von su 11.11.2019 12:32 Uhr

„ClassyFarm“ – EU schaut kritisch in Schweineställe – Vorzeigebetrieb in Südtirol

Die jetzt eingeleiteten Maßnahmen in Italien, die der Haltung von Mast- und Zuchttieren zugutekommen sollen, gehen von der EU aus. Sie greifen langsam und sind vielerorts höchst notwendig. Die artgerechte Tierhaltung in den Schweinezucht- und Mastbetrieben liegt im Argen, hat eine Recherche von UT24 ergeben.

Dr. Ernst Stifter, Schweine auf der Weide (Bild: Privat, UT24/su)

„Die Schweinezucht in Italien ist in einem äußerst schlechten Zustand“, sagt Dr. Ernst Stifter vom Landestierärztlichem Dienst zu UT24.

Das hat eine EU-Inspektion ans Tageslicht gebracht.

Stifter ist im Veterinäramt in Bozen für die Ausrichtung, Koordinierung und Aufsicht bezüglich der Einhaltung der EU-, Staats- und Landesbestimmungen über die in der Provinz tätigen tierärztlichen Dienste, zuständig.

Schreckliche Zustände

Stifters Urteil bezieht sich bis auf wenige Ausnahmen nicht auf die reale Situation in Südtirol. Im restlichen Italien sieht Stifter jedoch akuten Handlungsbedarf.

Er habe, so Stifter, „schreckliche Zustände“ in einem Stall des Stiefelstaates vorgefunden.

„Tiere die ohne Einstreu im eigenen Kot liegen – ihre Bedürfnisse nach Kühlung und Feuchtigkeit im Sommer nicht vorfindend“.

5400 schweinehaltende Betriebe mit nur 8800 Tieren in Südtirol

So macht sich das im „Anfangsstadium befindliche Italien“ (Stifter), gerade daran, neue Kriterien für die Tierhaltung umzusetzen. Diese sind vom italienischen Gesundheitsministerium im Projekt „ClassyFarm“ definiert worden.

Es handelt sich dabei um ein integriertes Kontrollsystem für die Erfassung von Daten aus mehreren Quellen, welche die Durchführung einer allgemeinen Bewertung des Betriebes ermöglicht.

„ClassyFarm“ soll die Risiken in italienischen Landwirtschaftlichen Betrieben klassifizieren, erklärt Dr. Stifter.

In Südtirol gibt es 5400 schweinehaltende Betriebe mit nur 8800 Tieren. Davon sind 264 Mast- u Zuchtbetriebe, was dem Durchschnitt von 1,6 Tieren pro Betrieb entspricht.

Dr. Stifter hat sich an den entsprechenden Kontrollen in Südtirol beteiligt.

Niederlegen und aufstehen mit normaler Bewegung

Aus dem umfangreichen Anforderungskatalog der Risikobewertung entnehmen wir beispielsweise unter dem „Überprüfungselement 10 (Nr.3) Struktur und Einrichtung – Liegeplatz“ die Prämisse:

„Die Aufstallung der Schweine muss so konstruiert sein, das sie allen Tieren ermöglicht: Zugang haben zu einer Zone, wo sich alle Tiere gleichzeitig bequem hinlegen können bezüglich Platz, Wärme und ausreichend Trocken und Sauberkeit; niederlegen und aufstehen muss mit normaler Bewegung möglich sein.”

Der Kontrolleur verifiziert in der Folge die Bedingungen der Liegeplätze mit „ungenügend“, oder „verbesserungswürdig“ und urteilt über das „Vorhandensein auch nur eines ungenügenden Parameters“ oder findet „Alle Parameter sind genügend“.

Umfangreiche Risikobewertung

Das umfangreiche Kontrollsystem der Risikobewertung verlangt u.a. „die Schweine müssen zu Materialien, die ihnen eine ausreichende Beschäftigung und Manipulation erlauben, einen permanenten Zugang haben, z. B. Heu, Stroh, Holz, Sägemehl, Pilzkompost, Torf bzw. dessen Mischung, ausgenommen wenn diese Nutzung ihrer Gesundheit und Wohlbefinden schadet“.

