von su 20.01.2020 10:15 Uhr

Diskussion: Missstände im Südtiroler Gesundheitswesen

Lange Wartezeiten, kanppes Personal und fehlende Zweisprachigkeit gefährden die Gesundheit der Bevölkerung. Bei einer kürzlich im Kulturhaus Schlanders stattgefundenen Podiumsdiskussion zum Gesundheitswesen sind vor allem die mangelnde Zweisprachigkeit des Personals, die fehlende Gesetzgebungskompetenz Südtirols und die Abwanderung der heimischen Ärzte und Pfleger kritisiert worden.

Franz Ploner, Andreas Leiter Reber, Josef Noggler, Thomas Sinha, Sven Knoll, Hanspeter Staffler und Jürgen Wirth Anderlan (v.l.). Foto: © Südtiroler Schützenbund

Am Podium diskutieren Landtagspräsident Josef Noggler (Südtiroler Volkspartei), Landtagsabgeordneter Franz Ploner (Team K), Landtagsabgeordneter Hanspeter Staffler (Grüne), Landtagsabgeordneter Sven Knoll (Südtiroler Freiheit), Landtagsabgeordneter Andreas Leiter Reber (Freiheitliche) und Landeskommandant Jürgen Wirth Anderlan (Südtiroler Schützenbund). Der Abend wurde moderiert von Thomas Sinha.

Ist unser Gesundheitswesen krank?

Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Ist unser Gesundheitswesen krank?“ Schnell war man sich am Podium einig, dass das Gesundheitswesen nicht krank sei, aber dass es zahlreiche Missstände gäbe, die gelöst werden müssten. Vor allem die mangelnden Deutschkenntnisse von immer mehr Ärzten wurden beklagt. Gleich mehrmals wurde betont, dass die Medizin eine sprechende Kunst sei. Eine korrekte Diagnose und erfolgreiche Behandlung hänge zu etwa 80% von einer guten Kommunikation zwischen Arzt und Patient ab, meinte etwa Landtagsabgeordneter Franz Ploner (Team K), der selbst Arzt ist.

Beklagt wurde unter anderem auch, dass die internen Abläufe immer mehr nur in italienischer Sprache stattfinden würden. So sei es gang und gäbe, dass deutschsprachige Ärzte im Kontakt mit ihren Kollegen im Krankenhaus Bozen nur noch auf Italienisch kommunizieren würden. Auch die EDV, z.B. zur Materialbestellung, sei immer mehr rein italienischsprachig.

Abwanderung von Ärzten und Pflegekräften

Der zunehmende Personalmangel in Südtirols Krankenhäusern wurde vor allem darauf zurückgeführt, dass heimische Ärzte und Pflegekräfte abwandern bzw. nach dem Studium erst gar nicht mehr in die Heimat zurückkehren. Grund dafür seien bürokratische Hürden bei der Anerkennung der Studientitel, die fehlende Möglichkeit zur Facharztausbildung in Südtirol und die besseren Arbeitsbedingungen und das höhere Lohnniveau in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Auch  angesprochen wurden die zentralistische Ausrichtung des Gesundheitswesens in Südtirol und die damit verbundene Schwächung der Krankenhäuser auf dem Land.

Organisatorische Mängel und fehlendes Personal

Die langen Wartezeiten auf Facharztvisiten wurden auf organisatorische Mängel und vor allem auf den Personalmangel zurückgeführt. Selbst für einfachste Tätigkeiten wie etwa die Auffrischung einer Zeckenimpfung müssen man in Bozen ein halbes Jahr warten, berichtete etwa Moderator Thomas Sinha aus eigener Erfahrung, und dann sei die zuständige Ärztin nicht einmal in der Lage, Deutsch zu sprechen.

Landtagspräsident Josef Noggler (SVP) sagte, man sei auf gutem Weg, die Probleme in den Griff zu bekommen. So würden lange Wartzeiten bald der Vergangenheit angehören, weil für nicht wahrgenommene Vormerkungen jetzt Strafen gezahlt werden müssten. Auch seien Primariate in Talschaftsspitälern ausgeschrieben worden, was dort zu einer Verbesserung führen werde.

