von red 09.10.2017 19:02 Uhr

Herbert Dorfmann über Katalonien: „Das war politisch dumm“

In Katalonien hält die aufgeregte Stimmung nach dem Unabhängigkeitsreferendum vergangene Woche an. Das katalanische Regionalparlament könnte am morgigen Dienstag die Unabhängigkeit von Spanien ausrufen. Der SVP-Europaparlamentarier Herbert Dorfmann spricht im UT24 Interview darüber, wie Brüssel mit der Situation umgehen sollte und nimmt beide Seiten – sowohl Madrid als auch Barcelona – in die Pflicht.

Bildkomposition: UT24

UT24 KATALONIEN-SCHWERPUNKT


UT24: Herr Dorfmann, die EU und Katalonien. Ein Lagebericht aus Brüssel…

Wir haben am letzten Mittwoch eine außerordentliche Parlamentsdebatte zum Thema gehabt. Wir haben auch in unseren Reihen Vertreter aus allen Parteien – dazu zählen die großen spanischen Parteien sowie Vertreter, die die Unabhängigkeit Kataloniens unterstützen. Klar gibt es da völlig unterschiedliche Meinungen. In unserer Fraktion, wo auch der Partito Popular Mitglied ist, sind wir uns einig, dass das Vorgehen der Staatspolizei – nicht nur am Wahltag, sondern auch in den Tagen vorher – nicht akzeptabel und meiner Ansicht nach auch politisch dumm war. Das hat nur dazu beigetragen, den Unabhängigkeitsbefürwortern in Katalonien – wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte – eine Mehrheit zu bescheren.

UT24: Was nicht ist, kann noch werden: Wie sollte die EU ihrer Meinung nach handeln?

Die Europäische Union ist von vielen Seiten aus gedrängt worden, in den Konflikt einzuschreiten. Ganz so einfach, wie manch einer meint, ist das nicht. Man darf nicht vergessen, dass die Europäische Union ein Zusammenschluss von 28 Nationalstaaten ist – dazu gehört auch Spanien. Die EU kann schlichtweg nicht in einen solchen Konflikt auf Seiten von jemanden eintreten, der die Verfassung eines Mitgliedsstaates nicht achtet. Das würde zu immensen politischen Folgen führen. Die EU hat in den vergangenen Jahren eine sehr bittere Lektion bekommen: Dass sie sich damals in den Österreich-Konflikt eingemischt hat, wo Bundeskanzler Schüssel in eine Regierung mit der FPÖ getreten ist – mit den daraus folgenden Sanktionen – wird heute noch als einer der größten innenpolitischen Fehler betrachtet. Bevor man sich in eine Situation einmischt, denkt man in Brüssel also drei Mal nach. Was die Union schon tut, sollte und auch tun könnte: eine Vermittlerposition einnehmen. Den Konflikt auf diplomatischem Wege anzugehen wäre derzeit das einzigst Vernünftige. Dafür braucht es natürlich das Einverständnis von beiden Seiten. Ãœberall wo es irgendwie möglich ist, sollte die EU versuchen, den Konflikt zu deeskalieren. Außerdem sollte sie versuchen, alle Parteien dort hinzubekommen, wo sie hingehören: an den Verhandlungstisch. Ohne miteinander zu verhandeln, wird man den Konflikt nicht lösen können.

UT24: Manchmal sei zur Verteidigung des Rechtsstaates „ein angemessener Gebrauch von Gewalt“ nötig, sagte der Vizepäsident der EU-Kommission, Frans Timmermann. Was sagen Sie zu seiner Äußerung?

Ich war bei der Debatte selber anwesend. Die Rede von Frans Timmermann ist mittlerweile abrufbar. Franz Timmermann war in seiner Rede schon relativ klar im Verurteilen der Gewalt. Ich persönlich glaube – wie ich schon vorher gesagt habe – dass es absolut keine Notwendigkeit gegeben hat, hier die Leute mit Gewalt vom Wählen abzuhalten. Im Gegenteil: Diese ganze Aufmerksamkeit, die der spanische Staat diesem ganzen Referendum gewidmet hat, hat außer den Unabhängigkeitsbefürwortern niemandem genützt. Ich glaube sogar, dass weniger Leute zur Wahl gegangen wären, wenn der Staat das ganze bewusst ins Leere laufen gelassen hätte. Von der Sichtweise der Zentralregierung war das einfach das blödeste Vorgehen, das sie hätten machen können. Recht viel dümmer kann man sich nicht anstellen. Ein Staat hat doch nicht die Aufgabe, seine eigenen Leute niederzuknüppeln.

UT24: Das Parlament will am morgigen Dienstag die Unabhängigkeit ausrufen. Was wäre die beste Lösung für diesen Konflikt?

Ich hoffe dass das passiert, was in der Politik zu passieren hat: nämlich, dass sich alle Parteien an einen Tisch setzen und verhandeln. Es ist schon erstaunlich: Keine der beiden Seiten – weder die katalanische Regierung, noch der Ministerpräsident – haben eine parlamentarische Mehrheit. Beide haben im Grunde die letzten Wahlen verloren und beide regieren mit Unterstützung der extremen Linken beziehungsweise der Sozialdemokraten. Beide sind politisch schwach aufgestellt. In einer solchen Phase wäre es gut, sich darüber Gedanken zu machen, wie man zur Befriedung der Lage beitragen kann. Es hat bis heute nie eine Mehrheit der Bürger für die Unabhängigkeit gegeben. Wahrscheinlich gibt es eine breite Mehrheit für eine vernünftige Autonomielösung – die müsste Spanien halt mal vorschlagen. Was ich derzeit nicht verstehe, ist diese absolute unerbittliche Haltung , wo sich beide Seiten weigern miteinander zu reden und Kompromissvorschläge zu machen. Wahrscheinlich auch, weil beide Seiten erkannt haben: wenn sie einen Schritt zurück machen, geht’s an den eigenen Kragen.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite