Florian Stumfall

13.11.2024

„Das Ganze ist das Wahre“

Gesetzt den Fall, jemand wollte einem anderen, der es nicht kennt, das Märchen von Hänsel und Gretel erzählen; angenommen weiterhin, er begänne mit der Szene, da die beiden Kinder nachts allein im Wald herumirren. Dann wäre die Reaktion des Zuhörers klar: „Unerhört! Was suchen die Fratzen nachts im Wald? Die gehören ins Bett! Morgen ist Schule!“ Ganz anders, wenn er zunächst und der Reihe nach erfahren hätte, dass die Kinder von ihren Eltern ausgesetzt worden waren. Die unvollständige Erzählung führt zu einer nicht nur lückenhaften, sondern vielmehr wahrheitswidrigen Darstellung der Ereignisse. Es ist dies das Prinzip des Lügens durch Weglassen.

Um dies sinnfällig zu erklären, dient vorzüglich ein anderes Beispiel. Der Atheist sagt: „In der Bibel steht: Es gibt keinen Gott.“ Die Aussage ist richtig, stellt aber dennoch eine grobe Unwahrheit dar. Denn der ganze Satz lautet: „Nur der Tor spricht in seinem Herzen: ,Es gibt keinen Gott.‘“ Diese Technik des Lügens durch Weglassen und das damit verbundene Verdrehen und Verleugnen ist viel zu wirksam, als dass es Politik und Medien hätten übersehen können.

Verschwörungstheorie als politisches Instrument

Eines der historischen Beispiele dafür ist der Mord an dem US-Präsidenten John F. Kennedy im November 1963 und die Aufarbeitung dieses Verbrechens. Diese wurde unternommen durch die sogenannte Warren-Kommission, deren Ergebnis aber weiten Teilen der Öffentlichkeit unzureichend erschien und viel Unmut auslöste. So wurde bekannt, dass sage und schreibe 260 Aktenordner zu dem Vorfall – darin neben Hintergrundrecherchen zahllose Zeugenaussagen und Polizeiberichte – von der Warren-Kommission unberücksichtigt geblieben sind.
Als der öffentliche Unmut zur Empörung zu werden drohte, brachte die CIA einen damals völlig neuen und für die gegebene Lage sehr geeigneten Begriff ins Spiel: Verschwörungstheorie. Damit begegnete man der Unruhe großer Teile der Bürger und ihrer unbotmäßigen Fragen und Forderungen, und diese Methode hat sich durchgesetzt. Wer heute bei einem bestimmten politischen Gegenstand gegenüber der offiziellen Darstellung etwas Abweichendes oder auch nur Ergänzendes entweder vorbringt oder wissen will, ist sehr schnell als Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Ja, der Vorwurf hat längst begonnen, einen strafrechtlichen Charakter anzunehmen.

Filtern und Propaganda im Klimadiskurs

So auch beim Klima, einem Gegenstand über den zu diskutieren nicht zulässig ist, weil hier weit mehr als anderswo die Regel gilt, dass alles Zuträgliche und politisch Erwünschte bereits gesagt ist und deshalb jedes weitere oder gar abweichende Wort zu unterbleiben hat. Man hört in diesem Zusammenhang in der Berichterstattung über die dräuenden Wärmegrade sehr oft die Floskel: „… seit Beginn der Aufzeichnungen“, was dem Publikum die ehrfurchtgebietende Endgültigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse vermitteln soll. Doch niemand erfährt, wie es sich mit dem Beginn der Aufzeichnungen verhält. Bezieht man sich hier auf die erste Wetterstation überhaupt am Hohenpeißenberg in Bayern von 1781 oder doch auf das Jahr 1873, als in Wien der Gründungskongress der Internationalen meteorologischen Organisation stattfand und es weltweit insgesamt 26 wissenschaftliche Stationen gab, von denen sich allerdings keine auf See und natürlich auch nicht im Orbit befand?
Egal wie – mit den heute etwa 13.000 Messstationen kann man die ersten Anfänge der Meteorologie nicht vergleichen und sie als Referenz für einen Bezug zur Gegenwart herzunehmen, wie das täglich geschieht, ist keine Schlamperei, sondern eine bewusste Irreführung und Propaganda. Denn die Zusammenhänge und Unterschiede von damals und heute werden nicht genannt, sie werden vielmehr weggelassen, damit von der Wirklichkeit nur so viel unter die Menschen gelangt, wie der politischen Vorgabe nützlich erscheint.

Politische Macht und das Schaffen einer halben Wahrheit

Von dieser filtrierten Wirklichkeit führt ein gerader und kurzer Weg zu dem Vorwurf der Verschwörungstheorie und den damit in engem Zusammenhang stehenden Denk- und Redeverboten. Denn Politiker und ihre Propagandisten, die selbst selektiv mit der Wahrheit umgehen, können natürlich kein Interesse daran haben, dass andere die Lücken füllen und das verkünden, was man selbst lieber vertuscht hätte. An diesem Punkt nämlich stellt sich die Frage nach der Macht.
Politiker, die ein höheres Maß an Macht erringen wollen, als ihnen Verfassung und Gesetze zugestehen, bedienen sich heute nicht mehr des Militärs wie ehedem, sondern angeblich bestehender Gefahren für Volk und Staat in einem umfassenden Ausmaß. Der erste Probelauf war vor über vierzig Jahren das sogenannte und nicht eingetroffene Baumsterben. Ein Ereignis, bei dem – wie heute – Gegenargumente oder anderslautende zusätzliche Einwände nicht erwünscht und mit einem Schweigegebot belegt waren. Zwar führte die Walddebatte noch zu keiner Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten, eröffnete aber den Grünen den Weg in die Parlamente – mit allen bekannten Folgen.

Die halbe Wahrheit als ideologische Waffe

In der Strategie ebenso angelegt ist die allgegenwärtige Klima-Drohung. Hier ist es bereits so weit, dass sich die Politik darum kümmert, was die Leute essen, wie sie sich fortbewegen und was sie tun, um im Winter ein warmes Haus zu haben. Dies alles geschah auf der Grundlage unvollständiger Erkenntnisse und bewusst vernachlässigter Tatsachen. Auf dieser Schiene kommt man sehr schnell zu staatlichen Übergriffen, was am Beispiel Corona bislang am deutlichsten wurde. Nun war es schon so weit, dass jemand mit der zusätzlichen Information, mit dem, was vertuscht und verschwiegen bleiben sollte, seine bürgerliche Existenz verlieren konnte.
Hier offenbart sich das ideologische Denken in seiner strategischen Form. Aus den Versatzstücken einer halben Wahrheit schafft man sich eine Welt, an der sich die Wirklichkeit zu richten habe. Was aber stört, wird unterdrückt. Der große deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel dagegen sagt: „Das Ganze ist das Wahre.“ Dies lässt den Rückschluss zu, dass durch Weglassen bewusst oder unbewusst die Unwahrheit gesagt wird. In der Politik geschieht es meist bewusst.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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  1. Franzi
    19.11.2024

    Super geschrieben dieser Artikel, genauso werden wir in die Irre geführt und wenn jemand dagegen ist, ist man Rechts, oder Verschwöhrer

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