von apa 11.12.2018 07:30 Uhr

Nationalratsmarathon begann mit Schlagabtausch

Mit einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition startete am Dienstag der vorweihnachtliche Nationalratsmarathon. Denn die Liste “Jetzt” hatte “Ein Jahr Regierung: Rechtsruck und soziale Kälte” als Thema der Aktuellen Stunde vorgegeben – und es damit geschafft, Kanzler und Vizekanzler ans Rednerpult zu bekommen, die persönlich die scharfen Angriffe zurückwiesen.

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Bruno Rossmann, Klubobmann der früheren Liste Pilz, eröffnete mit einer umfassenden Negativ-Bilanz: Türkis-Blau stehe für “brutale Entmachtung der Arbeitnehmer und ihrer Vertretung”, “brutale Umfärbung” in staatsnahen Unternehmen, Postenschacher, eine “schamlose” Verteilung von unten nach oben mit “Frontalangriffen auf Arme, Arbeitslose und Migranten”, Totalversagen beim Klimaschutz und “Sündenbockpolitik” mit dem Motor “Hass und Feindbilder”. Umgekehrt würden ihre Wahlkampfspender mit Milliardengeschenken “schamlos bedient” und sie habe Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa salonfähig gemacht.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) antwortete ihm mit einer positiven Bilanz (Ende der Schuldenpolitik, Entlastung kleiner Einkommen und der Familien, Kassen- und Mindestsicherungsreform) – aber auch Tadel: Inhaltliche Debatten mit unterschiedlichen Zugängen wären bereichernd, aber er “würde schon ersuchen, respektvoll im Ton zu bleiben”. Die Gesellschaft spalte, wer andere herabwürdige, mahnte er ein, demokratische Wahlentscheidungen zu respektieren. Motto seiner Politik sei, “dafür zu sorgen, dass Menschen, die arbeiten gehen, mehr zum Leben bleibt”. Dem Vorwurf der “sozialen Kälte” hielt Kurz entgegen, dass “sozial nicht ist, was in Abhängigkeit hält, sondern das, was stark macht”.

Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried sieht die “Jahresleistung des Herrn Kurz” anders: Türkis-Blau habe das Land schon im ersten Jahr “unsozialer, undemokratischer, ungesünder und unmoralischer gemacht … es ist kälter geworden in Österreich durch Sie”. Dies sei “kein Grund zu feiern, das ist ein Tag zum Trauern”. Besonders “unmoralisch und unanständig” ist für Leichtfried, dass die FPÖ die Republik auf Schadenersatz für die auf ihr Verlangen wiederholte Bundespräsidenten-Stichwahl klagt. “Dafür können Sie sich schämen”, sagte er den Blauen.

Es sei wohl “eine Frage der jeweiligen Deutung”, wie man die Regierung beurteilte, stellte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) fest. Rossmanns Kritik habe nichts mit politischen Realitäten zu tun, sondern nur mit seiner Weltanschauung. “Aber wir machen keine Politik für Sie, den ‘Falter’ oder sonstige Linksideologen. Dazu stehe ich”, hielt Strache den Angriffen entgegen, dass man aus seiner Sicht eine “erfreuliche Bilanz präsentieren” könne.

Einigermaßen unaufgeregt hat der Nationalrat demgegenüber das Frauenvolksbegehren debattiert. Am Überraschendsten war noch, dass weder Minister noch Staatssekretäre auf der Regierungsbank Platz nahmen, was etwa SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek bedauerte. Das Volksbegehren war heuer von knapp 482.000 Personen unterzeichnet worden und schaffte damit die Hürde von 100.000 Unterschriften für eine parlamentarische Behandlung locker. Zu den Forderungen gehörten etwa eine 50-prozentige Frauenquote in Leitungsgremien staatlicher und börsennotierter Unternehmen, eine nach Geschlechter-Parität ausgerichtete Parteienförderung, eine 30-Stunden-Woche oder aber ein gesetzlicher Mindestlohn von 1.750 Euro.

SPÖ-Frauenchefin Heinisch-Hosek sicherte den Initiatorinnen zu, dass man nicht zulassen werde, dass deren Forderungen “verräumt” würden. Auch NEOS-Frauensprecherin Claudia Gamon und Stephanie Cox von der Liste “Jetzt” (vormals Liste Pilz) versprachen Unterstützung. Gamon machte klar, dass auch sie nicht jede Formulierung im Volksbegehren unterstützt habe, aber die Intention an sich. Ebenso wie Cox warb sie etwa dafür, Mädchen schon früh technische und IT-Berufe schmackhaft zu machen.

ÖVP-Frauensprecherin Barbara Krenn erklärte sich mit vielen Forderungen des Begehrens einverstanden, “aber leider nicht mit allen”. Grundsätzlich forderte sie Frauen zum Zusammenhalt aus. Seitens der FPÖ zweifelte Carmen Gartelgruber an, dass alle Unterzeichnerinnen auch verstanden haben, was sie unterschrieben hatten. So bedeute etwa das Verlangen nach einem Rechtsanspruch auf einen ganztägigen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz ab Ablauf der Mutterschutzfrist, dass Kinder schon mit acht Wochen in entsprechenden Einrichtungen betreut werden könnten. Cox fand Gartelgrubers Vermutung, dass die Unterzeichner das Begehren nicht verstanden hätten, “arrogant”. Das Volksbegehren wandert nun nach der sogenannten “Erste Lesung” am Dienstag weiter in den zuständigen Ausschuss, wo es in mehreren Sitzungen weiter debattiert werden soll.

Das überraschend erfolgreiche ORF-Gebühren-Volksbegehren hat die Debatte im Nationalrat am Dienstagnachmittag letztlich abgeschlossen. Reformbedarf im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehen alle Fraktionen, Sympathie für das Begehren kam aber nur von der FPÖ. Immerhin 320.264 Unterstützer hatte das von der kleinen CPÖ eingeleitete Volksbegehren gefunden. Dabei wurde nicht nur die Abschaffung der Gebühren sondern auch eine Entpolitisierung der Gremien eingefordert.

Zahlreiche Gesetzesbeschlüsse sollen während der kommenden drei Tage getroffen werden. Unter anderem kommen ein neues Waffengesetz und eine Zivildienstnovelle, werden weitere extremistische Symbole verboten und wird die Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben in einer Behörde zusammengeführt. Zudem wird die Staatsholding wieder einmal umgewandelt, diesmal in eine Aktiengesellschaft namens ÖBAG.

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