Dr Igl

Glosse

01.07.2019

Kann denn alles „nachhaltig“ sein?

“Nachhaltig” ist das grüne Prädikat schlechthin. Mittlerweile wird es olympiareif überdehnt.

Es ist das grüne Wort schlechthin. Und siehe da, es wurde auch von einem Grünen erfunden – allerdings von einem Grünen der anderen Art in einer anderen Zeit. Laut Wikipedia war es Hans Carl von Carlowitz, der 1713 darlegte, wie der Anbau von Holz im (grünen) Wald auf eine „beständige und nachhaltende Nutzung“ ausgelegt werden könne. Das „nachhalten“ ist hier rasch verstanden als etwas, von dem du längere Zeit und immer aufs Neue „zehren“ kannst. Es schwingt noch das alte Wort „Nachhalt“ mit, das irgendwann zu „Vorrat“ wurde. Der begriffliche Schwerpunkt hat sich von „nach“-her noch und immer wieder essen können auf „vor“-raten verschoben, auf das berechnende Anlegen von später nutzbaren Gütern – eine Verschiebung vom Bauch zum Kopf, was auch etwas über den Siegeszug der Technik aussagt.

Mit den modernen Grünen jedenfalls ist die Nachhaltigkeit wieder in Mode gekommen. Längst der Baumschule des Försters entwachsen, muss heute alles nachhaltig sein. Sogar die Olympischen Spiele im Winter 2026, die in halb Norditalien ausgetragen werden sollen.

Was nachhaltig sein soll an so einem Ereignis, bei dem sich der Wintersportzirkus in gehetzter Eile innerhalb von 90.000 Quadratkilometern kreuz und quer bewegt und im Ganzen nur kurzzeitige Emissionen erzeugt (nicht einmal die Erinnerungen an die Sieger sind „nachhaltig“) – das muss einem schon der Landeshauptmann von Südtirol erklären, denn der will das industrielle Spektakel als ein nachhaltiges sehen.

Nicht einmal “tragfähig” sind die olympischen Spiele, denn sie hinterlassen Schulden. Mit der Bedeutung Tragfähigkeit, Ertragsfähigkeit, Leistbarkeit wird nämlich das Wort „nachhaltig“ in anderen Sprachen geführt: „sustainable“ (engl.), “sostenibile“ (it.) „hÃ¥llbart“ (schw.)

Wer den Begriff „nachhaltig“ so olympiareif überdehnt, festigt dessen Ruf als „Gummiwort“ und preist vermeintliche Schätze in dunklen Ecken an, auf dass die „nach“-her klug gewordenen Verführten sagen können: Da hat man uns aber nachhaltig hinters Licht geführt.

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