Florian Stumfall

12.11.2021

Deutsche Atomwaffen?

Olaf Scholz ist seinen Genossen noch vor nicht allzu langer Zeit nicht gut genug für den Posten des SPD-Vorsitzenden gewesen. Jetzt wird er als kommender Bundeskanzler gepriesen, wobei der Glaube der Linken in seine Fähigkeiten einen außerordentlichen Schub bekommen zu haben scheint. Gleichviel – die Zeit wird’s weisen. Doch heute schon bekommt er von der unterlegenen CDU dringliche Ratschläge unterbreitet, was er in einer gewissen Angelegenheit zu tun habe, von der während des gesamten Wahlkampfes so wenig die Rede war wie ansonsten in beschaulichen Sommerpausen.

Im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz werden Atombomben der USA gelagert. Immer wieder kommt es vor dem Gelände zu Protestaktionen (Quelle: www.buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65).

Es handelt sich um die Atombomben der USA, die im Fliegerhorst Büchel der Bundeswehr im Landkreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz für den Ernstfall bereitgehalten werden. Einer der stellvertretenden Fraktionschefs der CDU/CSU im Bundestag, ein gewisser Johann Wadephul, forderte jüngst von Scholz das klare Bekenntnis, dass die US-Atomwaffen in Deutschland verbleiben sollen. Die Sache hört sich zwar fatal nach dem unseligen Norbert Röttgen an, aber der wollte sich wahrscheinlich wegen seiner Bewerbung um den CDU-Vorsitz nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen und hat womöglich seinen Kumpanen vorgeschickt.

Nukleare Teilhabe

Was auch auf Röttgen hinweist, ist die Art des unbekümmerten, von den Gegebenheiten unbeeinflussten Denkens, das notwendig ist um anzunehmen, die USA ließen sich von einem deutschen Politiker, wer es auch immer sei, in die Dispositionen bezüglich ihrer Atomwaffen dreinreden, egal wo diese lagern. Also, noch einmal ganz deutlich: Was Scholz oder ein anderer deutscher Politiker, auch Röttgen, zu diesem Gegenstand auch sagen mag – es wird im Pentagon empfunden wie eine lästige Stubenfliege.
Dabei erscheint es durchaus sinnvoll zu untersuchen, wie es sich mit jenen Atombomben im Einzelnen verhält. Dass sie da sind, ist das eine, ebenso klar sind die Besitzverhältnisse. Das andere aber ist der Umstand, dass deutsche Piloten von der U.S. Air Force in die Methode eingewiesen werden, solche Bomben ins Ziel zu bringen, und dass deutsche Kampfflugzeuge in diesem Sinne technisch ausgerüstet werden. Dies alles geschieht, ohne dass Deutschland Atommacht wäre. Man nennt das „nukleare Teilhabe“.
Man muss sich das so vorstellen: Der Sohn eines Jägers hat noch keinen Jagdschein, aber der Vater lässt ihn zum Einüben einen Bock schießen, wenn niemand zusieht. Der Unterschied ist nur: Die USA handhaben die nukleare Teilhabe in aller Öffentlichkeit. Beim Knaben ohne Jagdschein ist die Rechtslage klar: Er begeht Wilderei. Die Rechtslage bei der nuklearen Teilhabe aber scheint wenig Berücksichtigung zu finden. Denn auch sie sollte eigentlich klar sein. Man kann das anhand nur zweier Rechtstitel feststellen.

Wertloser Vertrag?

Grundlage für alle Weiterungen ist der Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen, der am 5. März 1970 in Kraft getreten ist. Mittlerweile gehören ihm 191 Staaten an, auch Deutschland. Der Artikel 1 des Vertrags lautet: „Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonst wie zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen.“
Versieht man nun den Text mit einigen Auslassungen, so bleiben die Verpflichtung, die bewussten Waffen „an niemanden mittelbar weiterzugeben“ und es anderen unmöglich zu machen, „die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen“. So der Text des Vertrages, zu dessen Erstunterzeichnern die USA gehören. Doch die nukleare Teilhabe ist Wort für Wort nichts anderes als der Verstoß gegen diesen Artikel 1.

Verletzung des deutschen Kriegswaffengesetzes

Soweit die völkerrechtliche Seite. Subsidiär aber gibt es in Deutschland das Kriegswaffengesetz, dessen Paragraf 17 an dieser Stelle von grundlegender Bedeutung ist. Er lautet: „Unbeschadet des Paragrafen 16 ist es verboten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, mit ihnen Handel zu treiben, von einem anderen zu erwerben oder einem anderen zu überlassen, einzuführen, auszuführen, durch das Bundesgebiet durchzuführen oder sonst in das Bundesgebiet oder aus dem Bundesgebiet zu verbringen, oder sonst die tatsächliche Gewalt über sie auszuüben.“
Nimmt man wieder die nötigen Auslassungen vor, so stellt man fest, dass mit der nuklearen Teilhabe die Bestimmung zur „Ausübung der tatsächlichen Gewalt“ verletzt wird. Doch der Artikel enthält noch mehr Festlegungen, darunter das Verbot, Atomwaffen in das Bundesgebiet einzuführen. Nun sind diese Waffen in Büchel aber vorhanden. Die USA haben sie eingeführt und damit das deutsche Kriegswaffengesetz verletzt. Ebenso führen sie diese durchs Bundesgebiet. Das stellt die deutschen Autoritäten – ganz theoretisch – vor die peinliche Notwendigkeit, die USA auf den Bruch deutschen Rechts hinzuweisen. Theoretisch – denn praktisch haben die deutschen Stellen keine Autorität gegenüber den USA.

Prüfstein für außenpolitische Handlungsfreiheit

Und um die Groteske zu komplettieren, noch ein Hinweis. Sollten es sich die USA jemals angelegen sein lassen, sich in Deutschland an deutsches Recht zu halten, so würde dieses ihnen verbieten, ihre Atomwaffen „aus dem Bundesgebiet zu verbringen“. Das Zeug müsste hierbleiben, aller Sorgen der CDU zum Trotz, auf ewige Zeit, oder jedenfalls so lange, bis man einen brauchbaren Text des Paragrafen 17 KrWaffG beschließt oder aber, was noch unwahrscheinlicher ist, dass sich die USA an die jetzige Formulierung halten.
Etwas ganz anderes wäre es, wenn man den Umgang des deutschen Militärs mit Atomwaffen auf eine neue Grundlage stellte. Dazu wäre die Ehrlichkeit vonnöten zu sagen, ob man diese haben will oder aber nicht, in diesem Falle aber ohne Hintertürchen. Eine Entscheidung solcher Art wäre der Prüfstein für die außenpolitische Handlungsfreiheit Deutschlands. Mit den hinderlichen gesetzlichen Bestimmungen ist man ja bislang schon auf allen Seiten locker umgegangen, das sollte also kein Problem darstellen.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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  1. Elsa
    12.11.2021

    Ein noch unwichtigerer Artikel als dieser muss erst gefunden werden.

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