Günther Rauch

03.10.2019

Streit um „Willkommenstortellino“

Der kürzlich von der Erzdiözese Bologna unter ihrem Bischof Matteo Maria Zuppi gefasste Beschluss, die nach alter Tradition für die Patronatsfeier hergestellten Bologneser Tortellini nicht mehr mit Schweine-, sondern mit Hühnerfleisch füllen zu lassen, hat in der einstigen kathokommunistischen Hochburg Italiens einen wilden und nie dagewesenen Streit ausgelöst.

Symbolbild

Die Kirchenführung von Bologna scheint ihren Schritt gut überlegt zu haben. In bester Gutmenschenmanier wollte sie in Richtung der islamischen Migranten neue Zeichen setzen. Darum beschloss man bei den in der Hauptstadt der Emilia-Romagna geplanten Feierlichkeiten zu Ehren des Schutzpatrons, des heiligen Petronius, die nach der Festmesse auf den Banketten der Piazza Maggiore und in den Pensionaten und Armenhäusern nach altem Brauch in der Fleischsuppe servierten, ringförmigen Teigwaren nicht mehr mit Schweinefleisch, sondern mit Hühnerfleisch zu füllen.

Offen gesagt nichts Schlechtes, wenn das für etwas gut ist. Doch dem ist nicht so und darum scheint bei Asteria und Perses, öffne dich, Himmel, das Unheil über Nacht in die alte Universitätsstadt hereingebrochen zu sein.

Unter den ersten die sich von diesem nutzlosen Zinnober distanzierten, waren Teile der Bruderschaft „Confraternita del Tortellino“ und der Ex-Bischof von Bologna, Ernesto Vecchio. Letzterer sah in der Rezepturänderung eine Abkehr von emilianischen Traditionen. Mit anderen Worten: Er lehnt es ab, dass die römisch-katholische Kirche nach den Regeln des Islams jetzt auch noch das Essen ändert. Von „sottomissione ai musulmani“ („Unterwerfung unter die Muslime“) und „cancellazione dei nostri valori e della nostra storia“ (“Auslöschung unserer Werte und Geschichte“) ist die Rede.

Der von Bischof Zuppi und seinen Einsagern erfundene „tortellino dell’accoglienza“ („Willkommenstortellino“) kippte genau ins Gegenteil einer vernünftigen Willkommenskultur. Das hat auch seine Gründe. Die Italiener haben eine sehr starke Beziehung zum Essen und eine äußerst genaue Vorstellung davon, was getan werden kann und was nicht. Die famosen „Tortellini della nonna“ („die Tortellini der Großmutter“) im Namen der Islamophobie mit Hennenfleisch zu füllen, ist das gleiche als würde man Meeresfrüchte mit Käse bestreuen oder Wein ohne Trauben erzeugen. In Italien ist dies mit einem Hochverrat vergleichbar.
Bologna ist das kulinarische Ursprungsland der Tortellini. Bereits der italienische Dichterfürst des 17. Jahrhunderts und Mitglied der Accademaia della Crusca, Alessandro Tassoni, schreibt in seinem heroisch-komischen Verseepos „La secchia rapita“ von den ungefälschten Trotellini.

Die Zubereitungsart der mit bestem Schweinefleisch gefüllten Bologneser Spezialität ist seit 1974 von der örtlichen Handelskammer und von der Europäischen Union mit der geograhpischen Herkunftsbezeichnung geschützt worden.

Mit dem Tortellini-Streit kamen alte Diskussionen und Vorwürfe auf. In den italienischen elektronischen Medien und berlusconi- und legafreundlichen Boulevardzeitungen mangelt es nicht an Erinnerungen über die gescheiterten Versuche linkslinker Lehrpersonen die Weihnachtskrippen zu verbieten und den katholischen Religionsunterricht einzuschränken. Mit der Conte-Regierung Nummer Eins traten die selbsternannten Heilsbringer leiser. Das änderte sich blitzartig mit der Conte-Regierung Nummer Zwei.

Steueranhebungen und Misswirtschaft sind vorprogrammiert. Zugleich werden alte Bestrebungen und Indoktrination wieder zum Blühen gebracht. Bildungsminister Lorenzo Fioramonti von der „Cinque Stelle 5-Bewegung“ fühlt sich nach der Instrumentalisierung und Förderung der Schülerstreiks zu Höherem berufen: unter dem Vorwand der Vielfalt linke Einfalt zu verwirklichen. In seinem linksradikal angehauchten Rausch schlug Fioramonti nun grundsätzlich die Entfernung des Kruzifixes aus den Klassenzimmern der Schulen vor. Die bei den letzten Parlamentswahlen mit den mehr oder weniger aus dem neokommunistischen Lager stammenden und jetzt in der Conte-Regierung sitzenden Genossen der Liste „Liberi e Uguali“ kandidierenden Südtiroler Grünen/Verdi waren ihm in dieser Dummheit lange vorausgeschritten.
Diese intoleranten Damen und Herren haben nichts, schon gar nichts dazugelernt. Ihre Politik ist Wasser auf die Mühlen der politischen Opposition in Italien. Das zeigen alle Umfragewerte. Mit 30 Prozent der Wählerstimmen steht Matteo Salvinis Lega-Bewegung weiterhin an der Spitze der italienischen Wählergunst. Wer geglaubt hatte mit Fake-News, Faschismus- und Rassismusvorwürfen den früheren Exponenten des „Movimento dei comunisti padani“ (sein Lehrmeister Umberto Bossi war Mitglied der eurokommunistischen Partei PCI und der frühere Innenminister Roberto Maroni Mitglied der erzkommunistischen Democrazia Proletaria) kleinzukriegen, irrt gewaltig und kennt die Italiener nicht.

Denn wer in der Sommerhitze vom „Hassprediger mit Rosenkranz“ spricht oder sich gerne rühmt links von Matteo Renzi zu stehen, der ignoriert, dass zugleich die Umfragewerte der nicht ungern zum nostalgischen Duce-Faschismus tendierenden souveränistischen Partei „Fratelli d’Italia“ von Giorgia Meloni bemerkenswert ansteigen. Einer ihrer kühnsten Anhänger sitzt im Südtiroler Landtag.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, allenfalls kann man Parallelen finden. Aber das genügt, um alle, die auf dem linken Auge blind sind, davor zu warnen die politischen Entwicklungen in Italien und ganz Europa mit althergebrachten und aufgewärmten Ideologien zu verfolgen. Da kann manches arg trüben und schief gehen. Denn bürgerkriegsähnliche Situationen, mit denen uns die Rechts- und Linksradikalen (deren Geschichte noch nicht aufgearbeitet ist) in den 70/80er Jahre auch in Trient und Bozen beschert haben, sei jedem Südtiroler nur gewünscht, dass sie ihm gestohlen bleiben.

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