von lf 01.10.2017 14:32 Uhr

Mit Vorschlaghammer gegen Wahlurnen: Ein Stimmungsbericht

Stefan Zelger ist derzeit für die Bewegung Süd-Tiroler Freiheit in Kataloniens Hauptstadt, um die historischen Stunden der Referendums über die Unabhängigkeit der Region vom spanischen Zentralstaat vor Ort zu verfolgen. Ein Stimmungsbericht.

„Die Abstimmung in Katalonien über die Unabhängigkeit der Region von Spanien ist angelaufen und der Zentralstaat geht mit aller Härte dagegen vor. Die Stimmung ist weitgehend friedlich, aber die Lage ist sehr angespannt. Die Staatsmacht geht mit Vorschlaghammer auf Wahllokale los!

Heute ab 9.00 Uhr sollten die Bürger Kataloniens darüber abstimmen, ob sie bei Spanien bleiben, oder eine unabhängige Republik werden wollen. Bereits um 6.00 Uhr morgens versammelt sich eine große Menschenmasse bei strömendem Regen vor einem Wahllokal im Zentrum Barcelonas. Als um 7.00 Uhr die ersten Wahlhelfer durch die Menge schreiten, bricht Applaus und Jubel aus, gefolgt von lauten Rufen ‚votarem, votarem‘, ‚wir werden abstimmen‘. Eine beeindruckende Manifestation der Demokratie. Dann kommt die Staatsmacht.


UT24 KATALONIEN-SCHWERPUNKT


Gegen 8.00 Uhr ziehen knapp 20 Polizisten vor das Tor der Volksschule, in der gewählt werden sollte. Das Tor ist von einer großen Menschenmenge geschützt, die immer wieder Wahlzettel in die Luft hält und als Zeichen des friedlichen Protests die blanken Hände zum Himmel reckt. Die Polizisten harren zunächst passiv vor der Menge aus. Sie tragen schwere Schutzkleidung, Schusswaffen, Schilde, Schlagstöcke und große Tränengaswerfer. Die mehrere hundert Menschen bleiben ruhig, kein Laut ist zu hören. Eine unheimliche Atmosphäre. Die Ruhe vor dem Sturm. Wenig später riegelt die Polizei mit ca. 200 Mann die Straße, in der das Wahllokal steht, von beiden Seiten her ab. Die Beamten gehen nun hart gegen die friedlichen Wähler vor und versuchen das Tor zu stürmen. Menschen werden aus der Menge gezogen und zum Teil mit Schlagstöcken geschlagen. Über uns kreisen Polizeihubschrauber. Die Menge votiert lautstark ‚No pasarán‘, sie werden nicht durchkommen, den alten Schlachtruf der Republikaner gegen die Faschisten im Bürgerkrieg. Die Lage droht zu eskalieren. Die Wähler bleiben aber immer friedlich und auch die Polizei versucht, nicht weiter an der Eskalationsspirale zu drehen.

Um 10.00 Uhr stürmen gut 30 Polizisten mit Vorschlaghammer einen Nebeneingang zur Schule und beschlagnahmen die Wahlurnen. Beamte in Zivil rennen unter lautstarken Pfiffen mit den Urnen davon und werfen sie hastig in Zivilfahrzeuge. Demonstranten versuchen noch durch eine Sitzblockade die Abfahrt zu verhindern, doch die Beamten können mit den vermeintlichen Corpus Delicti entkommen. Mit Tränen in den Augen skandieren junge Menschen ‚verschwindet‘, als sich die Staatsmacht wieder zurückzieht.“

Zelger resümiert: „Wer mit Vorschlaghammer und Schlagstock gegen eine demokratische Abstimmung vorgeht, delegitimiert sich selbst und hat schon verloren. Der Wunsch nach Freiheit wird in den Katalanen nach diesem Tag und nach diesen Bildern größer sein, als jemals zuvor. Kein Land kann auf Dauer das Recht auf Selbstbestimmung verwehren, wenn das Volk es will. Spanien Katalonien nicht, Italien Süd-Tirol nicht“.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite