von fe 22.10.2018 10:57 Uhr

„Eine absurde Vorstellung“

Der unangefochtene Wahlsieger in Südtirol heißt Team Köllensperger. UT24 hat den Listenführer und Namensgeber Paul Köllensperger ausführlich interviewt und ihn auch auf Themen wie Selbstbestimmung, Doppelpass, Proporz und Schule angesprochen.

Paul Köllensperger schaffte mit seiner Liste 6 Mandate

Weil die Fünf-Sterne-Bewegung der nationalen Logik folgt und deshalb kein funktionsfähiges Modell für Südtirol vorweisen konnte, entschloss sich dessen ehemaliger Landtagsabgeordneter Paul Köllensperger vor wenigen Monaten eine eigene Partei ins Leben zu rufen. Mit Erfolg, wie der Wahlsonntag zeigte.

Das Team Köllensperger brachte es aus dem Stand auf sechs Mandate und liegt mit 15,2 Prozent nach der Südtiroler Volkspartei auf Platz zwei.

Paul Köllensperger im Interview:

UT24: Herr Köllensperger, überrascht über das Wahlergebnis?

 

Paul Köllensperger: Das hatte ich mir nicht erwartet, das Ergebnis hat die Erwartungen weit übertroffen. Wir haben in den letzten Wochen mitbekommen, dass der Wind klar in unsere Richtung dreht und haben unser Wahlziel intern auch nach oben korrigiert. Aber mit sechs Mandaten hatten wir nicht gerechnet.

Das Rezept für Ihren Wahlerfolg?

 

Die Leute haben Lust auf etwas Neues. In Südtirol gibt es einen großen Teil der Wählerschaft, die eine Alternative zur Volkspartei sucht: Eine bürgerlichen Alternative der Mitte, die es bislang nicht gegeben hat. Das Team Köllensperger stellt genau das dar. Wir sind der SVP in ihre Kernwählerschaft eingefallen.

Und für was steht das Team Köllensperger genau?

 

Das Team Köllensperger steht für eine gewisse Art Politik zu machen: Bescheiden, auf Augenhöhe mit den Menschen, nicht geschrien, sondern Sachthemen bearbeitend mit konkreten Lösungsvorschlägen. Wir setzten nicht so sehr auf die Reizthemen. Unsere Anliegen waren das Gesundheitswesen, die Wohnungsnot, die hohen Lebenshaltungs- und Mietkosten. Ich bin glücklich, dass man mit diesen Themen punkten kann.

Wo klemmt sich das Team Köllensperger im Landtag als erstes dahinter?

 

Wir haben noch etwas bei den Politikerprivilegien zu lösen. Was unsere Themen im Wahlkampf waren, sind auch die Themen in der konkreten Aktion. Wir werden Vorschläge einbringen, wie man mehr Wohnungen – zu angemessenen Preisen – dem Mietmarkt zuführen und wie man die Wartelisten im Gesundheitswesen reduzieren kann.

Sie haben die Politikerprivilegien angesprochen...

Ohne jetzt den Politikerberuf schädigen zu wollen: Wenn wir Politik auf Augenhöhe machen wollen, ist es wichtig, dass wir gewisse steuerliche Vorteile eliminieren. Politik soll ein angemessener und durchaus gut bezahlter Job sein, aber jene Spielregeln, die wir den Bürgern aufzwingen, müssen als erstes für uns Politiker selber gelten.

Geworben hat das Team Köllensperger mit dem Slogan „Mitregieren“. Im Moment schaut es aber eher nach Opposition aus...

 

Wir werden mit allen reden. Dass die SVP eine gewisse Präferenz für die Lega hat, wussten wir schon vor den Wahlen. Das Resultat der Lega wird das nochmal bestärken. Eines ist aber sicher: Wenn nicht dieses Mal, dann ist es bei den nächsten Wahlen soweit, dass sich die SVP von ihrem Dogma verabschieden muss, die Alleinvertretung der Deutschen in der Regierung zu haben.

Das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter hat an Stimmen verloren. Was sagt das Team Köllensperger zu ihren Themen, wie zum Beispiel die Selbstbestimmung?

 

Es ist bekannt, dass ich immer eine Sympathie für die Selbstbestimmung in jeder Form habe. Vor allem in der Ausübung der Rechte der Bürger. Sie sollten über ihre Zukunft frei entscheiden dürfen. Das heißt nicht, dass man deshalb für die Sezession ist, aber die Bürger sollten darüber bestimmen dürfen.

Wir stehen generell für realistische Sachpolitik. Die Resultate des Autonomiekonvents werden wahrscheinlich in den Landtag kommen und wir wollen an einer weiteren Stärkung unserer Autonomie arbeiten. Wenn es möglich ist, auch einen Schritt mehr. Aber man muss realistisch sein. So wäre eine Abschaffung der Region zwar wünschenswert, diese wird es aber nicht geben, weil Mehrheiten weder im Regionalrat noch in Rom zu finden sein werden.

Zum Doppelpass hatten Sie sich bereits geäußert. Ist Ihre Meinung gleich geblieben?

 

Meine Meinung ist die gleiche geblieben. Ich habe am Anfang den Brief an Wien unterschrieben. Wenn der Doppelpass eine Herzensangelegenheit eines Teils der Südtiroler ist, dann kann man diese Möglichkeit, die man ja niemanden aufzwingt, den Bürgern gerne zugestehen. Ich bin aber der Meinung, dass die Diskussion darüber in letzter Zeit aus dem Ruder gelaufen ist. Wir brauchen jetzt keinen Streit zwischen den Sprachgruppen oder mit Rom. Ein Thema, dass für mich nur von marginalem Interesse ist, soll nicht ein schlechtes Klima schaffen. Ich denke auch, dass Wien es tunlichst vermeiden wird, einen Zwist mit Rom anzufangen.

Stichwort Minderheitenschutz: Schule und Proporz

 

An die Säulen unseres Autonomiestatutes sollte man immer vorsichtig herangehen, bevor man hier sagt: Aufweichen und Abschaffen. Beim Proporz gibt es gewisse Sektoren, bei denen wir uns hart tun werden. Zum Beispiel beim Pflegepersonal. Wenn es nicht möglich ist, den Proporz einzuhalten,  müsste man überlegen, ob dahingehend Öffnungen gemacht werden können. Allerdings nur wenn es im Sinne der Bürger ist – und das ist die Gesundheit – sonst nicht.

Zur doppelsprachigen Schule möchte ich nochmal präzisieren: Es geht nicht darum, flächendeckend gemischtsprachige Schulen einzuführen – das wäre eine absurde Vorstellung. Die deutsche und die italienische Schule sollen bestehen bleiben, der muttersprachliche Unterricht sogar gestärkt werden.

Man sollte aber, ausgehend von den Ballungszentren wo diese Nachfrage von Seiten der Eltern besteht, neue gemischtsprachige Klassen zulassen. Ich sehe den Vorteil darin, dass der Druck von der deutschsprachigen Schule genommen wird. In Bozen haben wir absurde Situationen, wo die deutschen Schulen überwiegend von italienischen Kindern frequentiert werden.

Interview: Martin Feichter

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