Stärkung der Privatmedizin

Landtagsabgeordneter Andreas Leiter Reber (F) forderte eine Stärkung und Förderung der Privatmedizin. Diese könne das öffentliche Gesundheitswesen unterstützen und entlasten. Dann könne sich jeder Patient einen Arzt in seiner Muttersprache aussuchen und von kurzen Wartezeiten profitieren. Voraussetzung sei, dass die Privatmedizin kraft öffentlicher Kostenübernahme allen Bevölkerungsschichten zugänglich gemacht werde.

Der Landtagsabgeordnete Hanspeter Staffler (Grüne) betonte, dass es im Gesundheitswesen zu viele Entscheidungsebenen gebe. Diese seien zu weit weg vom Patienten und würden Lösungen unnötig in die Länge ziehen und erschweren. Beim Sprachproblem plädierte der Grüne für den Einsatz von Dolmetschern, um die Kommunikation Arzt-Patient zu unterstützen.

Recht einfordern und in der Muttersprache reden

Landtagsabgeordneter Sven Knoll (STF) unterstrich, es müsste als ganz  selbstverständlich gelten, dass die Patienten in ihrer eigenen Muttersprache mit dem Arzt sprechen. Die Südtiroler Autonomie beruhe auf dem Recht auf Gebrauch der Muttersprache. Wenn Südtirol sich sein Gesundheitswesen schon alleine finanziere, dann solle es auch alleine entscheiden können.

Landeskommandant Jürgen Wirth Anderlan (SSB) rief dazu auf, dass sich jeder selbst für sein Recht auf Muttersprache stark machen solle. Nur wenn jeder einzelne sein Recht einfordere, könne sich etwas ändern. Das Geheimnis des Erfolges hätte drei Buchstaben, nämlich TUN. Und genau das müsse auch passieren: tun statt nur reden.

Zu den mangelnden Deutschkenntnissen der Ärzte meinte er, dass hier wohl vor allem der Wille fehle. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass sich beispielsweise italienische Skilehrer aus dem Fleimstal innerhalb weniger Woche ausreichende Deutschkenntnisse aneignen konnten, weil es ihnen sonst im Skigebiet Obereggen ganz einfach an Kundschaft fehle.

Viele Probleme wegen Staat

Auch das Publikum hatte Gelegenheit, mitzudiskutieren. Während ein Arzt aus dem Krankenhaus Schlanders die Meinung vertrat, dass alles halb so schlimm sei, wie es dargestellt werde, bemängelte eine freiberufliche Frauenärztin aus Meran, dass auch am Krankenhaus Schlanders oft rein einsprachig italienische Befunde an deutschsprachige Patientinnen ausgegeben würden. Thema beim Publikum waren auch die fehlenden deutschen Beipackzettel bei Medikamenten. In anderen Ländern wie der Schweiz seien diese eine Selbstverständlichkeit, in Südtirol scheinbar ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Diskussion zeigte, dass man sich der Probleme im Gesundheitswesen durchaus bewusst ist, die notwendigen Lösungen aber vielfach an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz im Land scheitern. So sei eine automatische Anerkennung österreichischer Studientitel oder die Facharztausbildung nach österreichischem Modell nur mit Zustimmung Roms möglich.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurde an der Bar der Schützenkompanie Schlanders, die zusammen mit dem Südtiroler Schützenbund und dem Schützenbezirk Vinschgau den Diskussionsabend organisiert hatte, noch lange und lebhaft weiterdiskutiert. Die Gesundheitsversorgung bewegt wirklich.

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  1. Diandl
    20.01.2020

    Den Vogel abgeschossen hat der Grüne Abgeordnete. Er fordert Dolmetscher für die Arzt-Patienten-Kommunikation! Im eigenen Land sollte es so etwas nun wirklich nicht brauchen.
    Die Grünen träumen von einer Mehrsprachigkeit und würden am liebsten jeden Tellerwäscher mehrsprachig, auf jeden Fall perfekt italienisch sprechend, sehen, aber ein Arzt sollte laut ihnen nicht die Landessprachen beherrschen müssen.
    Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich daran denke, daß die Grünen unser Land verwalten würden.

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