von fe 20.10.2017 20:12 Uhr

„Kultur muss für unsere Leute da sein“

Mit einem satirischem Plakat hat Klaus Gasperi, Direktor des Stadttheaters Bruneck, seine Kandidatur bei der SVP angeboten. UT24 sprach mit Gasperi über sein nicht ganz ernstgemeintes Angebot, ob in Bruneck wirklich zu wenig für Kultur getan wird und was ihn an der Finanzierung des neuen Photomuseums stört. Das Interview:

Klaus Gasperi ist Direktor des Stadttheaters Bruneck

UT24: Herr Gasperi, Ihre Heimatstadt Bruneck hat zwei Messner Museen, ein Stadtmuseum, das Volkskundemuseum in Dietenheim, eine großzügige Stadtbibliothek, ein Stadtarchiv. Bald kommt noch das Photomuseum. In Bruneck gibt es gleich mehrere Theatervereine. Wird wirklich zu wenig für Kultur getan?

Gasperi: Es wird nicht zu wenig für Kultur an sich getan. Es gibt da ein paar Projekte. Zum Beispiel das Hadid-Messner-Museum auf dem Kronplatz. Das finde ich phänomenal und wunderbar, dass das dort oben ist. Und was sehr toll ist: Die Seilbahngesellschaften haben dieses selbst finanziert. Schlussendlich ist es ein touristisches Event-Museum. Ich bin mir sicher: 90 Prozent der Brunecker waren nie dort. Wenn jetzt aber das Photomuseum auch noch am Kronplatz errichtet wird und denen das Land drei Millionen Euro zuschießt – und zwar von Kulturgeldern und nicht von Tourismusgeldern – dann finde ich das einfach nicht richtig. Kulturgelder sind dazu da, Kultur für die eigenen Leute zu machen und ihnen diese auch zu ermöglichen. Wenn das Photomuseum auf dem Kronplatz gemacht wird, dann wird da kaum ein Brunecker hinauffahren. Weil das kostet.

Ihr Haus, das Stadttheater, spielt seit 23 Jahren, hat internationale Schauspieler und Regisseure nach Bruneck geholt und leistet einen erheblichen Beitrag in Zusammenarbeit mit den Schulen der Umgebung. Wer so viel leistet und dennoch nicht genug gefördert wird, was macht der falsch?

Ich bin der Meinung, dass wir selbst sehr viel falsch machen. Weil wir so gut sind, dass die Politik sagt, die schaffen es ja trotzdem. Dass wir aber, oder in diesem Fall ich persönlich mit einer Bürgschaft auf meine Wohnung für den Verein hafte und dass wir teilweise keine Geräte bekommen, Schauspieler manchmal für einen Hungerlohn spielen lassen müssen, weil wir sonst den Laden zu sperren müssten – das sieht natürlich niemand. Unser Fehler ist es, dass wir immer noch weitergearbeitet haben.

Viele kleinere Kulturvereine im Pustertal haben im Laufe der vergangenen Jahre erhebliche Kürzungen bei den Landesförderungen hinnehmen müssen. Nun heißt die finanzielle Förderung nicht mehr „Beitrag“, sondern „Beihilfe“. Was halten sie vom 2016 verabschiedeten Landeskulturgesetz, das Landesrat Achammer als einen „Meilenstein“ bezeichnete?

Grundsätzlich ist das neue Kulturgesetz schon irgendwo ganz gut. Die Städtetheater, wie das Theater in der Altstadt in Meran, die Carambolage in Bozen, die Dekadenz in Brixen und wir, haben einen eigenen Status. Bei uns wird verständlicherweise ein anderes Förderkriterium angewandt, als bei einem reinen Amateurverein. Wir haben fixe Strukturen und selbst Häuser zu verwalten. Hier in Bruneck haben wir 150 Aufführungen im Jahr. Das ist natürlich ganz was anderes als Heimatbühnen, die einmal im Jahr eine Produktion macht. Was ich unheimlich wichtig finde. Ich bin mit diesen Bühnen in Kontakt. Auch wenn sie viel weniger Gelder als wir bekommen, geht es ihnen finanziell besser. Wir haben Profischauspieler zu zahlen, Fixangestellte… In Bruneck haben wir um die 70.000 Euro Spesen im Jahr, nur damit man in einem alten Haus spielen darf. Die müssen wir erst mal reinkriegen.

Die Kronplatz AG ist ein „Big Player“ im Pustertal. Sie erwirtschaftet Millionen und viele Klein- und Mittelbetriebe leben vom Skizirkus auf dem Brunecker Hausberg. Frisst ihr die Politik aus der Hand?

