von su 16.05.2019 09:25 Uhr

Südtirol trauert um Sepp Innerhofer

In der Nacht zum Donnerstag ist in Schenna Sepp Innerhofer(✟) verstorben. Der 91-Jährige war Gründungsmitglied des Befreiungsausschuss Südtirol (BAS).

Sepp Innerhofer, Redner anlässlich der Andreas Hofer Feier in Tramin im Jahre 2018 (Bild UT24/su)

Innerhofer hielt bis kurz vor seinem Tod regelmäßig Vorträge über die geschichtlichen und politischen Hintergründe rund um die Italienisierung Südtirols.

Auch die Geschehnisse rund um die Feuernacht thematisierte der Schennaner Obstbauer.

„Man wollte uns ganz einfach in Italiener verwandeln" (Sepp Innerhofer(✟) )

„Es war damals ein alltäglicher Kampf, den jeder Einzelne sowie die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerungsgruppe bestehen musste. Das Leben war ein ständiges Sich-Behaupten gegen faschistische Übergriffe. Die fremden und unerwünschten Machthaber versuchten, unsere Heimat zu italianisieren und uns Südtiroler zu zwingen, etwas anderes zu sein, als wir waren. Man wollte uns ganz einfach in Italiener verwandeln. So begann man mit der Abschaffung der geschichtlich gewachsenen Ortsbezeichnungen, der Name „Tirol” wurde verboten. Es folgte die Abschaffung der deutschen Schulen, die Tiroler Lehrer wurden zwangspensioniert oder in die welschen Provinzen versetzt und bei Weigerung drohte ihnen das Berufsverbot. Deutsche Taufnamen und vieles andere mehr wurden nicht mehr zugelassen. Ich habe von 1934 bis 1940 nur die italienische Volksschule besucht und meine Generation konnte weder Deutsch lesen noch schreiben. Aus diesem Zwang heraus entstanden dann die sogenannten „Katakombenschulen”, ein Geheimschulnetz, in denen uns Kindern das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache gelehrt wurde“, sagte Innerhofer dem Meraner Stadtanzeiger in einem Interview.

Sepp Innerhofer (ganz links) auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung in Mailand (Bild SHB)

SHB: „Abschied von einem Freiheitskämpfer der ersten Stunde“

„Es erreicht uns eine traurige Nachricht: Im Alter von 91 Jahren ist Sepp Innerhofer, Gojenbauer in Schenna und Träger des Tiroler Verdienstkreuzes, von uns gegangen. Er war das letzte noch lebende Gründungsmitglied des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS)“ schreibt der Obmann des Südtiroler Heimatbundes (SHB), Roland Lang, in einem Nachruf auf Sepp Innerhofer.

„In der Nacht auf den 30. Jänner 1960 sprengte er zusammen mit Kurt Welser, Heinrich Klier, und Martl Koch ein besonders verhasstes Symbol faschistischer Herrschaft, das damals immer noch bestehende Reiterstandbild des „Duce“ vor dem Kraftwerk in Waidbruck“, so der Obmann des SHB weiter.

Nach den Anschlägen der Herz-Jesu-Nacht des Jahres 1961 auf Strommasten wurde Sepp Innerhofer verhaftet und in der Carabinierikaserne in Eppan schwer gefoltert.

In einem aus dem Gefängnis herausgeschmuggelten Brief an Landeshauptmann Dr. Magnago schilderte Innerhofer am 22. September 1961 die erlittenen Misshandlungen: Stehen vor einer Glühlampe direkt vor dem Gesicht – Faustschläge und Schläge mit Gewehrriemen und Gewehrkolben ins Gesicht und auf den nackten Körper – ein Zahn ausgeschlagen – ohne Essen und Trinken 24 Stunden im Keller – neuerliche Misshandlungen an den Geschlechtsteilen – Bewusstlosigkeit – zuletzt Unterschrift unter ein vorgelegtes „Geständnisprotokoll“, ohne dieses gelesen zu haben.

Magnago reagierte nicht auf diesen Brief.

Sepp Innerhofer saß 3 Jahre im Gefängnis und hatte nach seiner Entlassung 35 Jahre lang keine Bürgerrechte. Er durfte keinen Besitz haben, keine öffentlichen Ämter bekleiden und musste sich regelmäßig bei den Carabinieri melden.

Erst im Jahre 2000 durfte er wieder sein Wahlrecht ausüben.

Innerhofer trat stets öffentlich für das Recht auf Selbstbestimmung ein und hielt noch im hohen Alter zahlreiche Vorträge an Schulen und auf Abendveranstaltungen. Damit erfüllte er im Dienste der Wahrheit eine Aufgabe, welche von der Landespolitik nicht wahrgenommen wurde.

Innerhofer berichtete den Schülern über den Faschismus, die Katakombenschule, die aufgezwungene Option von 1939, den Pariser Vertrag, die Gründung des BAS, die Anschläge der Feuernacht, die Verhaftungswelle, die schrecklichen Folterungen und die Gerichtsverhandlungen in Mailand.

Am 20. April 2018 hatte die Tageszeitung Dolomiten ein ausführliches Interview mit dem Freiheitskämpfer gebracht und diesen damit gewürdigt.

Wir nehmen voll Bewegung Abschied von einem mutigen und aufrichtigen Tiroler und trauern mit den Angehörigen, so der SHB-Obmann Roland Lang.

SEPP INNERHOFER - ZEITZEUGEN DER 1960er JAHRE IN SÜDTIROL - Video

  • Markus Abwerzger / Quelle:APA (Archiv)

Mag. Abwerzger: „Gesamttirol trauert um einen echten Patrioten und Kämpfer gegen den Faschismus.“

FPÖ-Landesparteiobmann zum Tod von Sepp Innerhofer.

„Ein aufrechter Patriot und Kämpfer gegen den italienischen Faschismus“, mit diesen Worten nimmt Tirols FPÖ-Landesparteiobmann KO LAbg. Mag. Markus Abwerzger im Namen der Tiroler FPÖ zum Tod des Gründungsmitgliedes des Befreiungsausschusses Südtirol, Sepp Innerhofer, Abschied.
„Er kämpfte lebenslang für die Rechte der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung in Südtirol und er kämpfte gegen den italienischen Faschismus“, führt Mag. Abwerzger aus, der den Angehörigen des Verstorbenen seine tiefempfundene Anteilnahme ausdrückt

Sepp Innerhofers Folterbrief an Silvius Magnago

Am 22. September 1961 schrieb Sepp Innerhofer einen Brief an Silvius Magnago. Im folgenden die exakte Wiedergabe gemäß Original

Sehr geehrter Herr Dr. Magnago!

Entschuldigen Sie nochmals, daß ich Ihnen durch mein Schreiben noch mehr Arbeit bereite, aber da ich gehört habe, daß die Öffentlichkeit über die Art und Weise der Mißhandlungen nicht im Bilde ist, möchte ich durch eine, nur die wichtigsten Angaben umfassende Schilderung, Ihnen diesen Brief schreiben.
Nach meiner Verhaftung am 17. Juli (Montag. nachts) mußte ich den ganzen Dienstag und Mittwoch ununterbrochen aufrecht stehen, ohne Essen und Trinken. Bin immer wieder inzwischen vorgeführt worden, um verhört zu werden. Gleich am Dienstag schon bekam ich die ersten Schläge ins Gesicht und in den Rippen.
Da ich von der ganzen Sache überhaupt nichts wußte, habe ich jedes Mal auf ihre Fragen verneinen müssen. 2 Stunden wurde ich dann unter eine starke Glühlampe gestellt. Beim nächsten Verhör hatte mir dann ein bestimmter Herr Pozzer (in Zivil) mit der Faust so stark ins Gesicht geschlagen, daß mir die Lippe aufsprang und ein Oberzahn losgeschlagen wurde. Dann mußte ich wieder im Gang stehen, und die Wache wurde beauftragt, mir bei unaufrechtem Stehen, die Fußspitzen zu treten, was auch etliche Male geschehen ist, da ich fast nicht mehr imstande war aufrecht zu stehen.Nach meiner Verneinung am Mittwoch vor dem Staatsanwalt wurde ich 24 Stunden in den Keller, auch wieder ohne Essen und Trinken, gesperrt. Am Donnerstag nachts wurde ich dann zu einer „Sonderbehandlung“ nach Eppan gebracht. Wurde nach einem weiteren Verhör in eine Kammer gebracht, wo ich mich vollständig nackt ausziehen mußte. Wurde dann mit Hosen und Gewehrriemen furchtbar über dem ganzen Körper über geschlagen. Als ich um Wasser bat, wollte man mir etwas Anderes (Gelbes Wasser) einschütten. Da ich den Mund nicht auftat, wurden mir bei den Geschlechtsteilen die Haare ausgezupft!! um mich dadurch zum Schreien zu bringen.Da alle meine Kraft zu Ende war, hab ich um ein Verhör gebeten, und habe mich dann durch eine ausgedachte Lüge, vor weiteren Mißhandlungen geschützt. (In d)Am Freitag früh kam ich dann wieder nach Meran und glaubte, daß ich endlich Ruhe finden würde. Jedoch ging es gleich mit Verhören und weiteren Schlägen wieder weiter. Am Freitag Mittag bekam ich das erste Mal nach 4 Tagen einen Klumpen kalte Pasta, und Wasser. Nachmittag kamen dann furchtbare Stunden. Wurde wiederum beim Verhör mit harten Faustschlägen auf den Hinterkopf behandelt. Zweimal fiel ich vom Stuhl zu Boden. Nach einem weiteren starken Schlag weiß ich nichts mehr. Bin am Samstagfrüh noch ganz benommen aufgewacht, und mir wurde dann ein langes Protokoll vorgelegt, das ich ohne zu lesen unterschrieben habe. Weiß heute noch nicht was darin steht, da ich der ital. Sprache nicht mächtig bin, und ebenso noch nicht vor dem Untersuchungsrichter war. Habe heute noch, nach 2 Monaten Haft, mit dem Kopf zu leiden. Wurde hier in Bozen behandelt, sowie 14 Tage nach Trient ins Krankenhaus gebracht, jedoch mein Kopfweh blieb, und kann fast gar nicht schlafen.
Mit diesen meinen furchtbarsten Erlebnis, nach Krieg und Militär, möchte ich diesen Bericht abschließen mit besten Grüßen an Ihnen für Ihr Verständnis dankend
ergebenst Sepp Innerhofer, Meran, Schloß Goyen – derzeit Dantestr. 28a Bozen“

Quelle: Südtiroler Heimatbund

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