Florian Stumfall
Allerfeinste Grobmotorik
Ihrer Zuständigkeit halber mag dafür die grüne Außenministerin Baerbock ein erstes Beispiel abgeben. Vor Kurzem nannte sie den chinesischen Präsidenten Xi Jinping einen Diktator, was weder der Pflege der Beziehungen noch dem deutschen Interesse dienlich ist. Die chinesische Außenamtssprecherin Mao Ning nannte Baerbocks undiplomatische Bemerkung denn auch eine „offene politische Provokation“, die ernsthaft die Würde Chinas verletze. Als dann Baerbock einige Zeit darauf das Reich der Mitte besuchte, wurde sie am Rollfeld weder vom Präsidenten noch vom Außenminister noch von einem anderen Regierungsmitglied empfangen, sondern vom stellvertretenden Bürgermeister von Schanghai.
Es stellt sich daher die Frage nach dem Beweggrund, der Baerbock zu derartigen Einlassungen bewogen haben mag, zumal das genannte Beispiel nur ein einziges aus einer größeren Anzahl darstellt. Hierfür bieten sich zwei Erklärungsmuster an. Zum einen klingt aus einer derartigen diplomatischen Fehlleistung ein kindlicher Trotz heraus, die Absicht, der Welt zu zeigen, dass man sich um der besseren Einsicht willen bereit finde, allgemeine Regeln zu brechen. Was aber diese angeblich bessere Einsicht betrifft, so gilt sie der Art und Weise, wie sich andere Länder zu verhalten hätten, nämlich so, wie es die Berliner grüne Weltsicht haben will.
Mit grünem Maß gemessen
Die zweite Erklärung für jene offene Provokation zeigt, dass Ungehörigkeiten dieser Art nicht nur Baerbocks persönliche Art sind, sondern einem Grundzug der deutschen Politik insgesamt seit rund 20 Jahren entsprechen, nämlich fremde Länder, Völker und Systeme am eigenen Maßstab zu messen und danach Gut und Böse zu beurteilen. Es herrscht ein Missionarsgeist, der, unbekümmert um die Traditionen und Prinzipien anderer Kulturen, wägt und misst nach deutschem, mehr noch, nach grünem Maß. Und um es zu wiederholen: Dies dient weder der Pflege der Beziehungen noch dem deutschen Interesse. Berlin hat die Diplomatie im klassischen Sinn suspendiert. Sie spielt keine merkliche Rolle mehr. Auch hier wirkt die grüne Toleranz: Sie gilt allen, die der eigenen Meinung sind.
Doch Deutschland und die Ampelregierung sind nicht die einzigen politischen Kräfte, die so verfahren. Vielmehr wurde das Prinzip aus den USA übernommen, die es seit vielen Jahren mit vollendeter Rücksichtslosigkeit vollziehen. Der einstige Pentagon-Berater Thomas Barnett schrieb in seinem Buch: „Der Weg in die Weltdiktatur“ genüsslich den Satz: „Wenn ein Land von der Globalisierung nicht erfasst wurde, oder einen Großteil seiner zivilisatorischen Einflüsse verweigerte, wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass die Vereinigten Staaten irgendwann in den neunziger Jahren Truppen dorthin entsandten.“
Bangladesch hat drei Prozent Wachstum – Deutschland steckt in einer Rezession
Diese Grundhaltung ist gekennzeichnet durch eine unbekümmerte Missachtung fremder Kulturen. Sie stellt einen geistigen Neokolonialismus dar, welcher die politische Herrschaft früherer Zeit durch ein weltanschauliches Zwangsregime ersetzt. Dafür ein Beispiel aus dem Kenia Arap Mois: Der Autokrat wurde einst von westlichen Geldgebern aufgefordert, im Sinne der Demokratie neben seiner eigenen Partei zumindest eine weitere zuzulassen, sonst würde die Entwicklungshilfe gekürzt. Moi tat danach und beauftragte einen Neffen, eine zweite, ebenso loyale Partei zu schaffen. So geschah es und die Gelder flossen weiter.
Das Beispiel zeigt, dass die weltanschauliche Bevormundung nicht nur eine Anmaßung darstellt, sondern auch an der Wirklichkeit anderer Kulturkreise vorbeigeht. Beides zusammen begünstigt ein steigendes Selbstbewusstsein vieler Länder des globalen Südens, die sich mehr und mehr vom Westen abwenden. Das steigende Interesse an der Mitgliedschaft bei BRICS sollte in den westlichen Hauptstädten als Alarmsignal verstanden werden. Der ungehinderte Nachdruck durch die US-Army verliert an Wirksamkeit, ebenso wie die Gelder aus Deutschland und der EU. Längst hat China ganz Schwarzafrika wirtschaftlich durchsetzt und macht beste Geschäfte in all den Ländern, in denen gleichzeitig die USA Unsummen für ihre Militärbasen ausgeben.
Der westliche Einfluss sinkt. China steigt zur Weltmacht auf. Dort baut man in einem halben Jahr einen Flughafen, während man hierzulande glaubensstark die Wichtigkeit des Genderns erörtert; in Arabien entstehen aktuell die modernsten Städte der Welt, während hier der Wohnungsbau vor der Flut der Zuwanderer kapituliert; Bangladesch, von jeher Sinnbild für Rückständigkeit und Armut, hat zwischen drei und vier Prozent Wirtschaftswachstum, Deutschland steckt in der Rezession; der US-Dollar schließlich hat längst Konkurrenten als Weltreservewährung. Ungebrochen ist nur die westliche Überheblichkeit, anderen Vorschriften zu machen.
Das eigene Chaos nicht beherrschen
Diese Betrachtung schließt mit einer Groteske. Während die Europäer, die Deutschen zumal, in fernen Weltgegenden bestimmen wollen, wie man’s dort halten soll mit Frauenrechten und Schulwesen, welche Regeln zu gelten haben im gesellschaftlichen Umgang und beim Regieren, sind Deutsche, Franzosen, Italiener nicht mehr in der Lage, in den eigenen Ländern dem Druck durch die islamische Zuwanderung standzuhalten. Kirchen werden verkauft und zu Moscheen gemacht; islamische Demonstranten fordern auf Deutschlands Straßen ungehindert das Kalifat; in manchen Großstädten gibt es ganze Viertel, die sich außerhalb des deutschen Rechts befinden, hier herrscht die Scharia.
In andere Kulturen sich einzumischen, ist allemal unrecht. Doch es zu tun und gleichzeitig in der eigenen Heimat den traditionellen Bestand zu gefährden, ist schlimmer. Das ist dumm und lächerlich.
Kolumne von Dr. Florian Stumfall
Erstveröffentlichung PAZ (redaktion@preussische-allgemeine.de)