Es schaut jetzt so aus. Ich sage es nochmal, das was sie mit dem Hadid-Messner-Museum am Kronplatz gemacht haben, finde ich wunderbar. Das jetzt zusätzlich ein Photomuseum dort hinkommt, ist für mich auch ok, wenn es aus eigener Tasche gezahlt wird. Wenn das Museum mit drei Millionen Euro gefördert wird, dann muss es auch für uns Einheimische zur Verfügung stehen. Man kann von einem Arbeiter oder einer Verkäuferin nicht 18 Euro verlangen, nur um mit der Seilbahn dahin zu kommen. Man muss den Leuten Kultur ermöglichen. Dafür sind Kulturgelder da, und nicht dafür, einen ansonsten schon steinreichen Betrieb mit ebendiesen Geldern zu unterstützen. Was Herr Schönhuber aus dem Kronplatz gemacht hat ist bewundernswert und wir leben alle vom Kronplatz. Die Kronplatz AG tut sich aber selbst nichts gutes, wenn sie das Geld annimmt. Ich merke, es ist ein großer Unmut bei der Bevölkerung da.

Was sagen Sie zu den erhobenen Vorwürfen, dass BM Grießmayr in einen Interessenskonflikt verwickelt ist, dass seine Firma beim geplanten Museum mitarbeiten wird?

Dazu kann ich nichts sagen. Das habe ich selbst nur gelesen. Wie hier die rechtlichen und moralischen Voraussetzungen sind, weiß ich nicht. Aber da wird sich jeder seinen Gedanken machen. Das ist wieder etwas, was die Bevölkerung nicht unbedingt begeistert, höre ich.

Sie haben mit einem satirischen Plakat auf Ihrem Facebook-Profil Ihre Kandidatur bei der SVP angeboten. Muss man in Südtirol Parteimitglied sein, wenn man es zu etwas bringen will?

Das Plakat habe ich schon vor fast 10 Jahren herausgebracht. Da hatte es auch einen Moment gegeben, wo das einfach zu Recht war. Genau wie jetzt. Damals kandidierte ein Kollege für die Volkspartei und auf einmal ist es mit den öffentlichen Jobs so richtig losgegangen. Und jetzt ist es wieder das Gleiche. Es ist auch wieder die gleiche Person da. Deswegen, so glaube ich, ist diese Polemik auch wieder ganz gut. Offensichtlich war mein Fehler, nie bei der Volkspartei gewesen zu sein. Weil sonst würde es mit dem Stadttheater wohl besser funktionieren.

Sonst geht‘s nicht!?

Posted by Klaus Gasperi on Dienstag, 10. Oktober 2017

Umgekehrte Frage: Ist es in unserem Land hinderlich für Beruf und Karriere, wenn man im Verdacht steht, den Oppositionsparteien nahe zu stehen?

Das glaube ich jetzt nicht. Ich habe meine Karriere auch ohne Volkspartei gemacht. Ich denke es wäre schon ganz recht, wenn man in einem demokratischen Land wirklich auch Opposition sein darf, ohne ausgeschlossen zu werden. Ich habe einfach das Gefühl, dass wir vom Stadttheater in Bruneck ausgeschlossen werden. Das Stadtmarketing kriegt rund 350.000 Euro von der Gemeinde. Was machen die? Also wir machen 150 Veranstaltungen im Jahr und sind im In- und Ausland bekannt. Momentan spielen wir in Bautzen. Wir machen Co-Produktionen mit Wien und sind dabei, eine größere Produktion mit wichtigen Wiener Theatern zu machen. Außerdem richten das europäische Minderheitentheater mit den Sprachminderheiten aus. Seit mehreren Jahren vergeben wir zusammen mit dem Österreichischen Journalistenverband den Claus-Gatterer-Preis. Also wir sind international wirklich präsent und man kennt uns. Aber wir kriegen im Verhältnis einfach wenig Geld. Ich komme nochmal auf die Politik zurück: Wir brauchen die größte Eishalle der Welt, den größten Klettergarten der Welt und das größte Photomuseum der Welt. Da wird einfach geklotzt und bei uns wird geklemmt.

Was würden Sie machen, wenn man Ihnen die Neuregelung der Kulturföderderung überließe?

Die Kultur soll mit Kulturgeldern gefördert werden, die ja offensichtlich vorhanden sind, und nicht private Vereine, die ja schon im Geld schwimmen. Den Museen werden die Gelder gekürzt, wie ich das verstanden habe, gleichzeitig sind aber drei Millionen Euro da, um ein touristisches Spektakel auf dem Kronplatz zu finanzieren. Ich bin prinzipiell für jedes Museum. Alles was Kultur ist, ist gut. Aber die Kultur muss hauptsächlich für unsere Leute da sein. Unsere Leute sollen ins Museum gehen, unsere Leute sollen ins Theater gehen. Fördert das Museum auf dem Kronplatz mit Wirtschafts- oder Tourismusgeldern, aber bitte lasst uns die Kulturgelder, wo ja nur so wenige da sind.

Interview: Martin Feichter

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