Auch die direkte Beurteilung der Tiere nimmt der Kontrolleur vor: „Folgende Verletzungen untersuchen: sichtbares Schwanzbluten; Vorhandensein von Schwellung und Entzündung; Fehlen von Gewebeteilen und Vorhandensein von Narben (die Prozentzahlen ändern sich bei Schwanzamputierten Tieren)“ oder

„Die Anzahl der Tiere mit gravierenden Ohrverletzungen mit Blutungen und/oder mehr oder weniger ausgeprägter Gewebeverlust der Ohrmuschel“. Insgesamt sind es 21, sehr komplexe Elemente, die der Überprüfung unterzogen werden.

Am Unterkranzerhof der Familie Kral im Sarntal (Bilder: UT24/su)

Die Schweine sind auf der Wiese

Dr. Stifter nennt auf Bitte von UT24, einen Betrieb im Sarntal, welcher als „optimal“ eingestuft werden kann. Es gäbe in Südtirol natürlich noch andere vorzeigbare Betriebe, so Stifter.

Auf dem „Unterkranzerhof“ der Familie Kral im hintersten Sarntal angekommen, sticht eines sofort ins Auge. Es herrscht Ordnung und Sauberkeit. Die Ruhe und Beschaulichkeit auf 1540 Meter gelegenen Hof mag dazu beitragen, dass es sofort nach „wohlfühlen“ anmutet.

Wo sind die Schweine, fragen wir Petra Kral, die zusammen mit ihrem Mann Mario, Sohn Benjamin, Tochter Tanjara und Schwiegertochter Juliane, den Hof bewirtschaften und die Hofmanufaktur betreiben.

„Die sind auf der Wiese“, sagt die freundliche Sarnerin. Auf die Frage von UT24, wo sich denn die Tiere suhlen können, zeigt uns Petra die Einrichtung. Mehrere Schweine sitzen gerade im „Bad“ und betreiben „Wellness“, wie Petra es ausdrückt.

Derzeit leben 76 Schweine, fünf Kühe der Grauvieh-Rasse – die nur alle zwei Jahre mal kalben und das immer auf der Alm in freier Natur, zwei Haflinger, ein Esel, Hühner, Enten, Hasen, Hunde und Katzen werden am Unterkranzerhof gehalten.

Mario ist stolz und glücklich darüber, dass seine Schweine in der Vegetationszeit die Gelegenheit haben, beliebig frisches Gras unter freiem Himmel zu fressen.

Den Auslauf nehmen die Tiere auch im Winter vor. „Wenn auf den Weiden ein Meter Schnee liegt, dann sieht man den Schweinen die Freude ins Gesicht geschrieben, wenn sie in freier Natur herumtollen können“, erzählt Mario.

Auf die Auflagen von „ClassyFarm“ angesprochen, sagt Mario, dass er sich darüber freue, dass hier endlich Ordnung geschaffen wird – zumindest gibt es die Absicht hierfür, ergänzt er. „Wir sind diesbezüglich auf einem sehr guten Punkt und erfüllen alle Anforderungen, welche „ClassyForm“ vorschreib, mit der Beurteilung ‚Optimal*.

Bilder: UT24/su

Weil unsere Herzen so ticken

Auf dem „Unterkranzerhof“ ist dem Bemühen nach artgerechter Tierhaltung schon von allem Anfang an nachgegangen worden. „Einfach deswegen, weil unsere Herzen so ticken“, begründet Mario gegenüber UT24 seine Haltung und verweist darauf, dass sich dieses Bewusstsein auf alle Bereiche seines Betriebes niederschlägt. Die Umsetzung der von „ClassyFarm“ festgelegten Kriterien, werden auf dem Bauernhof der Krals umgesetzt.

Dazu zählt auch die Besonderheit, wonach „Im Fall, wenn der Zustand eines Tieres die Tötung im Betrieb verlangt, müssen die, in der spezifischen Norm, beschriebenen Methoden eingehalten werden (Reg. CE 1099/2009). Beurteilen, ob diese Praktiken von ausgebildetem Personal getätigt werden und ob schriftliche Prozeduren vorhanden sind“.

Mario Kral hat sich auf seinem „Unterkranzerhof“ auch in diesem Bereich mittels Ausbildung die entsprechenden Befähigungsnachweise erworben, welche vom Kontrolleur mit „Vorhandensein von schriftlichen Prozeduren und Ausbildung der Betreuer“, beschieden worden ist.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite