Ein Blog von

Georg Dekas

23.07.2018

Kernfrage Doppelpass

Etwas mehr als eine Herzensangelegenheit.

APA (AFP)

Die türkis-blaue Regierung in Wien bemüht sich darum, dass Südtiroler deutscher oder ladinischer Muttersprache zur bestehenden italienischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft annehmen können. Das Kanzlerkabinett will dazu die nötigen politischen Hausaufgaben machen, und das bedeutet vor allem, es nicht zum Bruch mit Rom kommen zu lassen.

Rom hat erst jetzt wieder verlauten lassen, dass es dieses Gesetzesvorhaben als „feindliche Initiative“ betrachte. Es mag in der ewigen Stadt regieren wer mag, rot, schwarz, grün, gelb oder blau, Italiener sind sie alle und Italiener zuerst. Da mag man gar nicht verstehen, warum der Inbegriff für glühenden, blinden Nationalismus sich nicht aus dem Italienischen entwickelt hat. „Chauvinismus“ nennt man das, nach dem Soldaten Chauvin, der seinem Feldherren Napoleon und dem Vaterland Frankreich bedingungslos ergeben war. In Italien ist vom Chauvinismus so viel des Guten, dass einem schlecht werden kann. In der Alpenrepublik Österreich hingegen findet man eher zu wenig davon. Das spricht einerseits für die mitteleuropäische Kultur und Reife des Landes, andererseits fehlt in nationalen Anliegen doch etwas das Feuer unterm Dampfkessel.

Südtirol sei ein Herzensanliegen, heißt es quer über den politischen Regenbogen vom Inn zur Donau. Es ist ja auch eine charmante Art, um etwas zu beschreiben, was mit den Mitteln der Diplomatie gelöst werden muss. Um die durch die Weltkriege ausgegrenzte österreichische Bevölkerung an Etsch, Eisack und Rienz wieder in ihre ursprünglichen Rechte einzusetzen, will auf österreichischer Seite inklusive Südtirol niemand Krieg führen – bei den Italienern (um solches zu verhindern) ist das gar nicht so sicher.

Gerade in der jüngsten Zeit erleben wir ein Wiederaufflammen des krudesten Nationalismus in Italien, der den Adamello zum heiligen Berg erklärt, auf der Marmolada die Trikolore wehen sehen will, und wenn eine Rechtsaußen in Rom ankündigt, sie wolle „Barrikaden“ errichten, um die „Italianità“ Südtirols zu verteidigen, notfalls indem man der „privilegierten Sprachminderheit“ kurzerhand die italienische Staatsbürgerschaft entzieht, dann läuten schon ein paar Glocken.

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen fällt die Meinung von SPÖ-Parteichef Christian Kern ins Gewicht. Der Doppelpass sei der falsche Weg, tat er bei seinem Besuch in Bozen kund. Kern sollte sich diese Meinung für eine Parlamentsdebatte an der prachtvollen Ringstraße aufheben. Denn wenn er sie als ehemaliger Bundeskanzler in Sichtweite des „Monumento alla Vittoria“ tätigt, dann arbeitet er Feinden in die Hände.

Die Südtiroler benötigten den österreichischen Pass für ihr Selbstbewusstsein gar nicht, soll Christian Kern ebenfalls gesagt haben. Ja, wir verstehen den Seitenhieb, und er ist nicht ganz unberechtigt. „Selbstbewusst“ sind sie ja schon die Südtiroler, und das nicht wenig. Also ein Privileg mehr muss nicht sein. Denn eines sei klar: Wenn man sich um sie bewerben darf, dann erhält man eine österreichische Staatsbürgerschaft nicht, man kommt wennschon in den Genuss derselben.

Nein, für gewisse verwöhnte und eingebildete Zeitgenossen südlich des Brenners braucht es den Doppelpass nicht. Doch dahinter wartet eine schweigende Mehrheit von Leuten, die einfach das bleiben wollen, was sie von Natur aus sind. Und wenn per absurdum auch nur ein einziger Südtiroler von einer gebotenen Möglichkeit Gebrauch machen sollte – Wien sagt mit seinem Angebot unmissverständlich: Ihr gehört zu uns, wir gehören zusammen. Das ist deutlich mehr als Herzensangelegenheit, entspricht aber ganz der Verpflichtung der Republik als „Schutzmacht“ gegenüber Südtirol. Wien würde damit in Zukunft dasselbe sagen, was Rom schon seit Langem sagt in Richtung Istrien und zu  den Italienern in aller Welt, denn den Auslandsitalienern steht sehr wohl die Möglichkeit offen, die italienische Staatsbürgerschaft zusätzlich zur bestehenden zu erwerben.

In diesem Sinne sei „unsere“ Regierung in Wien bestärkt und angefeuert, alle zur Verfügung stehenden diplomatischen Wege zu beschreiten, um zum Ziel zu kommen. Innenpolitische Gegner wie Christian Kern hingegen sollten sich auf den Lorbeeren der „Einigung Europas“ nicht zu lange ausruhen, denn diese Blätter können schnell verwelken. Italien nährt die Legende, dass die EU und der Euro nichts anderes sei als der Geheimplan der Deutschen, die Macht in Europa einmal mehr an sich zu reißen. Vorsicht also, etwas mit dem Verstand als den falschen Weg zu bezeichnen, der für das Herz der richtige ist.

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