von ih 11.06.2019 14:18 Uhr

Wenn private Nacktfotos im Internet landen

In Zusammenarbeit mit der Postpolizei Bozen und Trient möchten Wissenschaftler der Universität Bozen gemeinsam mit internationalen Experten ein hochaktuelles Thema untersuchen, zu dem es bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse gibt: das Phänomen des sogenannten „Revenge porn“ oder „Rachepornos“. Im Rahmen ihres „Kick-off-Workshops“ stellten die beteiligten Forscher das Projekt am heutigen Dienstag, 11. Juni, vor.

Foto: Universität Bozen

„Vertraue mir, es ist nur für mich“. Kriminalisierung des „Revenge Porn“: Unter diesem Titel läuft das staatsweit erste wissenschaftliche Projekt zum Phänomen der Rachepornos, also der Verbreitung von intimen Bildern oder Videos im Internet ohne Einwilligung der betroffenen Person im Rahmen eines Racheaktes, Missbrauchs oder einer Belästigung. Obwohl die Fälle von Rachepornos zunehmen und das Phänomen medial sehr präsent ist, gibt es dazu kaum wissenschaftliche Untersuchungen oder Statistiken. „Diese Forschungslücke möchten wir nun füllen“, erklärt Kolis Summerer, Professorin für Strafrecht der unibz, die das Projekt in die Wege geleitet hat.

Um den vielfältigen Aspekten dieser Form von Cybergewalt gerecht zu werden, bringt das Projekt internationale Forscherinnen und Forscher sowie Experten aus der Praxis aus verschiedenen Disziplinen wie Strafrecht, Informatik und Psychologie zusammen. Elf Forschergruppen werden das Phänomen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten und dafür sowohl qualitative Interviews als auch quantitative Erhebungen durchführen.

Hauptziel der Forschungsteams der Freien Universität Bozen, der Universität Innsbruck, der University of Cambridge (UK) und der Flinders University (Australien) ist es, das Phänomen der Rachepornografie aus rechtlicher Sicht zu analysieren, um festzustellen, ob es in diesem Bereich einer neuen Regelung bedarf. „Im Speziellen werden wir prüfen, ob es möglich ist, bei solchen Delikten auf bestehende Strafrechtsbestimmungen – wie jene zu Sexualdelikten, Kinderpornografie und Verletzungen der Privatsphäre – zurückzugreifen“, sagt Kolis Summerer. Darüber hinaus werden die Forscherteams den aktuellen Gesetzesentwurf zu Rachepornos auf seine Angemessenheit überprüfen und ihn mit bestehenden Normen in anderen Ländern vergleichen. Aus rechtlicher Sicht werden unter anderem auch die Fragen geprüft, inwiefern Personen, die zur Verbreitung des Bildmaterials beitragen, haftbar gemacht werden können und wo die Grenzen der eingeschränkten Verantwortung von minderjährigen Tätern liegen. „Laura Valle, Professorin für Privatrecht sowie Wirtschafts- und Vertragsrecht der unibz, wird schadenersatzrechtliche Aspekte und weiter Maßnahmen zum Opferschutz beleuchten, auch in Bezug auf die Verpflichtungen von Betreibern der jeweiligen Internetplattformen“, so Summerer.

Plattformen für Rachepornos werden untersucht

Eine der Forschungsgruppen der Fakultät für Bildungswissenschaften erhebt Daten auf lokaler und nationaler Ebene, um besser einschätzen zu können, wie stark die Verbreitung von Rachepornos in Italien bzw. in Südtirol und dem Trentino ist. Die Datenerhebung wird von der Postpolizei Trentino-Südtirol und dem Verein GEA – Kontaktstelle gegen Gewalt unterstützt. „Bisher hat das Phänomen auf lokaler Ebene keine besorgniserregenden Ausmaße angenommen“, beruhigt Oberinspektor Ivo Plotegher. „Dieses Projekt ist jedoch ein ausgezeichnetes Instrument, um für mehr Sicherheit und Bewusstheit im Umgang mit neuen Medien zu sorgen.”

An der Fakultät für Informatik wird man untersuchen, welche digitalen Plattformen besonders häufig für Rachepornografie genutzt werden und welche Maßnahmen zum Schutz vor einem solchen Missbrauch diese vorsehen. Forscher Sergio Tessaris arbeitet daran, Instrumente zum Schutz privater Daten zu entwickeln, damit potenzielle Opfer der Verwendung ihrer Fotos und Filme besser vorbeugen können.  Der Forscher wird dabei das Thema Sicherheit im Netz und die Richtlinien für das Teilen von Inhalten im Internet vertiefen und analysieren, in welchem Ausmaß künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, um intime und private Inhalte im Netz ausfindig zu machen.

Wenn der Ex-Partner das Vertrauen bricht

Um die Motivationen der Täter soll es in einem weiteren Arbeitspaket gehen: Was bringt Menschen dazu, intime Fotos im Internet zu teilen? Und was sind die psychologischen Folgen, wenn diese Bilder ohne Einwilligung der Beteiligten veröffentlicht werden? Solchen Fragen widmen sich Antonella Brighi von der Fakultät für Bildungswissenschaften und Phillip T. Slee von der Flinders University in Australien. Sie wollen auf Basis ihrer Forschungsergebnisse Profile von typischen Opfern und Tätern erstellen. Häufig betroffen von solch illegalen Praktiken sind Ex-Partner oder bekannte Persönlichkeiten, ein Großteil der Opfer ist weiblich. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk gegen Gewalt soll in diesem Rahmen auch der Zusammenhang von Rachepornografie und Geschlechterungleichheit untersucht werden.

Im Laufe des Forschungsprojektes sollen mehrere Workshops und eine Abschlusstagung organisiert werden, um das erworbene Wissen zwischen Experten, Betroffenen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachbereichen zu teilen.  Wer sich über die Aktivitäten der Forschungsgruppe informieren will, findet auf der Homepage des Projektes creep.projects.unibz.it laufend Neuigkeiten.

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