarbe, Religion oder Herkommen ausweisen muss. Hierin beruht die empirische Sicht vom Menschen, dass sich jeder vom anderen in vieler Weise unterscheidet. Jeder hat andere Neigungen, Begabungen und Vorzüge, und die vielfache Kombination dieser und zahlloser weiterer Eigenschaften ergibt einen unübersehbaren Reichtum an Persönlichkeiten. Die christliche Lehre beschreibt jeden Einzelnen darüber hinaus als Träger von Recht und Wert und Würde.
Hier offenbart sich der Unterschied zwischen dem persönlichen und dem kollektiven Menschenbild. Hier steht die Sicht von den verschiedenartigen Einzelnen gegen die kollektivistische Betrachtung des Menschen, der dort nur als funktionaler Bestandteil eines Systems verstanden wird und sich als solcher unterzuordnen hat. Diese kollektivistische Sicht des Menschen ist allen autoritären und totalitären Ordnungen gemeinsam. Also ist es geboten, Aufmerksamkeit walten zu lassen. Denn das Menschenbild ist das Alpha und das Omega einer jeden politischen Kraft. Hier entscheidet sich die ewige Frage: Geht es um das Recht des Einzelnen oder um Kollektivismus?
Zudem mahnt zur Vorsicht, dass sich die Propheten der Vielfalt unredlicher Mittel bedienen. Gäbe es bei ihnen keinen Gegensatz zwischen den Mitteln ihrer Politik – in unserem Beispiel dem Ruf nach Vielfalt – und ihrem Endzweck – der Gleichschaltung der Menschen –, dann wären solche Winkelzüge nicht vonnöten.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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