Florian Stumfall

21.01.2022

Auf Morgenthaus Pfaden

Szenen wie diese werden in ganz Deutschland immer mehr: Der Kunde betritt eine Apotheke, das Rezept des Arztes in der Hand, und hofft, nun das Mittel zu erhalten, das ihm zur Heilung oder zumindest Linderung seiner Beschwerden verschrieben worden ist. Doch er wird enttäuscht. Man bedeutet ihm, das Medikament sei im Augenblick nicht lieferbar oder es werde nicht mehr hergestellt, die ganze Fabrik sei übernommen worden, und man müsse sehen, ob es anderswo ein vergleichbares Produkt gebe.

Von der „Apotheke der Welt“ zum Notstandsgebiet: Die Pharmabranche ist einer jener Wirtschaftszweige, in denen sich Deutschland vom Vorzeigeland zum Problemfall entwickelt hat (Symbolbild Pixabay).

In Deutschland, das man einst die „Apotheke der Welt“ genannt hat, ist die reibungslose Versorgung mit Arzneimitteln nicht mehr gewährleistet, und es geht nicht an, dafür Corona oder jenen Frachter als Begründung heranzuziehen, der vor längerer Zeit im Suez-Kanal havariert war. Vielmehr hat die deutsche Großindustrie ihre Produktion in einem ungesunden Maße in Niedriglohnländer verlagert. Um eines scheinbaren Vorteils willen hat man ein ganzes System gefährdet, und das gilt nicht nur für die Pharmabranche, sondern ebenso für die Elektronik, für Schuhe, Papier oder auch Textilien.
Dazu kommt der Mangel an Rohstoffen. Die Zeitschrift „Focus Money“ zählte im November auf, was diesbezüglich alles fehlt: Magnesium, Silizium, Halbleiter, Holz, Erdgas, Öl, Kunststoffe und anderes mehr. Im September, so das Magazin, hätten 77,4 Prozent der Industriefirmen in Deutschland Engpässe und Schwierigkeiten beim Einkauf von Rohstoffen und Vorprodukten gehabt.

Allianz von Hochfinanz und Linken

In der jüngsten Konjunkturprognose des Münchner ifo-Instituts steht zu lesen: „In den kommenden Monaten dürften die anhaltenden Lieferengpässe und die vierte Corona-Welle die deutsche Wirtschaft spürbar ausbremsen.“ Die Just-in-time-Produktion hat ihre Grenzen erreicht. Dazu kommt, dass mit der Auslagerung der Produktion eine stille Deindustrialisierung einhergeht. Die USA haben das vorgemacht, und die deutschen Kapitalgesellschaften, die das Heil der Welt in der Wall Street vermuten, haben es nachgemacht, wie so vieles, was aus den USA kam.
Mehr denn je fällt dem Mittelstand die entscheidende Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft zu, und mehr denn je gerät dieser gegenüber den Konzernen in Bedrängnis. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bürokratische Auflagen durch Politik und Verwaltung, sei es von Brüssel oder Berlin, beanspruchen immer mehr Arbeitskraft. Ein Großkonzern hat keine Mühe, dafür ein Büro einzurichten. Ein Familienbetrieb aber kann daran zugrunde gehen.

Mehr denn je fällt dem Mittelstand die entscheidende Bedeutung für die Volkswirtschaft zu

Hier wird eine auf den ersten Blick eigenartige Übereinstimmung der Interessen der Hochfinanz und der politischen Linken sichtbar: Die beschriebene Entwicklung führt zur Konzentration von Unternehmen. Die Konzerne begrüßen das, weil sie die Konkurrenz loswerden, die Linke, weil sie das als Vorstufe zur Enteignung begreift. Doch weder das eine noch das andere hat mit Marktwirtschaft etwas zu tun.
Einer solchen Entwicklung hat bereits die Epoche Merkel Vorschub geleistet. Die derzeitige Ampel-Regierung darf sich als energiepolitischer Testamentsvollstrecker Merkels empfinden, der Kanzlerin, die vorgeblich für die CDU gesprochen und im grünen Sinne gehandelt hat. So darf man auf diesem Feld auch keine Brüche erwarten, im Gegenteil, die jetzige Regierung wird die bisherige Politik mit gesteigertem Elan fortführen. Auch bei der Energiewende ist daher wieder die linksgrün-kapitalistische Mesalliance von linker Ideologie und ungebremstem Manchester-Kapitalismus sichtbar.
Die deutschen Kernkraftwerke werden abgeschaltet, was der grünen Wesensart im Innersten schmeichelt. Doch dies kommt auch anderen Nutznießern zugute: jenen Konzernen, die, getragen von üppigen Subventionen durch den Staat, Windmühlen errichten zum Schaden der Umwelt und als Ärgernis vor der Natur. Was diese nicht einbüßt, zahlen die Verbraucher in bar.
Mit dem E-Auto steht es nicht viel besser: Bei einer stetigen Verknappung von Energie – was mit der Preissteigerung gleichzusetzen ist – wird durch das E-Auto ein gewaltiger Bedarf an Strom geweckt. Auch hier: Der grünen Illusion wird so willfahrt, die Autokonzerne sehen sich mit der einträglichen Aufgabe betraut, eine ganze Nation allmählich mit neuen Autos auszurüsten, abgesichert durch Steuermilliarden, die von Links- Grün ausgeschüttet werden.

Selbstgewählte Deindustrialisierung

Hat man sich schon bei der Verlagerung der Produktion ins Ausland in eine üble und vor allem überflüssige Abhängigkeit begeben, so führt der Verzicht auf eine eigene sichere Energieversorgung zu einer weiteren offenen Flanke. Denn Frankreich als Hauptlieferant des Atomstroms für Deutschland ist keineswegs der sichere Partner beim Liefern von Volt und Ampere, den man sich wünschen möchte. Derzeit befinden sich dort zehn Meiler in Wartung, was die Kapazität deutlich mindert. Hierzulande hört man trotz auffallender Diskretion der Medien in diesem Belang vermehrt von Stromausfällen.
In dieser Lage ist es des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck größte Sorge, die Geschwindigkeit der Energiewende könne sich durch den Arbeitskräftemangel mindern. Deshalb brauche Deutschland mehr Zuwanderung. Ihm als Wirtschaftsminister scheint entgangen zu sein, dass in den vergangenen sechs Jahren zwar zwei Millionen meist kulturfremde Zuwanderer nach Deutschland gekommen sind, gleichzeitig der Mangel an Arbeitskräften jedoch zugenommen hat.
Nach seinem Urheber im Jahre 1944, einem US-Finanzminister, ist der sogenannte Morgenthau-Plan benannt. Er hatte das Ziel, Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zu deindustrialisieren und zu einem reinen Agrarstaat zu machen. Das Motto hieß: „Deutschland ist unser Problem.“ Präsident Franklin D. Roosevelt brauchte Wochen, um diese Planung zu verwerfen. Heute sieht es danach aus, als gäbe es in Deutschland selbst Kräfte genug, die daran arbeiten, jene böse Vision zu erfüllen. Dass links-grüne Ideologen aufseiten der Politik und andererseits international vagabundierende Großkonzerne auf eine gewisse Strecke dabei dieselben Ziele verfolgen, macht die Sache gefährlich.

Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)

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