von ih 18.03.2019 16:30 Uhr

„Es ist einfach viel schief gelaufen“ – Interview

Die 43-jährige Ulli Hilber aus St. Lorenzen hat seit vielen Jahren beruflich mit Pflegepatienten zu tun. Da sie jeden Tag mit eigenen Augen sehen muss, wo die Probleme in diesem Bereich liegen, hat sie sich nun erstmals mit einem Facebook-Posting an die Öffentlichkeit gewandt – mit Erfolg. Mehr als 200 Mal wurde ihr Beitrag bislang geteilt und selbst Landtagsabgeordnete meldeten sich zu Wort. UT24 hat bei der Pflegeberaterin nachgefragt, was sie sich konkret von der Politik wünscht.

Ulli Hilber aus St. Lorenzen hat öffentlich aufgezeigt, was in der Pflege in Südtirol derzeit falsch läuft - Fotocollage. UT24/Pixabay

Frau Hilber, Sie haben mit einem Facebook-Posting auf die Missständen im Pflegebereich in Südtirol aufmerksam gemacht. Was hat Sie eigentlich dazu bewogen?

 
Ulli Hilber: Ich habe 24 Jahre lang im Sanitätsbetrieb als Krankenpflegerin gearbeitet. Im vorigen Jahr habe ich mich dann mit Pflegeberatungen selbstständig gemacht. Das heißt, ich gehe direkt zu pflegende Angehörige nach Hause und frag sie, was sie alles konkret brauchen, um die Pflege zu Hause zu organisieren.

Und genau dort fängt es bereits es mit den Missständen an, da genau das jene Menschen sind, die die bestehenden Probleme am eigenen Leib erfahren. Das reicht von bürokratischen Hindernissen, ein Pflegebett zu organisieren bis hin zu den Pflegeeinstufungen, die einfach nicht dementsprechend ausgeführt werden. Somit waren es vor allem die Gespräche mit den Angehörigen, die mich dazu bewegt haben, auch endlich öffentlich darüber zu sprechen.

In Ihrem Posting haben Sie auch einen klaren Appell an die Politik gerichtet, endlich an Lösungen zu arbeiten. Wo muss hier Ihrer Meinung nach angesetzt werden?

 
Also momentan ist es sicherlich so, dass das Hauptproblem jenes ist, dass immer mehr Angestellte den Südtiroler Sanitätsbetrieb verlassen bzw. ein großer Teil von den Ausgebildeten in die Schweiz abwandert. Es nutzt daher relativ wenig, wenn die Politik die Daten kennt, dass die Bevölkerung immer älter wird und chronische Erkrankungen immer öfters vorkommen, und sie tut einfach nichts.

Es nutzt unserem Land wenig, wenn immer mehr Einrichtungen, wie Altersheime gebaut haben, wir aber das Personal dafür nicht haben. Zuerst einmal sollte bei der Entlohnung und den Tarifverhandlungen etwas weitergehen, damit endlich die notwendigen Verträge unterzeichnet werden, die seit Jahren stillstehen bzw. immer wieder vertagt werden. Auch müssen endlich mehr Anreize gesetzt werden, damit der Pflegeberuf wieder interessanter wird. So sind in den Altersheimen teilweise auch Fortbildungen unterbrochen worden, weil das Geld dafür gefehlt hat. Dass diese Berufssparte aber von den Fortbildungen lebt, bedenkt dabei keiner.

Das heißt, Sie wünschen sich dass das Land mehr Geld in das Personal, als in die Infrastruktur steckt?

 
Ja, absolut. Auch finde ich es wichtig, dass Schwerpunktzentren in den Altersheimen gesetzt werden. Denn teilweise haben wir Patientengruppen, wie z.B. Wachkomapatienten, wo es an konkreten Ãœberlegungen mangelt, diese Menschen langfristig irgendwo unterzubringen.

Die SVP-Abgeordnete Jasmin Ladurner hat sich ja öffentlich bereits bei Ihnen angeboten, sich die bestehenden Probleme in Ihrem Beruf vor Ort anzusehen. Wurden Sie schon kontaktiert?

 
Nein, leider Gottes ist es nur bei diesem einen Posting von Jasmin Ladurner geblieben. Ich habe sie zwar angeschrieben, aber bisher noch keine Rückantwort bekommen.

Ich hoffe aber, und das richtet sich jetzt nicht nur an die Frau Ladurner, dass sich eventuell auch weitere Politiker bei mir melden. Denn es wäre durchaus wichtig, wenn die agierenden Landtagsabgeordneten die Missstände von den betroffenen Familien selbst zu hören bekommen. Damit würden sie nämlich auch sehen, was es bedeutet, wenn sie im Landtag Beschlüsse in diesem Bereich fassen.

Wie waren allgemein die Rückmeldungen in Ihrem persönlichen Umfeld, als sie die Probleme in Südtirols Pflege öffentlich gemacht haben?

 
Also eigentlich muss ich sagen, waren die Rückmeldungen sehr positiv. Was mir allerdings noch ein bisschen fehlt, ist die Resonanz der Mitarbeiter im Sanitätsbetrieb. Wobei diese natürlich sehr verhalten sein werden. Denn diese Leute dürfen nicht unbedingt öffentlich darüber reden.

Diejenige, die sich allerdings bei mir gemeldet haben, wussten bereits über die bestehenden Probleme bescheid. Den Mitarbeitern selbst sind aber zumeist die Hände gebunden, da sie hauptsächlich mit Bürokratie beschäftigt sind und kaum mehr Zeit dafür finden, sich ihren Patienten zu widmen.

Wie geht es nun aber weiter in Ihrem Kampf für eine bessere Pflege in Südtirol? Haben Sie bereits Pläne für weitere Aktionen?

 
Die Aktionen gehen mit großer Sicherheit weiter. Mein erstes Ziel ist es zunächst, die Bevölkerung in Südtirol auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Denn ich glaube, gerade die Sanität ist ein Bereich, den jeder von uns etwas angehen sollte.

Auch wenn das Thema der Alterskrankheit jetzt z.B. nicht unbedingt etwas ist, worüber jeden Tag beim Essen gesprochen wird. Konfrontiert damit sieht man sich nämlich meistens erst dann, wenn in der eigenen Familien ein solcher Fall auftritt.

Wenn wir aber die demographische Entwicklung weiterverfolgen, so wird es nicht mehr lange dauern, dass wir eines Tages nicht mehr in der Lage sind, für alle Menschen etwas Gutes anzubieten. Und hier muss endlich ein Konzept her, wo man sich überlegt, wie die Pflege in Zukunft finanziert werden soll. Und ich glaube auch, dass es nicht nur bei kurzfristigen Aktionen bleiben soll, sondern die Menschen langfristig für dieses Thema sensibilisiert werden sollen.

Wie aber wollen Sie die Politik davon überzeugen?

 
Mein Wunsch wäre es, die Landesregierung mit ins Boot zu holen. Das soll jetzt nämlich nicht als Angriff gegen die Politik in Südtirol aufgefasst werden. Eher sehe ich es als Aufforderung, endlich etwas in Betracht zu ziehen, um alle Betroffenen an einen Tisch zu setzen, um wirklich ernsthaft an Lösungen zu arbeiten.

Denn ich glaube, in Vergangenheit ist einfach viel schief gelaufen und vieles verpasst worden. Aber ich glaube, wenn wir jetzt alle positiv in die Zukunft blicken, dann kann man am besten etwas Konstruktives erreichen..

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