Lukas Steinwandter

06.09.2020

Man redet über Meinungsfreiheit – oder man hat sie

Die Meinungsfreiheit steht unter massivem Beschuss. Unter dem Deckmantel von Toleranz oder Demokratie sollen unliebsame Meinungen beschnitten werden. Warum man dagegen vorgehen und die Meinungsfreiheit hochhalten muss.

Symbolbild

Dieser Text stammt aus der Zukunft, denn der Verfasser lebt in Berlin. Und Berlin ist nicht nur jene Stadt, in der Polizisten beweisen müssen, dass sie nicht aus rassistischen Motiven gehandelt haben, nachdem sie jemanden dunklerer Hautfarbe kontrollierten. Das nennt sich dann „Landes-Antidiskriminierungsgesetz“ und auf die Idee für diesen in Gesetzesform gegossenen Irrsinn kam natürlich die rot-rot-grüne Regierungskoalition. Berlin ist nicht nur die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland – von manchen auch Reichshauptslum oder Bundeskloake genannt –, Berlin ist auch jene Stadt, in der sich bedenkliche Entwicklungen bereits heute bestaunen lassen, die vielleicht in naher Zukunft im ganzen Land eintreten.

Die AfD, die größte Oppositionspartei im Bundestag, kann ihren verpflichtenden Landesparteitag in Berlin seit Monaten nicht abhalten, weil sie keine Räumlichkeiten dafür findet. Dies liegt nicht daran, dass es in der fast vier Millionen Einwohner großen Stadt keinen Saal für 400 Personen gäbe, sondern daran, dass ihr niemand einen solchen Saal vermieten will. Eine lautstarke, linksradikale Minderheit bedroht potenzielle Vermieter, die halten diesem Druck nicht stand, was verständlich ist, da Gruppen wie die „Antifa“ auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Die Linksradikalen handeln nach dem Motto: Die AfD ist faschistisch und Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Die Meinungsfreiheit steht unter massivem Beschuss. Das empfindet mittlerweile ein Großteil der Deutschen so. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa vom Juli ergab, dass sich fast jeder zweite Deutsche in seiner freien Meinungsäußerung beschnitten fühlt. Dies deckt sich mit einer Reihe weiterer Umfragen. Und selbst zahlreiche Hochschullehrer beklagen eine zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit im Berufsalltag.

Ich bin ja für Meinungsfreiheit, aber …

In der Onlineausgabe der Wochenzeitung Die Zeit, dem Hausblatt der grün wählenden Lehrer, warnte ein Autor jüngst vor der Meinungsfreiheit, denn die bedrohe ja schließlich die Demokratie. Wie er zu diesem, nun ja, merkwürdigen Befund kam? Während einer Twitter-Debatte sei ihm aufgefallen, dass es tatsächlich Menschen gebe, die im Zusammenhang mit US-Präsident Donald Trump – oh, Schreck! – „beide Seiten“ hören wollen. Doch dies, so der Haltungsautor, gefährde den Fortbestand der westlichen Welt.

In den fünf Jahren, in denen ich nun mittlerweile in Berlin als Journalist tätig bin, habe ich ein gewisses Gespür entwickelt für Äußerungen und Forderungen, die unter dem Deckmantel von Toleranz oder Demokratie unliebsame Meinungen beschneiden wollen. Auch in Südtirol fiel mir das vor einigen Wochen beim Lesen eines Artikels auf dem Online-Magazin Salto auf, dem digitalen Treffpunkt jener, die sich für progressiv halten und dem tumben Südtiroler vom Lande sagen wollen, wie es richtig läuft. Eben dort schrieb Alexandra Kienzl, meines Wissens nach eine Lehrerin (wie passend), einen Artikel nach dem Motto: Ich bin ja für Meinungsfreiheit, aber …

Die Autorin beschwerte sich über den öffentlich-rechtlichen Sender Rai, weil dieser einen „Corona-Leugner seine fahrlässige Botschaften“ loswerden ließ. Nun, zum einen lässt sich mittlerweile feststellen, dass die Corona-Pandemie Gott sei Dank doch nicht so schlimm ausfiel, wie zunächst befürchtet. Manche Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie hätten also deutlich schwächer angeordnet werden können, wodurch die wirtschaftlichen Folgen milder ausgefallen wären.

Kienzl argumentiert ähnlich wie der Zeit-Mann. Die aus ihrer Sicht falschen Meinungen sollten gar nicht erst vor breiterem Publikum kundgetan werden. Doch das ist fahrlässig und bewirkt am Ende genau das Gegenteil. Die „Querdenken“-Anhänger, die vergangenes Wochenende in Berlin zu Zehntausenden auf die Straße gingen, wären nicht so zahlreich, hätten sie nicht das Gefühl, mit ihren Ängsten und Sorgen alleingelassen und nicht gehört zu werden.

