Florian Stumfall

31.10.2024

Kontraproduktive Hilfe

Sobald von Entwicklungshilfe die Rede ist, bezieht sich dieser Gegenstand im Wesentlichen auf Afrika südlich der Sahara. Axelle Kabou aus Kamerun, eine Mitarbeiterin des Entwicklungsprogramms der UN, schreibt: „Afrika ist der einzige Teil der Dritten Welt, den man noch als ‚schwach industrialisiert und nur Rohstoffe produzierend‘ definieren muss.“ Hier entsteht der große Migrationsdruck auf Europa, der ein unbestreitbarer Beleg für das Versagen der Entwicklungspolitik ist.

Zynisches Spiel mit dem Hunger: Bilder von hungernden Kindern sind für die Mächtigen Afrikas bares Geld wert, weil dann Millionenhilfen aus den Industrienationen fließen. Bei den Kindern kommen aber höchstens ein paar Reiskörner an (Bild: PAZ).

Hätte die Entwicklungshilfepolitik etwas bewirkt, so dürfte es heute den Ansturm aus Afrika nicht geben. Man hat in vielen Jahrzehnten die Ursachen für die Migration nicht beseitigt. Viele Milliarden haben nicht verhindern können, dass die meisten Staaten der Subsahara seit ihrer Entlassung aus der kolonialen Abhängigkeit an Wohlstand und Lebenskraft eingebüßt haben. Um nur ein markantes Beispiel zu nennen, das Botschafter Volker Seitz nennt, 17 Jahre lang auf Posten in verschiedenen afrikanischen Ländern: „Ghana wurde anno 1957 unabhängig. Damals war das Pro-Kopf-Einkommen so hoch wie in Spanien. Heute lebt mehr als die Hälfte der Ghanaer in Armut.“ Und weiter: „Die Entwicklungsgelder haben weder für mehr Wachstum gesorgt, also indirekt den Lebensstandard aller angehoben, noch das Los der Armen gebessert. Sie haben es eher verschlechtert. Der Abstand zwischen Superreichen und Bettelarmen wird immer größer.“

Helferindustrie und Abhängigkeit

Der kenianische Nationalökonom James Shikwati sagt: „Wenn das Steuergeld eines anderen ein Projekt finanziert, verspüren die Menschen an Ort und Stelle keine Verantwortung dafür. Es fehlt dann der Wille zu säen. Deshalb scheitern so viele Entwicklungshilfeprojekte. Wer Afrika helfen will, darf den Afrikanern nicht sagen, wie man an sein Geld kommt.“
Dieser Zusammenhang wird schon beim kleinsten Beispiel offenbar. Man hört in Europa von Hunger in Afrika und schickt Lebensmittelgüter. Damit hilft man einer gewissen Anzahl von Menschen für eine geraume Zeit, ruiniert aber auf Dauer die Bauern der Region, die mit Gratisimporten nicht konkurrieren können, und sehr bald als Bettler das Proletariat in den Elendsvierteln der Großstädte vermehren.
Die gegenwärtige Politik treibt die sonderbarsten Blüten. Viele Länder machen es wie die Demokratische Republik Kongo, deren Regierung für Titel wie Bildung, Sozialpolitik oder Gesundheitswesen gar keine Haushaltsposten ausweist. Die unausgesprochene Begründung: Anliegen von solch nebensächlichem Charakter finanzieren ohnehin die Europäer, also kann man eigene Anstrengungen unterlassen. „Die Hilfe untergräbt die Entwicklung eines kompetenten, unbestechlichen und den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparates“, so der ugandische Journalist Andrew Mwenda.
Kabou, die Ökonomin aus Kamerun, sagt dazu: „30 Jahre Betreuung und Finanzierung durch das Ausland, 30 Jahre Unterschlagung und Hinterziehung haben anscheinend die afrikanische Bourgeoisie davon überzeugt, dass ihr Geld nicht zur Entwicklung ihres Kontinents beitragen kann: Diese Rolle fällt von jeher den ehemaligen Kolonialmächten zu.“

Profite und Machtspiele

Tatkräftig zum Erhalt eines elenden Afrika trägt auch die kopfstarke Gilde der Helfer bei. Allein in Deutschland übt sich ein halbes Dutzend staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen darin, rund sechs Milliarden Euro in die Entwicklungsländer zu streuen, wobei die bestens honorierten reisenden Mitarbeiter von der Unübersichtlichkeit und dem Misserfolg ihres Treibens üppig leben.
Noch einmal Botschafter Seitz: „In über 50 Jahren sind rund zwei Billionen US-Dollar Entwicklungshilfe auf den afrikanischen Kontinent geflossen. Trotzdem werden die Minimalziele nicht einmal annähernd erreicht. Die internationale Hilfsindustrie ist personell und finanziell gigantisch. Viele meiner Kollegen und ich haben aus eigener Anschauung den Eindruck: In manchen Staaten gibt es mehr Hilfsorganisationen als Firmen.“
Was Afrika und die Entwicklungshilfe angeht, ist zumindest eines sicher: Diese mag fallweise von ehrlichem Willen gelenkt sein, kluge Analyse und klare Strategie sind es jedenfalls nicht. Vielmehr webt hier eine überaus seltsame Mischung von schlechtem Gewissen, das eine selbstgefällige Moralität mit ins Spiel bringt, und dem unbekümmerten Erwerbssinn vieler, die an der Entwicklungsindustrie beteiligt sind und daran verdienen.
Diese Haltung auf der Seite der Geber findet ihre Entsprechung bei den politischen Spitzen der Empfänger. Hier hat längst die Erkenntnis Platz gegriffen, dass Armut in dem Sinne einträglich ist, dass sie die Europäer zum Spenden bewegt – je elender, umso mehr. Bilder von hungernden Kindern sind bares Geld wert – dies ist der Zynismus der Mächtigen.

Fallbeispiel Südafrika und das Dilemma der deutschen Entwicklungspolitik

Auch das prominente Beispiel Südafrika bietet ein typisches Bild. Hier wurde anno 1994 die weiße Herrschaft abgelöst, allerdings nicht von einer Demokratie im europäischen Sinn, sondern von einer Einparteienherrschaft, respektive „Regierung der nationalen Einheit“, wie sie in Afrika beliebt und üblich ist. Der demokratische Anspruch wurde verfehlt.
Und der wirtschaftliche? Die Universität Leipzig hat sich mit dem Fall beschäftigt: „Südafrikas Wirtschaftskraft schrumpft, Firmen gehen pleite, die Bevölkerung leidet. Grund dafür sind massive und großflächige Stromausfälle, die seit Jahren zunehmen. In der Rangliste der wirtschaftsstärksten Staaten Afrikas belegt Südafrika nur noch Platz 3, hinter Nigeria und Äthiopien.“
Die deutsche Politik steht vor einem klassischen Zielkonflikt. Einerseits bemüht man sich, afrikanischen Ländern zu mehr technischer und wirtschaftlicher Entwicklung und den Afrikanern zu einem besseren Leben zu verhelfen. Andererseits lockt man Fachkräfte nach Deutschland. Man entzieht den afrikanischen Ländern genau die Menschen, die dringend notwendig und als einzige geeignet wären, das Ziel der Entwicklungspolitik zu erreichen.
Doch das einzige, was den Entwicklungspolitikern einfällt, ist deren Forderung, dem schlechten Geld gutes nachzuwerfen.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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  1. Karpi
    01.11.2024

    Ein Beitrag mit sehr großen Wahrheitsgehalt an Fakten. Was fehlt ist ein Ansatz das Problem zu lösen. Hier bedarf es einer FEHLERANALYSE der 75 jährigen EZA-Arbeit. Weder die Politik, die EZA-NGO´s noch die Medien scheinen grundlegendes anzubieten.
    Mit jährlich Milliarden wird herumgewurstelt, viele schneiden sich vom Förder- und Spendenkuchen genügend für das eigene überleben ab. Das ursprüngliche Ziel der EZA – „Hilfe zur Selbsthilfe“ – wurde vergessen. Wer hat noch ein Interesse an einem Neustart.
    Gerhard Karpiniec
    Münchendorf

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