Gastbeitrag von

Pius Leitner

19.02.2023

Gedanken zum Andreas Hofer Gedenktag

Wenn wir alljährlich an den Tod von Andreas Hofer erinnert werden und seiner gedenken, so soll dies nicht nur eine Gewohnheit sein, sondern eine ehrenvolle Verpflichtung im Zeichen einer sinnvollen Erinnerungskultur. Dieser Gedenktag bietet auch die Gelegenheit, darüber nachzudenken, wo unser Land steht und welche Perspektiven sich für eine gute Zukunft bieten.

Foto: SSB

Wir haben verlernt, geschichtliche Ereignisse im Lichte der jeweiligen Epoche zu betrachten und manche Zeithistoriker beanspruchen die Deutungshoheit und möchten die Geschichte umschreiben. Wie die Erfahrung zeigt, wird Geschichte stets von den Siegern geschrieben, weshalb es wichtig ist, bestimmte „Geschichten“ hinter der Geschichtsschreibung näher zu betrachten. Gewiss, die Zeit Andreas Hofers, sein Leben, Wirken und Sterben, sind inzwischen gut aufgearbeitet, entsprechende Bewertungen fallen jedoch sehr unterschiedlich aus. Es haben sich schon viele Personen an Andreas Hofer abgearbeitet, so in jüngster Vergangenheit ein in Wien lebender Lehrer aus Südtirol im „Skolast“, der Zeitung der Südtiroler Hochschülerschaft, wo man folgendes lesen kann:

„Einen tiefen Einblick in das Gemüt der Südtiroler*innen gibt unsere Heldenverehrung: ‚Es blutete der Brüder Herz, ganz Deutschland ach in Schmach und Schmerz’ Zugegeben, Hymnen sind oft stupide, aber wir schaffen es, das dümmste Lied und die rückschrittlichste Persönlichkeit, die wir finden können, an oberste Stelle zu setzen. Gerade Andreas Hofer, dieser Tiroler al-Baghdadi, ist für ein modernes Land als Symbol so ungeeignet wie es nur geht: frauenfeindlich, bigott, ständig besoffen, Impfgegner und eigentlich ziemlich erfolglos. Damit können sich viele unserer tapferen Mandr offensichtlich gut identifizieren.“

Ja, die allermeisten Tiroler identifizieren sich mit Andreas Hofer als Sinnbild für Tapferkeit, Opferbereitschaft und Heimatliebe. Andreas Hofer war ein Kind seiner Zeit und mit Sicherheit kein „Tiroliban“. Wir können uns deshalb an seiner Opfer- und Einsatzbereitschaft durchaus ein Beispiel nehmen, mit den Mitteln unserer Zeit! Keine andere Person in der Tiroler Geschichte versinnbildlicht den Zusammenhalt und die Gemeinschaft der Tiroler so wie Andreas Hofer. Er ist auch heute noch Orientierungspunkt und eine Klammer zwischen den Landesteilen. Seine wahre menschliche Größe zeigte Andreas Hofer angesichts seiner bevorstehenden Erschießung, ausgedrückt auch in seinem Abschiedsbrief aus dem Kerker von Mantua. Er war bereit, die ganze Schuld für die Opfer während der Tiroler Erhebung gegen Napoleon und die mit diesem verbündeten Bayern auf sich zu nehmen.

