Ein Blog von

Georg Dekas

08.06.2019

Gesundheit in wessen Händen?

Die Bleikugel, die Südtirol an das italienische Gesundheitssystem, den ominösen „Servizio Sanitario Nazionale“, kettet, ist verdammt schwer. Doch die Hoffnung, meine und unser aller Gesundheit einmal in guten Händen zu sehen, die stirbt zuletzt.

Pixabay/Greyerbaby

Gestern fahre ich einem Bus hinterher und sehe die Werbung des öffentlichen Südtiroler Sanitätsbetriebes am Heck. Auf dem Plakat streckt mir ein junger, stethoskopbewehrter Arzt sein Smartphone entgegen. Darauf steht „APP“. Daneben der Spruch: „Die Gesundheit in deinen Händen.“ Sofort fallen mir die 5 x 12 = 60 Minuten der Warteschleife ein, in denen ich über Tage fortwährend gehangen war, um eine einfache Röntgenuntersuchung vorzumerken. Die ich am Ende der Geschichte schließlich innerhalb von 60 Minuten bei einem Privaten in Bozen gemacht habe. Bezahlt habe ich dafür einen Betrag, den ich mit zwei Stunden Arbeit locker verdiene. Eine davon hat mir die Warteschleife gestohlen.

Damit nicht genug. Der Sanitätsbetrieb verursacht den Verdienstausfall, nur weil er unfähig ist, einen Telefonservice zu organisieren – und droht mir schon in der Warteschleife mit einem Bußgeld von 35 Euro, falls ich den Termin, den ich weißgottwann bekomme, nicht wahrnehme. Der Gedanke, bei einer möglichen Absage wieder hoffnungslos in dieser Endlos-Warteschleife zu hängen und die chinesische Folter der leiernden Computerstimmen über mich ergehen zu lassen, lässt mich den Hörer wütend auf die Gabel schmeißen.

Jetzt wollte ich es zu Fuß probieren. Ich kenne ja mein Krankenhaus – es ist das einer Kleinstadt, nicht einer Millionenmetropole. Mit zumeist leeren Gängen, mit vielen emsigen Mitarbeitern und sehr überschaubaren Größen. Dort würde es nach menschlichem Ermessen doch wenigstens einen unter den vielen Schaltern geben, an dem Vormerkungen persönlich gemacht werden können. Tut uns leid: „Einheitliche Vormerkstelle!“ hieß es, Termin nur über Telefon oder Mail.

Verstehe, der öffentliche Betrieb mag Patienten nur, wenn sie halbtot auf der Bahre in die Notaufnahme geschoben werden. Ach ja, dort könnte ich es versuchen. So wie alle anderen, die unbürokratisch drankommen wollen. Oder ich könnte meinen Verwandten anrufen, der ist Chefarzt hier. Oder einen früheren Kollegen und Freund, der in leitender Stellung ist. Nein, von diesem falschen System lasse ich mich nicht zum Kleinbetrüger machen!

Geduldige wie ein Schaf nehme ich die Möglichkeit einer Mail in Anspruch, die mir auf der Internetseite von “sabes.it” als leicht und einfach angepriesen wird. Ich schreibe, und was bekomme ich zur Antwort? Meine Vormerkung per E-Mail erfordere die Angabe der Steuernummer. Waaas? Als Eingeschriebener habt Ihr die längst im System! Die steht sogar auf der Gesundheitskarte. Und ich soll sie Euch nochmal vorkauen? Es geht mir nicht um die kurze physische Ãœbung, die paar Großbuchstaben und Zahlen hinzuschreiben.

Es geht um die obrigkeitliche, staatsbürokratische Art, mit der ein 10.000-Mann-und-Weiber-Monopol-Betrieb sich als vorschreibende und gnädig gewährende Behörde aufführt, ein Betrieb, der mit seiner ganzen Power genauso gut ein vorzüglicher und freundlicher Dienstleister sein könnte.

Weil ich schon beim Schimpfen bin: Ist nicht auch der sogenannte „Hausarzt“, der nie ins Haus kommt und zu dem man krank hingehen muss, um sich bestätigen zu lassen, dass man krank ist – ist nicht dieser Hausarzt (wie der, der mir die Röntgenuntersuchung verschrieben hat) auch Teil des öffentlichen Gesundheitssystems? Wie kommt er in dieser Funktion eigentlich dazu, seinen Patienten aufzutragen, die fachärztliche Untersuchung selber zu bestellen? Bin ich denn seine Sekretärin? Wenn sonst auch alles in seinem schlauen PC steckt, dürfte ein Klick genügen, um aus seiner Praxis die Untersuchung einzuleiten.  Und jetzt streckt mir dieser Werbe-Burschi da seine App entgegen: Auf dass der arme Patient noch mehr Verwaltungsarbeit übernehme. Und den „Betrieb“ frisch nur mehr als „Big Brother“ mit einem elektronischen Irrgehäuse erleben darf? Dampf, lass nach.

Am Ende fand ich in dem schon genannten privaten Diagnostik-Betrieb eine äußerst freundliche, zuvorkommende Dame. Gleich fühlte ich mich als Mensch, wurde hochprofessionell betreut und ging zufrieden von dannen, noch bevor die beamteten Scharen im einzig-und-alleinigen Großbetrieb ihre erste Morgensitzung beginnen.

Apropos „Die Gesundheit in deinen Händen“: In wessen Händen die „Gesundheit“ in diesem von Parteien, Kammern, Gewerkschaften, Lobbys, arroganten Führungskräften und dilettantischen Politikern arg zugerichteten Staatsbetrieb liegt, darüber wundert sich das gemeine Volk schon lange. Viel gute Substanz wurde über Jahre systematisch fehlgeleitet (buchstäblich!) und zermürbt.

Wenigstens geht der im November 2018 neu ernannte Gesundheitslandesrat des Landes Südtirol behutsam an die Sache heran. Will nicht jeden 2. Tag in der Zeitung stehen. Verzichtet auf salbungsvolle Selbstdarstellung. Platzt nicht schon in den ersten Monaten mit grundfalschen Rezepten in die Öffentlichkeit hinein. Nur, alles wird er allein auch nicht schaffen. Die Bleikugel, die uns an das italienische Gesundheitssystem, den ominösen „Servizio Sanitario Nazionale“, kettet, ist verdammt schwer. Doch die Hoffnung, meine und unser aller Gesundheit einmal in guten Händen zu sehen, die stirbt zuletzt.

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