von hm 04.10.2021 06:36 Uhr

Briefmarken verschwinden aus den Trafiken

Ein eigenartiges Phänomen macht sich derzeit in Bozen bemerkbar. Wer sich nach einer Briefmarke in den Trafiken erkundigt, bekommt fast immer die gleiche Antwort: „Haben wir keine“ – oder wird vertröstet mit: „Wir bekommen erst nächste Woche wieder welche“. Was steckt hinter dem Briefmarkenmangel in Südtirol?

(Archivbild/Pixabay)

Einem UT24-Leser widerfuhr dies in Bozen gleich in fünf Trafiken in Folge. So seltsam es klingt, bedarf es einer Anstrengung, um in einer größeren Stadt wie Bozen an eine Briefmarke zu kommen. Allenfalls gibt es einige Restbestände, oftmals nur über Beträge für Spezialsendungen.

Die Kunst, einen Brief zu versenden

Nun stand der UT24-Leser vor der Frage: Wie kann ich meine Sendung aufgeben? Eine Möglichkeit, ohne Briefmarke einen Brief zu verschicken, bietet das Post- und Telegrafenamt. Hier wird nicht frankiert, sondern nur gestempelt.

Dafür gilt es, sich für einen Brief in der langen Warteschlange am Pfarrplatz einzureihen. Neben den gesalzenen Portos der italienischen Post – die teuersten in ganz Europa – zahlt der Kunde auf dem Postamt noch zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr von fünf Cent auf jeden Brief, den er aufgibt.

Der Rückzug der Trafikanten

Fragt man nach dem Ausstieg der Trafikanten aus dem Briefmarkengeschäft, so ergibt sich bald ein umfassenderes Bild. Der Bestellvorgang ist an sich einfach, jedoch müssen die Markenbögen per Vorkasse beglichen werden. Der Erlös fällt schwindend gering aus; fünf Prozent des Nennwerts kann der Trafikant davon einstreichen. Angesichts der kleineren Menge an Briefmarken, die heutzutage über den Ladentisch gehen, ist das schlicht kein ertragreiches Geschäft mehr.

Alternativ müssen die Trafikanten die Bögen auf dem Postamt einkaufen. Das heißt wiederum: Schlange stehen und womöglich leer ausgehen, weil das Amt nicht ausreichend Bögen lagernd hat. Vor allem in Zeiten der Pandemie und während der Lockdowns ein für die Trafikanten untragbares Unterfangen.

2013 kam es übrigens schon einmal zum völligen Briefmarken-Aus in Bozen: Die Post hatte die Tarife erhöht und konnte kurzfristig keine Marken über die entsprechenden Werte nach Bozen liefern. Die Verbraucherzentrale erstattete Anzeige. Seit diesem Fiasko bedruckt die Post die Marken nur mehr mit Tarif-Bezeichnungen: „A2“, „B1“ etc. Das soll bei künftigen Teuerungen keinen Neudruck mehr erforderlich machen, so die Überlegung dahinter.

Die Zukunft der italienischen Post in Südtirol

Zugegeben – in der heutigen Zeit der E-Mails und Messenger-Dienste ist der Stellenwert des gewöhnlichen Briefes nicht mehr der von einst. Dennoch drückt ein Brief nach wie vor mehr Formalität als ein E-Mail aus – etwa bei juristischen Korrespondenzen. Das Versenden von amtlichen Unterlagen oder handsignierten Dokumenten, aber auch von Ansichts- und Glückwunschkarten ist noch lange nicht ausgestorben.

Das Postwesen gehört eigentlich zur Grundversorgung eines Staates. Dennoch muss das Land Südtirol – so absurd es klingt – der italienischen Post jährlich 3,2 Millionen Euro überweisen, damit sie überhaupt den grundlegenden Dienst gewährleistet. Übrigens erzielten die „Poste Italiane SpA“ im Jahr 2019 einen Nettogewinn von 1,34 Milliarden Euro.

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  1. 04.10.2021

    Ähnlichkeiten mit einer Bananenrepublik sind nicht von der Hand zu weisen.

  2. MartinB
    04.10.2021

    Ein Landesamtsdirektor in Rotation soll die Leitung einer Landespost übernehmen – als Aufsichts-Gremium fähige Personen aus der Privatwirtschaft. Zentralistische Dienste funktionieren nur beim Lohn-Abkassieren der oberen “Bella figura”-Stellen. War schon so – mit etwas mehr Pflichtbewusststein – wird immer mehr so.

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