Wenn wir die damalige Gottesfürchtigkeit der Tiroler mit dem heutigen Zugang zum christlichen Glauben vergleichen, dann klafft wohl eine Lücke. Trotz der Krise, in der sich derzeit unserer Amtskirche befindet, bleiben christliche Grundsätze und die christlichen Wurzeln Tirols, aber auch ganz Europas, fester Bestandteil unserer Kultur. Freiheit, Menschenwürde, Nächstenliebe, Vergebung, Ehe und Familie, Achtung der Schöpfung – all das sind Tugenden und Werte, an denen wir festhalten sollten. Otto von Habsburg hat einmal gesagt: „Europa wird christlich sein oder es wird gar nicht sein.“

Angesichts der Tatsache, dass wir seit Jahren eine unkontrollierte Zuwanderung aus aller Herren Länder mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen (Stichwort Islam, zumal politischer Islam) erleben, stellt sich die Frage, wie wir dieser Herausforderung begegnen und wie wir unsere eigene Kultur bewahren können. Das liegt zunächst an jedem und jeder von uns, dann aber auch an den Vorgaben der Politik und der Verantwortungsträger. Eine im Grunde kleine, dafür aber einflussreiche Minderheit von linken Politikern, Medien, Journalisten, selbsternannten Philantropen und Influencern maßt sich an, einen neuen Wertekatalog zu erstellen und der Mehrheit aufzuzwingen. Wer deren Meinung und Wertvorstellungen widerspricht, ist ein Querdenker, ein Rassist, ein Leugner, ein Rechtsradikaler oder, im schlimmsten Fall ein Nazi. Es ist für mich unerklärlich, wie sich gewählte Volksvertreter, aber auch viele Menschen aus dem Volk, von dieser kleinen Gruppe treiben und unter Druck setzen lässt.

Aus Termingründen fällt der Andreas-Hofer-Gedenktag gerne in die Faschingszeit. Da ist es üblich, dass sich Kinder, aber auch Erwachsene, verkleiden und einmal aus ihrem eigenen Ich ausbrechen wollen. Wehe aber jenen, die sich als Indianer, Schwarze, mit Rasta-Locken oder mit Kennzeichen anderer Kulturen zeigen. Als kulturelle Aneignung wird dies gebrandmarkt. Sogar Winnetou, ein Idol meiner Jugend, will man ebenso aus der Öffentlichkeit verbannen wie den Mohr der Heiligen Drei Könige, um nur zwei Beispiele zu nennen. Dabei verkörpert Winnetou den Sieg des Guten über das Böse und der „dunkelhäutige“ König einen der damals drei bekannten Erdteile, nämlich Afrika. Ist das Rassismus? Auch die Sternsinger beugen sich anscheinend dem Zeitgeist.

Wir Südtiroler wissen aufgrund unserer Geschichte, wie wichtig eine Sprache ist, zumal die Muttersprache für eine Minderheit. Neben dem Erhalt der vielfältigen dialektalen Ausformungen ist die Pflege der Hochsprache besonders wichtig. Die deutsche Sprache ist aktuell schwer unter Druck, Stichwort „Gendern“, Binnen-I, Sternchen usw. Laut Universitätsprofessor Walter Krämer, Gründer und Vorsitzender des „Vereins Deutscher Sprache“, ist das Gendern ein richtiger Angriff auf die innere Struktur der Sprache und ein Frontalangriff auf die Funktionsfähigkeit unserer Sprache. Eine Petition „Rettet die deutsche Sprache“ ist von einflussreichen Intellektuellen unterzeichnet worden. „Verglichen damit ist die Gender-Mafia ein Haufen mittelmäßiger Ideologen, die auf Teufel komm raus ihre Sicht der Welt dem Rest überstülpen will“, so Prof. Krämer.

Jenseits aller ideologischen Betrachtung und jenseits aller hanebüchenen Dummheiten frage ich mich, welcher Nutzen der Gesellschaft, zumal den Frauen, durch die Verhunzung der Sprache erwächst. Wäre es nicht sinnvoller, alle Energie darauf zu verwenden, Frauen den Männern in der Bezahlung für gleiche Arbeit gleichzustellen? Wäre es nicht sinnvoller, Eltern, zumal Mütter, selber entscheiden zu lassen, ob sie ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selber betreuen wollen oder in eine Einrichtung geben? Wäre es nicht gerecht, ihnen dafür gleich viel zu entgelten, wie viel ein Betreuungsplatz kostet? Ein Kampf für die Pensionsanrechnung der Kindererziehungszeiten, wie auch der Pflegezeiten, wäre aus meiner Sicht wichtiger als ein Kampf um Sternchen, Binnen-I und dergleichen.