Hätten deutsche Leitmedien beim Thema Asyl und Einwanderung nicht über Jahre hinweg sehr einseitig berichtet, wäre heute einiges anders in Deutschland. Manche der sogenannten alternativen Medien wäre nicht entstanden oder hätten nicht den Zulauf, den sie mittlerweile haben. Und die nun so gehasste AfD wäre ohne Merkels Grenzöffnung von 2015 und dem damit einhergehenden Kontrollverlust höchstwahrscheinlich in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

„Ohne Meinungsfreiheit ist die ganze Freiheit nichts“

Auf Twitter gibt es einige Südtiroler, die bereits erste Anwandlungen zeigen, die ich sonst nur von deutschen Linken kenne. Der Direktor des Naturkundemuseums Bozen, David Gruber, benutzt den Begriff PoC, Person/People of Color, der sonst eigentlich nur von Schwarzenaktivisten, Linksradikalen oder Personen verwendet wird, die „kritisches Weißsein“ ganz toll finden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich darf Gruber den Begriff verwenden, nur ist er einer der ersten, der sich über den Namen „Negerhütte“ aufregt oder der noch nicht einmal darüber diskutieren will, wenn ein Schweizer Süßigkeitenhersteller mutig weiterhin seine Mohrenköpfe Mohrenköpfe nennt, geschweige denn diesen Schritt lobt.

Ein anonymer Twitter-Nutzer schrieb einmal: „Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit.“ Der Nutzer wurde einige Zeit später gesperrt. „Die Freiheit ist die Basis von allem, und ohne Meinungsfreiheit ist die ganze Freiheit nichts“, sagte vor kurzem der Schweizer Publizist Frank A. Meyer, der, obwohl ein Linker, beständig gegen diese Verengung des Meinungskorridors anschreibt, der Neuen Zürcher Zeitung. Natürlich gilt er in manchen Kreisen heute als Rechter.

Vor wenigen Tagen starteten zwei Publizisten einen „Appell für freie Debattenräume“. Sie beklagen darin die „Cancel Kultur“, ein neuerdings immer öfter auftretendes Phänomen, bei dem unliebsame Personen systematisch boykottiert oder in Debatten nicht mehr eingeladen oder gehört werden mit dem Ziel, sie aus dem öffentlichen Leben zu annullieren. Zu den Erstunterzeichnern der Petition gehören bekannte Publizisten, Journalisten und Wissenschaftler.

Was tun, wenn man den Job wegen seiner Meinung verliert?

„Wir fordern sämtliche Veranstalter, Multiplikatoren oder Plattformbetreiber auf, dem Druck auf sie standzuhalten und nicht die Lautstarken darüber entscheiden zu lassen, ob eine Veranstaltung stattfindet oder nicht“, heißt es in dem Appell. „Wir solidarisieren uns mit den Ausgeladenen, Zensierten, Stummgeschalteten oder unsichtbar Gewordenen.“ Es ginge nicht darum, deren Aussagen zu teilen, sondern sie zu hören, um sich selbst eine Meinung bilden zu können. Außerdem fordert der Appell, das „unselige Phänomen der Kontaktschuld“ zu beenden.

Manche werden jetzt einwenden, um die Meinungsfreiheit könne es gar nicht so schlecht bestellt sein, wenn man sich die vielen Facebook-Kommentare anschaut, in denen Politiker, Journalisten oder Künstler beleidigt werden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Äußerungen, die strafrechtlich relevant sind, können bei der Polizei angezeigt werden. Doch was tut jemand, der seinen Job verliert, weil er eine vermeintlich falsche Meinung hat? Der sozial isoliert wird, weil er die vermeintlich falsche Partei wählt oder angeblich hetzerische Zeitungen liest?

Vielleicht kommt es in Südtirol nicht ganz so schlimm. Wo jeder jeden kennt, ist es schwieriger, jemanden zu ignorieren oder ihn als „Nazi“ oder „Verschwörungstheoretiker“ zu diffamieren. Es gilt, die Meinungsfreiheit und die Meinungsäußerungsfreiheit hoch zu halten. Debatten mit allen relevanten Positionen zu führen. Auch unliebsame Meinungen, die es schließlich auf allen Seiten gibt, auszuhalten. Das mag zwar manchmal anstrengend sein, doch das Ergebnis lohnt sich und bewahrt vor weit Schlimmerem.

Lukas Steinwandter, Jg. 1990, der Journalist aus dem Hochpustertal arbeitet als Redakteur bei der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit.

 

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  1. Pierpauls
    23.09.2020

    Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Leider wird sie heutzutage immer mehr eingeschränkt. Wer nicht auf der Welle der Mainstreammedien schwimmt, der wird geächtet, denunziert und bedroht. Da helfen keine von vielen Wissenschaftlern überprüften Argumente. Anstatt sich damit in Fairniss damit auseinander zu setzen, wird einfach die Person diffamiert. Immer werden diese unbewiesenen Gegenargumente von Personen vorgebracht, die offenkundig korrumpiert die Interessen von weltweiten Konzernen vertreten.

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