Redaktion UT24

09.10.2017

Alois von Negrelli: Vom bedeutendsten Verkehrsplaner seiner Zeit zum Konstrukteur des Suezkanals

Die Negrelli-Halle von außen - Foto: Jaist

Von Michael Demanega.

Die Persönlichkeit Alois von Negrelli verdient eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Lebensentwurf dieses Tiroler Bauingenieurs, der in ganz Europa und später auch darüber hinaus bleibende Leistungen setzen sollte. Aus dem damals ärmlichen Primörtal stammend, wo er 1799 zur Welt kam – sein Vater war am Tiroler Freiheitskampf beteiligt –, studierte Alois von Negrelli in Padua und Innsbruck, befasste sich mit Brückenbau, Wasserbau und Straßenbau, obwohl seine jugendliche Leidenschaft eigentlich der Architektur gehörte, und trat in den staatlichen Dienst in Tirol im Bereich Flussregulierungen und Straßenbau ein. Vorerst mit Vermessungen in ganz Tirol befasst, sollte Negrelli sich vertieft mit Brückenbau befassen – Tirol benötigte Brücken – und in Wien bei Friedrich Schnirch die Ingenieurskunst des Eisenbrückenbaus erlernen, zweifelsohne ein großer Fortschritt zu jener Zeit. Für seinen beruflichen Werdegang bedeutend war in Wien die Bekanntschaft mit Franz Anton von Gerstner, Professor an der Technischen Hochschule in Wien und Pionier im Eisenbahnwesen, der zusammen mit Matthias von Schönerer 1841 die erste Eisenbahn in Kontinentaleuropa von der Donau zur Moldau verwirklichte.

Anerkennung über Österreich hinaus

In den folgenden Jahren war Negrelli zusammen mit Josef Duile im Bereich der Rheinregulierung in Vorarlberg tätig, um Wasserschutzbauten zu realisieren – vorerst gegen den Widerstand der skeptischen Landbevölkerung, die den Sinn und Nutzen dieser Bauten noch nicht nachvollziehen konnte. Negrellis Leistungen als Bauingenieur im Rahmen der Wasserschutzbauten am Rhein blieben nicht unerkannt und sehr bald schon sollte er 1832 vom Schweizer Kanton St. Gallen als Bauinspektor angeheuert werden. Dieser Schritt war aus politischer Sicht nicht unproblematisch, bedeutete der Schritt in die Schweiz nämlich einen Affront gegen das Kaisertum. Negrelli dürfte den Schritt nicht aus mangelnder Loyalität gesetzt haben, sondern aus fachlicher Begeisterung in Bezug auf die zu erwartenden neuen Aufgaben. In der Schweiz arbeitet Negrelli besonders an Straßen und baute Brücken, etwa die Münsterbrücke in Zürich. Negrellis Expertise sollten fortan auch andere Schweizer Kantone zu Rate ziehen. Negrelli war nicht nur Straßen- und Brückenbauer, sondern ein Verkehrs- und Stadtplaner von Format, der die größeren Zusammenhänge zu sehen vermochte. Liest man sich sein Gutachten über den Bau der Münsterbrücke in Zürich durch, dann erkennt man, dass Negrelli sich mit dem Städtebau in London, Paris, St. Petersburg, Wien, Verona, Venedig, Innsbruck, Linz und Nantes auseinandergesetzt hatte und seine Erkenntnisse als Handlungsanleitung für seine planerische Tätigkeit sehen wollte. Negrelli befasste sich nunmehr vermehrt mit Eisenbahnbauten und plante die Eisenbahnstrecke zwischen Zürich und Baden. Nun war der Weg in Richtung Eisenbahnbau eingeschlagen.

Der wohl bedeutendste Verkehrsplaner seiner Zeit

Die Befassung mit dem Eisenbahnwesen führte Negrelli wieder zurück nach Österreich. Vorerst als Generalinspektor der Kaiser-Ferdinands-Nordbahngesellschaft ab 1842, dann ab 1848 als Leiter der Sektion Eisenbahnen im Arbeitsministerium, schließlich als Direktor der Baubehörde in der Lombardei und Venetien und 1856 als Generalinspektor der österreichischen Eisenbahnen. Glaubt man den Aufzeichnungen, so dürfte Negrelli auch Bekanntschaft mit Alexander von Humboldt gemacht und sich mit diesem über die neuesten Leistungen des Ingenieurswesens auseinandergesetzt haben – unter anderem auch über den Suezkanal, zu jener Zeit noch ein ferner Traum, der Negrelli allerdings nicht mehr loslassen sollte. Die Aufzeichnungen besagen auch, dass Negrelli von einem wahrlich europäischen Geist beseelt war. Gerade das Eisenbahnwesen entfalte nach Negrellis Ansicht nämlich erst dann sein gesamtes Potential, wenn es in einem länderübergreifenden Netz konzipiert sei und Länder und Grenzen überwindet. Negrelli wollte das Eisenbahnwesen im größeren Ganzen verwirklicht sehen. Und so kommt es auch, dass der Ingenieur Negrelli führend den Eisenbahnbau in Österreich-Ungarn, in Oberitalien, in der Schweiz, in Sachsen und in Württemberg bewerkstelligte. Negrelli war der wohl bedeutendste Verkehrsplaner seiner Zeit und ein international gefragter Verkehrsexperte. 1857 wurde schließlich auch die Brennerbahn in Betrieb genommen, die von Alois von Negrelli gemeinsam mit Carl von Etzel geplant wurde und die – betrachtet man das gebirgige Gelände – zu jener Zeit eine bemerkenswerte technische Herausforderung war. Im Rahmen des Bahnbaus entstanden auch Hochbauten entlang der Brennerstrecke, etwa Bahnhöfe, zum Beispiel jener in Salurn, oder aber auch Lagerhallen wie jene in Bozen, die trotz heftigen Widerstandes durch Denkmalschützer und Bürger abgerissen werden soll. 1950 wurde Alois von Negrelli in den Ritterstand erhoben und trug fortan den Adelstitel „von Moldelbe“ – in Anlehnung an seine Ingenieurstätigkeiten an der Moldau und an der Elbe.

Negrellis Krönung: Der Suezkanal

Die Idee eines Verbindungskanales zwischen Mittelmeer und Rotem Meer war nicht neu. Die Idee hatten bereits die alten Ägypter. Einen neuen Anlauf sollte es im 19. Jahrhundert geben. Zuvor berechneten Ingenieure bei Napoleons Ägyptenexpedition einen Höhenunterschied des Wasserspiegels zwischen Rotem Meer und Mittelmeer von mehreren Metern. Dieser Umstand hätte erhebliche technische Probleme bedeutet. Alois von Negrelli, der in der Schweiz und später in Österreich immer wieder mit der Idee Suezkanal zu tun hatte, war von Anfang an davon überzeugt, dass es diesen Höhenunterschied nicht gebe. Dass Negrelli als herausragendster Verkehrsplaner seiner Zeit von dem Potential eines direkten Handelsweges Atlantik und Indischem Ozean – ohne Umfahrung Afrikas – begeistert war, liegt auf der Hand. Und so schrieb Negrelli auch 1856: „Die Verbindung der beiden Meere mittelst eines maritimen Kanals ist demnach sowohl für die Entfaltung des Welthandels durch Abkürzung des Weges zwischen Europa und den am indischen Ozean gelegenen reichen Ländern der alten Welt, als auch für die Belebung der Küstenfahrt Ägyptens, verbunden mit dem Aufblühen der inneren Wohlfahrt dieses gesegneten Landes, eine unbestreitbare Notwendigkeit“. Negrelli wurde von deutscher Seite mit der Untersuchung des Suezkanals beauftragt und gehörte ab 1846 der internationalen Studiengruppe und ab 1855 der internationalen Kommission zur Errichtung des Suezkanals an. Negrelli war es, der sich intensiv mit der Trassierung befasste und dessen Entwurf einer schleusenlosen Trasse schließlich auch von der Kommission übernommen wurde. Der Ingenieur Negrelli konnte die Fertigstellung seines Werkes allerdings nicht mehr erleben, verstarb er doch 1958 in Wien, am Alsergrund. Mit Negrellis Leistungen rund um den Suezkanal sollten sich andere, vordergründig der Franzose Ferdinand de Lesseps, schmücken. Erst allmählich und auf Drängen der Tochter Negrellis, die gegen die Suez-Kommission prozessierte, sollte Alois von Negrelli als der eigentliche Urheber der Suezpläne gewürdigt werden. Heute ruht Negrelli am Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab.

Was bleibt

Bemerkenswert bleibt die Tatsache, wie ein Tiroler, aus einfachsten bäuerlichen Verhältnissen stammend, mit Fleiß, Intelligenz und Weitsicht sich zum wohl bedeutendsten Verkehrsingenieur seiner Zeit aufgearbeitet hatte und mit der Verwirklichung des Suezkanals auch den Eintritt in die Weltgeschichte verwirklichen konnte. Nicht unwichtiger als der Suezkanal sind allerdings Negrellis Leistungen zur Etablierung eines europäischen Bahnnetzes, die bis heute hin nachwirken. Das muss besonders in einer Zeit, in der der motorisierte Individualverkehr unsere Gesellschaft vor immer drängendere Probleme stellt und zu Recht verstärkt Initiativen in Richtung öffentlichem Verkehr und Bahnverkehr gesetzt werden, mit Nachdruck festgestellt werden. Möge das Werk Negrellis Ansporn sein, sich auch heute mit den Möglichkeiten eines intelligenten und nachhaltigen Verkehrssystems auseinanderzusetzen.


Michael Demanega ist derzeit Bauingenieur in Wien und hat sich im Rahmen seines Studiums an der Technischen Universität Wien in Verkehrsplanung spezialisiert


Quellenangabe: Dipl.-Ing. Viktor Schützenhofe: „Alois Negrelli, sein Leben und sein Werk“, in „Blätter für Technikgeschichte“, Heft 11, Wien 1949


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