Wie steht es um Südtirol?

In den vergangenen 30 Jahren entwickelte sich unsere Autonomie von einem Minderheitenschutz zu einem Sprachgruppenausgleich. Die Italiener im Lande profitieren von der Autonomie ebenso wie die Deutschen und Ladiner. Trotzdem kann in den Reihen der italienischen Sprachgruppe kein besonderes Landesbewusstsein festgestellt werden. Durch den EU-Beitritt Österreichs ist es möglich geworden, die Landeseinheit auch zu leben. In welchem politischen Rahmen dies am besten geschehen kann, darüber müssen wir reden. In Stein gemeißelt wird der Status quo nicht bleiben und es gibt kein Ende der Geschichte. Ob es möglich ist, alle drei Sprachgruppen für ein gemeinsames Projekt zu begeistern (nach dem Vorbild der Schweiz, wo es vier Ethnien gibt, die sich jedoch alle als Schweizer fühlen) oder ob die Autonomie das höchste der Gefühle bleibt, wird sich zeigen.

Der tägliche Kampf um den Erhalt bzw. die Rückholung autonomer Befugnisse könnte die Menschen irgendwann mürbemachen. Es liegt an uns allen, mitzudenken und Einsatz zu zeigen, gute Lösungen für die Zukunft zu finden. Die Ergebnisse des Autonomiekonvents sind dafür eine gute Basis. Das entsprechende Papier ist endlich aus der Schublade zu ziehen und auf die politische Tagesordnung zu setzen. Dabei dürfen wir neue Entwicklungen nicht ausblenden, ganz gleich ob es die Energiefrage, der Verkehr, die Zuwanderung oder die Digitalisierung ist. Es kommt auf das rechte Maß an, damit sich Vor- und Nachteile einpendeln.

Das rechte Maß gilt, so wie es bereits der griechische Philosoph Platon und der römische Staatsmann Cicero gesehen haben, neben Tapferkeit, Gerechtigkeit und Weisheit zu den vier Kardinaltugenden.

Angesichts der Tatsache, dass vor unserer Haustür ein Krieg stattfindet, der uns nicht unberührt lassen kann, gewinnt der Frieden eine tiefere Bedeutung. Leider erkennen wir den Wert oft erst dann, wenn Gefahr besteht, ihn zu verlieren. Man wünscht sich in Zeiten wie diesen, dass Bertha von Suttners Roman „Die Waffen nieder“ gelesen wird, statt Waffen zu produzieren und zu liefern.

Auch jeder Lösungsansatz für eine gute Entwicklung Südtirols muss den Frieden im Auge behalten. Das ist für mich die zentrale Botschaft jeder Gedenkfeier für die Gefallenen. Ebenso klar ist, dass ein dauerhafter Frieden nur auf Gerechtigkeit gebaut werden kann. Daher bekräftige ich mit Nachdruck, dass das Menschenrecht Selbstbestimmung ein unverzichtbares und international verankertes Recht ist, zu dessen Respektierung sich auch Italien verpflichtet hat. Es liegt an uns Südtirolern, unsere Schicksalsfragen unmittelbar und selber zu entscheiden.

Verneigen wir uns vor den Frauen und Männern unserer eigenen Geschichte, die große Opfer gebracht und die Basis für unseren Wohlstand gelegt haben. Schließen wir alle Menschen in dieses Gedenken ein, die Unrecht erfahren, Leid und Gewalt erlitten und ihren Einsatz mit dem Tod bezahlen mussten. Ich wünsche, dass die Erinnerung an sie zum Frieden mahnen möge, zum Frieden, den die Welt gerade heute braucht.

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