Ein Blog von

Georg Dekas

15.07.2019

Dialekt verbieten? Niemals!

Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Urzì von Fratelli d’Italia, Sie wollen die schönen Südtiroler Mundarten verbieten – sie aus Kindergarten, Schule und Ämtern verbannen? Kommt gar nicht in Frage.

Tiroler Kermit - Bild von LoggaWiggler auf Pixabay

Kommt Erstens nicht in Frage weil Verbot: Wer würde Sprachpolizei spielen (müssen)? Verlangen Sie bei Verstoß Kerker oder „nur“ Geldbußen? Klingt alles sehr nach 1921 und folgende Jahre. Kommt Zweitens nicht in Frage weil Kultur. Ihnen sind die Hintergründe offensichtlich fremd, dazu weiter unten. Kommt Drittens nicht in Frage, weil Ihre Begründung nur zum Teil richtig ist. Sicher entspricht es der guten Sitte und Höflichkeit, im gegenseitigen Umgang verständlich zu bleiben und Entgegenkommen zu zeigen. Aber die Sprachwirklichkeit in Südtirol ist doch jene, wie sie von „Tantemitzi“ nett und treffend auf einem Onlineportal kommentiert wird: „Hot der Urzi letz gschlofn?? MIR sein in do Lage, zwischen Dialekt, Hochdeutsch und Italienisch zu wechseln wie es grod gebraucht wird! MIR passen ins täglich in insre italienischen Mitbürger un (…) sel konn kaum oano fa insre Italienischen Mitbürger von sich behaupten!“

Heißt auf Hochdeutsch: Unsere Italiener hätten hunderttausend Möglichkeiten, Deutsch zu lernen und zu reden. Zu viele wollen es nicht, die allermeisten brauchen es nicht. Jeder Eingeborene und jeder Zugewanderte wechselt sofort ins Italienische, auch ohne Not. Verkümmertes Selbstbewusstsein ist auf deutscher Seite viel öfter der Fall als rücksichtsloses Sprachbeharren. Die Pusterer Italiener ja, die können sehr oft Deutsch und Tirolerisch dazu, auch die Vinschger, weniger oft die Wipptaler. Es ist immer auch eine Frage des Umfeldes und der Mehrheiten, mit Sicherheit aber keine Frage von Schrift- gegen Volkssprache.

Zum Schluss noch das mit der Kultur. Weil es in Italien unten erst sehr spät die gesellschaftliche Emanzipation der zumeist bitterarmen und rechtlosen Landbevölkerung gegeben hat – genau genommen erst mit Benito Mussolini (1921 und folgende Jahre grüßen wieder) – und der Dialekt ein Merkmal dieser Landbevölkerung war, haben Millionen von aufstrebenden Italienern dieses sprachliche Stigma schnell und sehr gründlich unterdrückt. Im Italienischen riecht Dialekt immer noch nach Unterschicht, Ungebildetheit und Armut. Die Hochsprache ist klassenfrei.

Ganz anders im deutsch geprägten Alpenraum. Mit der Selbstbefreiung der Eidgenossen und dem Erlass der Bauernfreiheiten in Tirol bereits vor 500 Jahren ist im Volk unabhängig von den materiellen Verhältnissen der Einzelnen eine allgemeine politische Selbstachtung gewachsen, die sich in Länder-, Talschafts- und Standesstolz, in Trachten und Bräuchen, und ja, gerade auch in den Mundarten und im landschaftlich gefärbtem Hochdeutsch ausdrückt. Nicht aus Unbildung und Schlampigkeit, Herr Urzì und Signori, sondern aus Bedeutsamkeit und aus der Lust an Eigenheit im großen familiären Ganzen. So soll es bleiben …und sich mit den digitalen Geräten schön weiterentwickeln.

Nachsatz: Schaut Euch einmal die bairische Wikipedia an und lernt neu, was sprachliches Selbstbewusstsein ist. Und ja, gerne sollten die Südtiroler aller Muttersprachen und guten Willens mehr, öfter und vor allem ein besseres Hochdeutsch reden. Aber dann – das ist eine besonders gutgemeinte Adresse an Lehrer/innen, Fürbittenvorleser/innen, Fernseh- und Radiosprecher/innen – dann sollte es das melodisch runde Rundfunkdeutsch sein wie es im BR und ORF zu hören ist und nicht eine schlechte Kopie von ZDF und ARD.

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